Zu Grabe getra­gen von Karl Mangold, Manfred Vater, Heinz Schmid, Artur Paukner und Bernhard Strauß — Nachruf von Wilfried Müller

Der Kegel­sport ist eine der bekann­tes­ten und ältes­ten Sport­ar­ten, deren Geschich­te oft falsch beschrie­ben und ausge­legt wird. Der Ursprung des Kegelns geht bis in die Hochkul­tur der alten Ägypter zurück (diese Feinheit wurde uns im Geschichts­un­ter­richt nicht erklärt). Das heuti­ge Kegeln hat vermut­lich seine Urform im Stein­ziel­wer­fen der germa­ni­schen Stämme. 1157 wird das Kegel­spiel in der Chronik der Stadt Rothen­burg o.T. als weit verbrei­te­tes Volks­ver­gnü­gen geschil­dert. Damals ging es wohl überwie­gend um das Wetten auf die Ergeb­nis­se. Erste Besit­zer von Kegel­bah­nen in Deutsch­land waren inter­es­san­ter­wei­se Kirchen­ge­mein­den. Bis in das 18. Jahrhun­dert fand der Spaß ausnahms­los im Freien statt. Die ersten Regeln, die teilwei­se heute noch gültig sind, stammen aus der Zeit um 1785. Auswan­de­rer trugen das Spiel im Laufe der Zeit in alle Welt und in unter­schied­li­chen Formen ist es heute noch üblich (aller­dings wird es von den Jünge­ren nicht mehr sehr gepflegt).

Warum erzäh­le ich das alles? Weil es in Oberko­chen bis vor kurzem einen beson­de­ren Kegel­club (es war kein Verein!) gab. Den ältes­ten der Stadt, der vor ein paar Monaten, nach 51 Jahren, von Karl Mangold und Manfred Vater mangels Mitglie­der­zahl zu Grabe getra­gen wurde und der viel mit meinem Vater, ein wenig mit mir und viel mit der Gegend zu tun hatte, in der ich aufge­wach­sen bin: Dem Sonnen­berg. Herr Mangold übergab mir die alten Unter­la­gen (darun­ter auch einige Bilder) und beim Durch­schau­en kamen viele Gedan­ken an meine Kindheit und an die alten bzw. verstor­be­nen Nachbarn wieder hoch. Da entschloss ich mich, über diese Zeit einen kleinen Bericht zu schrei­ben und hoffe, dass Sie noch den Einen oder die Andere erken­nen bzw. sich an sie erinnern. Die 50er Jahre waren stark geprägt von sozia­lem Mitein­an­der in der Freizeit und bei der Arbeit. Es gab rege und tatkräf­ti­ge Nachbar­schafts­hil­fe und es wurden zahlrei­che Verei­ne und Gemein­schaf­ten gegrün­det. Der Anbau der Kegel­bahn des Gasthau­ses »Zur Grube« war kaum fertig, da trafen sich nachfol­gend aufge­führ­te Männer am 17.11.1957 zur Gründungs­ver­samm­lung des Kegel­clubs »Sonnen­berg« (Die Berufs­an­ga­ben stammen aus den Einwoh­ner­mel­de­bü­chern der Jahre 1959 und 1965).

Gründungs­mit­glie­der

Hölldampf Anton (Oberleh­rer), Müller Georg (Dreher), Kolb Adolf (Schlos­ser), Maier Micha­el (Bohrer), Hermann Alfons (Oberleh­rer), Ramisch Walter (?), Vater Alfred (Hilfs­ar­bei­ter), Ruhroth Hans (u.a. Hunde­züch­ter), Huber Hermann (Hilfs­ar­bei­ter), Kölbl Otto (kfm. Hilfskraft).

Männer dieser ersten Jahre waren auch:
Adolf Reber (Kaufmann), Wenzel Oskar (Bohrma­schi­nen-Arbei­ter), Heite­le Rudolf (Haupt­leh­rer), Pradl Johann (Kraft­fah­rer), Dietter­le Emil (Hilfs­ar­bei­ter), Linert Kurt (Feinme­cha­ni­ker), Urban­ke Oswald (Maschi­nen­schlos­ser).

Oberkochen

Der erste Kegel­abend fand am 29.11.1957 statt und die erste Abrech­nung verdeut­licht ein wenig die Kosten, die an diesem Abend entstan­den. Ich habe diesen Kegel­club als Treff­punkt sozia­len Lebens in Erinne­rung. Er war ein 14tägiger Treff­punkt der Männer, die im Gebiet Sonnen­berg, Dreißen­tal und Weingar­ten wohnten, um freitags gemein­sam einige gemüt­li­che Stunden beim Spiel zu verbrin­gen. Die Arbeits­wo­che war hart, es wurde 6 Tage die Woche gearbei­tet und die Möglich­kei­ten zum Vergnü­gen waren nicht sehr zahlreich. Was mir heute beim Recher­chie­ren beson­ders auffällt, ist die sozia­le Mischung, die diese Gemein­schaft inne hatte (Hilfs­ar­bei­ter, Fachar­bei­ter, Lehrer, Proku­ris­ten). Es spiel­te keine Rolle „wer man war, was man war und was man hatte oder auch nicht”, man wollte einfach mit den Menschen zusam­men sein, mit denen man im Quartier wohnte und mit Leuten abseits von der Arbeit gemein­sam Spaß und Gemüt­lich­keit haben. Es wurde außer­halb der Kegel­aben­de vieles gemein­sam unter­nom­men, wie zum Beispiel sog. Herren­par­tien — ohne Frau und Familie, vermut­lich feucht-fröhlich, Famili­en­aus­flü­ge und Wande­run­gen, Weihnachts- u. Faschings­fei­ern in der »Grube«, Kegel­meis­ter­schaf­ten mit Partne­rin, Jahres­es­sen in der »Grube«, u.a.

