Schwar­zer Kocher war Roter Kocher — Blauer Kocher, weißer Kocher, Teil 3

In unseren Berich­ten 527 v. 12. 01.2008 und 528 vom 25.01.2008 haben wir uns mit den „Kocher­far­ben“ beschäf­tigt und konnten in Bericht 527 belegen, dass es nicht nur den „Schwar­zen Kocher“ und den „Weißen Kocher“ und sogar einen „Roten Kocher“ gibt, sondern dass in alten Karten auch ein „Blauer Kocher“ nachweis­bar ist. (u.a. Dukatus-Karte 17. Jh. Der Blaue („blaw Kochen,“ „blau Kocher“ als kleines Zubäch­lein zum Unter­ko­che­ner Kocher­zu­fluß kann inzwi­schen mehrfach, auch in jünge­ren Karten, nachge­wie­sen werden, aller­dings von uns bislang nur bis 1779).

In Bericht 528 konnten wir darüber­hin­aus eine bislang nie nachge­wie­se­ne Behaup­tung, die auf einer Mittei­lung eines längst verstor­be­nen Altober­ko­che­ners an mich zurück­geht, und derzu­fol­ge der „Schwar­ze Kocher“ früher als der „Rote Kocher“ und der „Weiße Kocher“ früher als der „Schwar­ze Kocher“ oder in Teilen gar als der „Blaue Kocher“ bezeich­net worden waren, durch Abbil­dung einer Karte, die aus dem Unter­ko­che­ner Leporel­lo zur Kocher­burg stammt ( leider ohne Jahres­zahl), belegen.

Vom 27.06. bis zum 20.09.2009 lief im Ellwan­ger Schloss­mu­se­um eine Sonder­aus­stel­lung zum Thema „Die Fürst­props­tei Ellwan­gen im Spiegel alter Karten“. Anfang Septem­ber kam unser Vorsit­zen­der Karl Elmer mit der spannen­den Infor­ma­ti­on, dass er in der dorti­gen Ausstel­lung eine weite­re Karte entdeckt habe, auf der der heuti­ge „Schwar­ze Kocher“ als „Roter Kocher“ und der „Weiße Kocher“ als „Schwar­zer Kocher“ bezeich­net sind.

Am Samstag, 12.09.2009, fuhr eine kleine inter­es­sier­te Abord­nung des Heimat­ver­eins nach Ellwan­gen, um diese und natür­lich auch andere inter­es­san­te alte Karten in Augen­schein zu nehmen.

Bei der Karte, auf der der heuti­ge „Schwar­ze Kocher“ als „Roter Kocher“ und der „Weiße Kocher“ als der „Schwar­ze Kocher“ dokumen­tiert sind, handelt es sich um eine Karte aus dem Jahr 1804. Sie ist in der Ausstel­lung beschrie­ben als:

Karte von dem Kurfürs­ten­tum Wirten­berg
Augsburg bey Johan­nes Walch, 1804

Die Karte stellt den Zustand nach der Säkula­ri­sie­rung dar
Ellwan­gen gehört schon zu Württem­berg, ist jedoch noch als „Stift Ellwan­gen“ bezeich­net
Maßstab ungefähr 1 : 300 000
Höhe 47,7 cm, Breite 55,4 cm)
Besit­zer: Winfried Kießling

Wir zeigen in Abbil­dung 1 (Ausschnitt aus der Karte von 1804) den entspre­chen­den Karten­aus­schnitt, in welchem der von Oberko­chen kommen­de Fluss­teil mit dem eigent­li­chen Kocher­ur­sprung deutlich als „Rot Kocher“, und der in Unter­ko­chen einmün­den­de Kocher-Zufluss ebenso deutlich als „Schwarz Kocher“ bezeich­net sind. Einen „Weißen Kocher“ gibt es nicht. Ebenso deutlich ist auf dieser Karte von 1804 erkenn­bar, dass die Unter­schei­dung „schwarz/rot“ nur bis zum Zusam­men­fluss des Oberko­che­ner Quell­flus­ses mit seinem Unter­ko­che­ner Zufluss gilt. Unter­halb von Unter­ko­chen ist für den jungen Fluss eindeu­tig nur noch die Bezeich­nung „Kocher“ zu finden.

Oberkochen

Ausschnitt aus der Karte von 1804

Damit sind alle Zweifel und alle Zweif­ler an unserer Darstel­lung in den o.g. Berich­ten endgül­tig wider­legt, — und vor allem ist der Altober­ko­che­ner, der mir bereits vor 20 Jahren von einst: „Schwar­zer Kocher“ gleich „Roter Kocher“ berich­tet hatte, (Kasimir Hug) in seiner Aussa­ge endgül­tig bestä­tigt. Leider habe ich die Geschich­te damals nicht richtig ernst genom­men und Herrn Hug nicht gefragt, woher er von dieser Verdre­hung wisse.

Der Grund dafür, dass der „Schwar­ze Kocher“ zeitwei­se auch als „Roter Kocher“ gesehen wurde, hängt mit großer Sicher­heit damit zusam­men, dass sich im unmit­tel­ba­ren und weite­ren Bereich des Kocher­urprungs aus der Zeit der Eisen­erz­ver­hüt­tung (Hochofen am Kocher­ur­sprung ca. Mitte des 16. bis Mitte des 30-jähri­gen Kriegs) riesi­ge Schla­cken­hal­den befan­den. Die Schla­cke war auf Grund der Tatsa­che, dass damals in den Hochöfen noch keine so hohen Schmelz­tem­pe­ra­tu­ren erreicht werden konnten wie heute, nach dem Schmelz­vor­gang noch mit einem Restei­sen­ge­halt versetzt, was neben­bei zur Entste­hung der „Schla­cken­wä­sche“

Oberkochen

Prahl’sche Schla­cken­wä­sche in der Karte von 1748

führte, wo die Ärmsten der Armen die Schla­cke für einen Hunger­lohn fast zu Staub zerschlu­gen und aus dem zerschla­ge­nen Materi­al dieses nicht zerschlag­ba­re Restei­sen im Kocher­was­ser in Sieben heraus- „wuschen“, was in unserem von unserem Mitglied Coni Weber liebe­vollst geschaf­fe­nen Modell im Raum 4 des Heimat­mu­se­ums hervor­ra­gend darge­stellt ist. Das Gebäu­de „Oberko­che­ner Schla­cken­wä­sche“ wurde 1904 abgebrochen.

Eben dieses in der Schla­cke befind­li­che Restei­sen, vor allem das in den Schla­cken­hal­den (Flur „Schla­cken­weg“), hat zur Bildung von Rost und damit zur Rotver­fär­bung unseres Oberko­che­ner Kocher­urprung­was­sers, und somit natür­lich wohl auch zu der Bezei­chung „Roter Kocher“ geführt.

Ferner entdeck­ten wir eine 100 Jahre ältere sehr ungenaue, um nicht zu sagen falsche franzö­si­sche Karte aus dem Jahr 1704 mit einem „Blaw Kochen“, der von der Kapfen­burg her kommt und einem „Schwartz Kochen“, der von(m?) „Schonen­berg“ auf dem Härts­feld her kommt. (Beides völlig unmög­lich) Die beiden Kocher­zu­flüs­se münden, beide von rechts kommend, in den Kocher,- und zwar ober- und unter­halb Unter­ko­chens. Oberko­chen liegt an falscher Stelle, und unser Oberko­che­ner Kocher kommt ohne Namens­an­ga­be vom „Eisen­ham­mer“ („Eisen­t­lamer“) und entspringt fälsch­li­cherweie weit hinter seinem Ursprung ! Diese fahrläs­si­ge Dokumen­ta­ti­on basiert mögli­cher­wei­se auf einer misera­blen Nachma­che von der erwähn­ten älteren Dukatus-Karte, die wir bereits in unserem Beitrag 527 abgebil­det haben.

Oberkochen

Franzö­si­sche Karte von 1704

Mögli­cher­wei­se hat auch die in alten Zeiten größe­re Bedeu­tung Unter­ko­chens (Kochen­burg – Ritter von Kochen) zur gelegent­lich verzer­ren­den und irrefüh­ren­den Vernach­läs­si­gung des eigent­li­chen Kocher­ur­sprungs bei Oberko­chen zuguns­ten der Unter­ko­che­ner Zuflüs­se geführt.

Inter­es­sant ist übrigens die häufi­ge Nennung eines Sees zwischen dem Kocher­ur­sprung und der Wasser­schei­de, oberko­chen­sei­tig, der als „Egert­see“, „Egart See“ „Ehegar­ten Hoff“, od. „Ehegar­ter Hoff“ bezeich­net ist. Heute erinnert noch der „Seegar­ten­hof“ an diesen See.

Abschlie­ßend muss festge­stellt werden, dass die Verdre­hung „Schwar­zer Kocher“ = „Roter Kocher“ vergleichs­wei­se eher selten vorkommt. Es gibt ältere Belege, auf denen die Bezeich­nung „Schwar­zer Kocher“ wie heute dem Oberko­che­ner Quell­fluß zugeord­net ist. Die Bezei­chung „Weißer Kocher“ für den Teil des Kocher­zu­flus­ses, der seinen Ursprung bei Unter­ko­chen hat, taucht, wenn überhaupt, erst sehr spät auf. (20. Jahrhundert).

Die Bezeich­nung „Roter Kocher „beschränkt sich heute auf den kleinen kurzen Oberko­che­ner Kocher­zu­fluss, der, vom Ölwei­her kommend, kurz unter­halb des Kocher­ur­sprungs in den Kocher mündet. Wie es kam, dass dieser kleine Kocher­zu­fluss heute „Roter Kocher“ heißt, ist schwer zu belegen. Kasimir Hug schloss in dem Kocherge­spräch vor 20 Jahren nicht aus, dass sich die Verdre­hung „Schwar­zer Kocher“ = „Roter Kocher“ bezüg­lich des „Roten Kochers“ auch nur auf den kurzen kleinen Oberko­che­ner Quell­bach vom Ölwei­her zum „Schwar­zen Kocher“ bezieht. Da der ominö­se einsti­ge „Schwar­ze“ Oberko­che­ner Ölwei­her­ko­cher­zu­fluß in den ominö­sen einsti­gen „Roten“ origi­nal Oberko­che­ner Kocher­ur­sprungs­ab­luss münde­te, wäre die Gesamt­be­zeich­nung für den Kocher ab Ursprung zumin­dest bis Unter­ko­chen jedoch tatsäch­lich „Roter Kocher“ gewesen – wie das auf nunmehr insge­samt 3 Karten beleg­bar ist.

Inter­es­sant ist in diesem Zusam­men­hang ein weite­rer „Schlen­ker“ in die Geschich­te. Uns beschäf­tig­te die weitge­hend unbekann­te Tatsa­che, dass Württem­berg in der inter­es­san­ten Karte von 1804 als „Kurfürs­ten­tum“ bezeich­net ist, und auch, dass die Karte in die Zeit des könig­li­chen Besuchs beim Bilzhan­nes auf der Bilz fällt. Hierzu folgen­de Fakten zu Alt- und Neuwürttemberg:

Fried­rich I. (6.11.1754 – 30.10.1816) wird zwr allge­mein als 1. König von Württem­berg bezeich­net. Als Fried­rich II. war er ab 23.11.1797 jedoch zunächst Herzog des vorwie­gend protes­tan­ti­schen Herzog­tums Württem­berg, das man später als Alt- Württem­berg bezeich­ne­te. 1803 fielen im Rahmen der Napoleo­ni­sie­rung Europas dem damals noch frank­reich­freund­li­chen Herzog Fried­rich durch den Reichs­de­pu­ta­ti­ons­haupt­schluss zahlrei­che freie Reichs­städ­te und weite­re vorwie­gend katho­li­sche Gebie­te und im Mai des gleichen Jahres 1803 auch die Würde eines Kurfürs­ten zu. Aus dem vorwie­gend protes­tan­ti­schen Altwürt­tem­berg wurde ein württem­ber­gi­sches Kurfürs­ten­tum, wo schon bald die Gleich­be­rech­ti­gung der Konfes­sio­nen angestrebt wurde. Bereits am 1.1.1806 nahm Fried­rich als Fried­rich I. die Königs­wür­de an, sodass Württem­berg zum König­reich wurde, zu dem weite­re Gebie­te hinzu­ka­men. Württem­bergs Fläche hatte sich von 1803 bis 1806 nahezu verdoppelt.

Die Zeit Württem­bergs als Kurfürs­ten­tum von 1803 – 1806 war somit so kurz, dass es heute fast unbekannt ist, dass auch Württem­berg eine Zeitlang Kurfürs­ten­tum war.

Für Oberko­chens Sagen und Geschich­ten ist von Bedeu­tung, dass die berühm­te König­li­che Jagd im Winter 1810/11, anläss­lich welcher König Fried­rich den Oberko­che­ner Bilzhan­nes, der sich unter den Treibern beson­ders verdient gemacht hatte, im Bilzhaus besuch­te, histo­risch beleg­bar ist.

Die freie Enzyklo­pä­die Wikipe­dia schil­dert eine Begeg­nung zwischen Napole­on und Fried­rich folgendermaßen:

Oberkochen

Fried­rich und Napole­on 1805 in Ludwigs­burg (den realen Größen­ver­hält­nis­sen angepasst).

„1800 wurde Württem­berg von franzö­si­schen Truppen unter Napole­on besetzt und zum Bündnis mit Frank­reich gezwun­gen. Kaiser Napole­on kam im Oktober 1805 selbst nach Ludwigs­burg, um mit dem Herzog zu verhan­deln: dabei soll ihm Fried­rich sehr selbst­be­wußt entge­gen getre­ten sein. Eine Anekdo­te berich­tet, dass der nur 1.54 m kleine Napole­on zum 2.11 m großen und ca. 200 kg schwe­ren Fried­rich aufblick­te und sagte: „Ich wußte gar nicht, dass sich die Haut überhaupt so weit ausdeh­nen kann“. Darauf entgeg­ne­te Fried­rich: „Und ich bin erstaunt, dass in einem so kleinen Kopf so viel Gift stecken kann“.

Dietrich Bantel

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