Oberkochen

Richt­fest am Volkmars­berg­turm 1929

Vor gut 2 Jahren übereig­ne­te uns unser Mitglied Helmut Gold (Murxle) für das Fotoar­chiv des Heimat­ver­eins ein auf Karton aufge­zo­ge­nes 24 auf 17 cm großes Origi­nal­fo­to mit der Aufschrift „Turmbau Volkmars­berg 1929“. Auf der Rücksei­te des Fotos steht in großer Handschrift „E. Weber“. Für den Heimat­ver­ein wäre es von Inter­es­se, zu erfah­ren, ob unter den Bauar­bei­tern, die aus Ulm und Oberko­chen kamen, Oberko­che­ner erkannt werden. (Tel. 7377 – Bantel). — Ganz eindeu­tig handelt es sich um ein Foto vom Richt­fest des hochmo­der­nen Beton­baus. Der alte schon seit 1905 wegen Einsturz­ge­fahr gesperr­te Holzturm war bereits 1911 von einem Sturm „aus dem Gefüge geris­sen und nieder­ge­legt worden“. 20 Jahre lang gab es keinen Turm. – Links im Foto ist die 1923 erbau­te Schutz­hüt­te zu sehen, die noch lange nach dem 2. Weltkrieg bis in die frühen Sechzi­ger­jah­re des letzten Jahrhun­derts stand.

Aus dem Heimat­buch zitie­ren wir den 1878 in Schwä­bisch Gmünd gebore­nen und 1945 in Aalen verstro­be­nen Oberleh­rer Alfons Mager. Er war von 1919 bis 1940 Lehrer in Oberko­chen, ab 1927 Schul­lei­ter der katho­li­schen Bekennt­nis­schu­le und ab 1936 der deutschen Volks­schu­le. Daneben war er Dirigent des katho­li­schen Kirchen­chors, Schrift­füh­rer und später Obmann der Ortsgrup­pe des Schwä­bi­schen Albver­eins, Denkmal­pfle­ger und Verfas­ser zahlrei­cher heimat­ge­schicht­li­cher Arbeiten.

Alfons Mager:
„Es sollte nach der Zerstö­rung des alten Holzturms fast zwei Jahrzehn­te dauern, bis sich ein neuer Turm auf dem Berg erhob. Die Not es ersten Weltkriegs verhin­der­te einen Neubau und die Infla­ti­on von 1923 beraub­te die Ortsgrup­pe des Schwä­bi­schen Albver­eins fast des gesam­ten angespar­ten Vermö­gens. Der Haupt­för­de­rer des Turmbau­ge­dan­kens war Fabri­kant Fritz Leitz. Zu Beginn des Jahres 1929 lagen Fritz Leitz mehre­re Entwür­fe für den Bau eines neuen Turmes vor. Der Albver­ein wollte einen möglichst schlich­ten und möglichst kosten­güns­ti­gen Turm bauen. In Abspra­che mit der Staat­li­chen Baube­ra­tung in Stutt­gart wurde der Entwurf von Archi­tekt Otto Schmid aus Gingen a.d.Brenz angenom­men. Schmids Kosten­vor­anschlag belief sich im Januar 1929 auf 23.000 Mark: nämlich 14.000 Mark für den Bau, 1.000 Mark für die Fenster, 1.000 Mark für die Türen, Treppen­ge­län­der, Kupfer­ab­de­ckung der Ecken und des Eingangs, Bänke und Tische. Dazu kam die Leistung der Bauherr­schaft von 7.000 Mark (Schot­ter- und Zement­lie­fe­rung 5.000 Mark, Beifuhr 1.000 Mark, Wasser­zu­fuhr 1.000 Mark) Das Archi­tek­ten­ho­no­rar betrug 8%. Wegen einiger Beden­ken bezüg­lich der relativ hohen Kosten versuch­te der Verein den Aufwand zu kürzen. Dann wurde der Bauauf­trag der Eisen­be­ton­fir­ma Jakob Vogt in Ulm in Verbin­dung mit dem Bauge­schäft Heinrich Aisslin­ger in Aalen verge­ben, die Bauauf­sicht führte Archi­tekt Schmid. Obwohl die Endrech­nung den Kosten­vor­anschlag noch um 6.000 bis 7.000 Mark überstieg, wurde mit dem Bau noch im selben Jahr begon­nen. Das war möglich, weil Fabri­kant Leitz die Bausum­me bis 1930 vorstreckte.

Oberkochen

Fritz Leitz, rechts im Foto, mit drei Unbekann­ten.
Frau Zöllner, Tochter von Hermann Ilg, teilt am 06.11.09 telefo­nisch mit, dass die große Person links von Fabri­kant Leitz (Mitte mit Hut) ihr Vater Hermann Ilg ist. Hermann Ilg wurde später selbst Oberko­che­ner Obmann beim Schwäb. Albver­ein. Er war bei Fritz Leitz beschäftigt.

Die Gemein­de Oberko­chen steuer­te 2.000 Mark bei und überließ dem Albver­ein das Stein­ma­te­ri­al und das Verfü­gungs­recht über das Gelän­de im Umkreis von 50 Metern um den Turm. Der Rohbau machte dank der tatkräf­ti­gen Mithil­fe vieler Albver­eins­mit­glie­der und dank der günsti­gen Witte­rung rasche Fortschrit­te und wurde an Aller­hei­li­gen (1.11.1929) vollendet. Im Novem­ber und Dezem­ber dessel­ben Jahres wurden die Innen­ar­bei­ten verrich­tet, die Wasser­spei­er angebracht und im neuen Jahr der Raum im Eingangs­be­reich hübsch hergerichtet.

Der Turm wurde von Ulmer und Oberko­che­ner Arbeits­kräf­ten unter Werkfüh­rer Deißler erstellt. Die Berghüt­te diente den Auswär­ti­gen als Koch- und Schlaf­raum. Durch die Stein­brech­ma­schi­ne von Maurer­meis­ter Tritt­ler wurden die Bergstei­ne zerschrot­tet und zermah­len. Glaser­meis­ter Wingert setzte die aus geschlif­fe­nem, polier­tem Draht­spie­gel­glas gefer­tig­ten Fenster ein, und Zimmer­meis­ter Brunn­hu­ber sorgte für den Boden­be­lag und die obere Treppe­n­abe­ckung. Sämtli­che Schrei­ner­ar­beit, die in dem alter­tüm­li­chen Turmstüb­chen wohl auffällt, wurde von Schrei­ner­meis­ter Fischer ausge­führt. Die Schlos­ser­ar­beit besorg­te Bauschlos­ser­meis­ter Walz von Heiden­heim. Die Maler­ar­bei­ten führte Meister Richard Holz von Aalen aus.

Der Turm wurde neben dem Signal­stein erstellt, ist aus Eisen­be­ton errich­tet und 23 Meter hoch. Am Fuß hat er eine Grund­flä­che von sieben auf sieben Metern, die Platt­form mißt sechs mal sechs Meter. Die gesam­te überbau­te Fläche umfaßt 53 Quadrat­me­ter. Die Mauern sind an den Kanten 30, und sonst 15 cm stark. Das Innere umfaßt fünf Stock­wer­ke, elf Treppen und 104 Stufen. Das Gewicht des ganzen Turms beträgt 300 Tonnen. Ein Wasser­be­darf von 45.000 Litern mußte mit Fuhrwer­ken vom Tiefen­tal aus herbei­ge­führt werden. Ein frühe­rer Öltank der Firma Gebr. Leitz leiste­te als Wasser­be­häl­ter gute Diens­te. Verwen­det wurden 250 Kubik­me­ter Sand und Kies, zehn Tonnen Eisen und 900 Sack Zement. Die Deckplat­te wiegt 20 Tonnen. Durch eine Nachbe­hand­lung mit Ceresit gelang es, den Turm trocken zu halten.

Die feier­li­che Einwei­hung des Turms fand am Sonntag, dem 25. Mai 1930, durch den damali­gen Vorsit­zen­den des Albver­eins, Prof. Dr. Nägele, statt. Ab dem folgen­den Tag war der Turm für die Öffent­lich­keit zugäng­lich. Albver­eins­mit­glie­der und deren Angehö­ri­ge hatten satzungs­ge­mäß freien Eintritt. Nicht­mit­glie­der bezahl­ten 20 Pfennige“.

Dietrich Bantel

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