Oberkochen

Für mich hatte der 14-tägige Kegel­abend noch beson­de­re Vortei­le. Da Vater von 20 Uhr bis 23 Uhr in der »Grube« weilte, konnte ich zuhau­se in Ruhe (ohne väter­li­che Ermah­nun­gen) die heißge­lieb­te TV-Sendung »77 Sunset Strip« mit Cookie anschau­en. Später wurde ich dann als ältes­ter Sohn der Mitglie­der gefragt, ob ich Kegel aufstel­len wollte. Natür­lich wollte ich (Ich erinne­re mich auch, dass wir das manch­mal auch zu zweit gemacht haben — Vaters Manfred und ich). Es machte Spaß und es gab etwas Geld. Aller­dings musste ich höllisch aufpas­sen und mit meinen Gedan­ken immer dabei sein — beson­ders beim Abräu­men, sonst gab es Ärger mit den »Kegel­brü­dern«. Irgend­wann fiel dieser Neben­ver­dienst leider weg, denn auch in der »Grube« hielt die neue Zeit mit einem Vollau­to­ma­ten der Firma Vollmer Einzug. Schade — es war inter­es­sant als Jungspund bei den Vätern dabei zu sein und ihren Gesprä­chen und Späßen zu lauschen.

Auch erinne­re ich mich noch an Diskus­sio­nen, ob man ein einge­tra­ge­ner Verein werden wolle oder eine einfa­che Gemein­schaft bleiben wolle. Nach einigem Für und Wider fiel die Entschei­dung zuguns­ten der Gemein­schaft — aller­dings mit Statu­ten. Und die haben es in sich. Wenn wir diese heute lesen, kommen wir ins Schmun­zeln. Was die „Altvor­de­ren” sich dabei so alles gedacht haben. Höchst inter­es­sant, beson­ders die Punkte 12 und 19 (Diese Punkte schie­nen wohl dringend geboten). Diese Kegel­ge­mein­schaft war für den Sonnen­berg eine Berei­che­rung und hat viel für das sozia­le Mitein­an­der bewirkt und es entstan­den echte Freund­schaf­ten. Wie das so im Leben ist, mussten uns die Männer zuerst verlas­sen und die Frauen sind heute noch befreun­det, soweit sie noch am Leben sind. Alfred Vater, Urgestein, letztes Gründungs­mit­glied und 39 Jahre als Schrei­ber an der Tafel verstarb 1996. Damit begann die Periode der Nachfol­ger, die den Club noch bis 2008 führten. Es ist es schade, dass der Club am Schluss mit 5 Mitglie­dern nicht mehr überle­bens­fä­hig war. Aber egal ob Club, Gemein­schaft oder Verein, alle leiden am mangeln­den Nachwuchs, der Anfor­de­run­gen stellt und Wünsche hat, die viele Gemein­schaf­ten nicht erfül­len können oder sie müssen Wege suchen, wie sie die Jugend anspre­chen können. Vermut­lich sind Kegel­clubs auch nicht mehr zeitge­mäß, um ein langfris­ti­ges Gemein­schafts­le­ben mit sozia­len Aufga­ben aufzu­bau­en und zu gestal­ten. In diesem Sinne: Schwel­gen Sie in der Vergan­gen­heit und erfreu­en Sie sich an der Gegen­wart und hoffen auf die Zukunft.

PS:
Ich stehe in der »Grube« auf der alten Kegel­bahn und reise in Gedan­ken zurück in die Vergan­gen­heit. Ich sehe und höre in der Erinne­rung die Väter, wie sie spielen, sich freuen, sich ärgern, lachen und schimp­fen. Ich sehe sie auf den Stühlen sitzen, aufge­reiht an der Kegel­bahn, die alten Bilder im Kopf. Ich sehe mich die Kegel aufstel­len, ich mache einen Witz und die „Brüder” rufen: Ganz wie der Schorsch (mein Vater) und Alfred Vater steht an der Tafel und schreibt die Ergeb­nis­se, die guten und die schlech­ten, seit 1957 (bis zu seinem Tode 1996). Ich verlas­se die Bahn, schlie­ße die Tür zur Vergan­gen­heit, die Stimmen sind verstummt, die Bilder sind entschwun­den und ich stehe draußen im Hof unter dem alten Baum, der schon so viel „gesehen” hat.

Wilfried Müller

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte