In einer Mail vom 12. Juli 2008 teilte mir Franz Rank, Heidenheim, mit, dass er nicht sicher sei, ob das Oberkochener Bahnhofsgebäude, das er erworben hat, und das derzeit zumindest von der Bahnhofstraße her, nachdem es jahrzehntelang durch eine Eternitplattenverkleidung lieblos verfremdet gewesen war, wieder Richtung »alte Optik« gebracht wird, 1862 oder 1861 errichtet wurde. Herr Rank plant, in einen der alten Quadersteine das Entstehungsjahr des Gebäudes einbringen zu lassen. Die nun wieder entfernte, einst »städtisches Ambiente« vortäuschen sollende hässliche Eternitverkleidung war auf eine Lattenunterkonstruktion montiert gewesen; mit langen Schrauben brutal auf den alten Wänden aufgebracht worden, die Eternitplatten ihrerseits auf der Lattenunterkonstruktion — das heißt, dass die Originalwände »versaut« waren. Deshalb mussten sie nach Abnahme der unpässlichen Verkleidung aufwändig verputzt werden. Bei dieser Gelegenheit kamen die Original-Rundbogen über Haupteingang und Fenstern wieder zum Vorschein.
Erst kürzlich tauchte auch der alte gemalte Schriftzug »Oberkochen« in der nördlichen Giebelfront des Gebäudes, der vielen Oberkochenern noch vertraut ist, wieder auf.


Zurück zu Herrn Ranks Frage.
Bereits im Jahr 1990 hatte ich mir interessehalber die baugeschichtlichen Daten zum Oberkochener Bahnhof aus dem großformatigen Buch der »Württembergischen Gebäudebrandversicherung« aus dem Jahr 1942, das damals noch auf dem Oberkochener Rathaus lag, herausgeschrieben, so dass die Antwort auf Herrn Ranks Frage zunächst einfach schien: Beide Jahreszahlen treffen nicht zu, da in den genannten Akten eindeutig 1864 als Jahr der Erbauung notiert ist.
Da die offizielle Jahresangabe — die Bauunterlagen der Deutschen Bahn gibt es leider nicht mehr — gesichert scheint, und feststeht, dass der erste Zug am 12. September 1864 im Oberkochener Bahnhof eintraf, darf davon ausgegangen werden, dass die Bauzeit des Bahnhofs relativ kurz, maximal ein Jahr, betrug. Möglicherweise kann von 2 Bauabschnitten ausgegangen werden, denn die genauen Angaben für das Gebäude lauten 1864 / 69.
Einiges spricht dafür, z.B. ein Artikel von Prof. Dr. Christhard Schrenk, dass die Grundsteinlegung bereits 1863 stattgefunden hat: »Bereits im Mai 1863 wurden per Zeitungsanzeige in der »Schwäbischen Kronik« die Bauarbeiten für die Bahnhöfe an der Strecke vergeben …«
In diesem Zusammenhang halten wir es für interessant, sämtliche Bauaktivitäten der Bahnhofsgebäude insgesamt und detailliert festzuhalten. Am wichtigsten in Bezug auf das heutige Erscheinungsbild des Bahnhofgebäudes ist, dass aus den Unterlagen hervorgeht, dass ein niedrigerer Wartesaalanbau an die nördliche Giebelseite des Hauptgebäudes erst wesentlich später, nämlich 1912, erfolgte.
Hier die wichtigsten alten Daten der Württembergischen Gebäudebrandversicherung. Es ist jeweils, vom Erhebungsjahr 1942 zurückgerechnet, angegeben, wie alt die Gebäude sind, d.h. zu den Altersangaben sind im Jahr 2008 (bei noch existierenden Einrichtungen) 66 Jahre hinzuzuzählen…


»Vereinigte Hüttenwerke«?
Das muss insgesamt eine kunterbunte Bahnhofssiedlung ergeben haben, — denn diesen Angaben zufolge haben sich im Weichbild des Bahnhofs 1942 insgesamt 27 Schuppen, kleinere Gebäude und Anbauten befunden, davon 17 freistehend.
Das Bahnwarthaus Nord, Richtung Aalen, wurde in den Siebzigerjahren von der Feuerwehr »warm abgebrochen«.
Das Bahnwarthaus Süd steht bis auf den heutigen Tag links an der Straße Richtung Königsbronn.
Mit dem repräsentativeren und gut im Original erhaltenen Bahnhof von Königsbronn, der als »1864 unter Georg von Morlok erbaut« in der Königsbronner Denkmalschutzliste aufgeführt ist, kommt unser Bahnhof Oberkochen nicht mit. Leider ist auch nicht belegbar, wer der Architekt war. Schwerlich war es der oben genannte berühmte für den Streckenbau, aber auch für die Bahnhofsbauten zuständige leitende Ingenieur um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Sonst würde wohl auch der Oberkochener Bahnhof unter Denkmalschutz stehen. Einen Faststadtbahnhof hatte also Königsbronn, — Oberkochen hatte einen Dorfbahnhof. Dennoch freuen wir uns, dass »unser« Bahnhof fast wieder sein 150 Jahre altes Gesicht erhält.
Anmerkung:
An anderer Stelle, dort nämlich, wo’s hinter dem Bahnhof in die unwirtliche Unterführung unter den Geleisen hinab- und zu den Bahnsteigen hinaufgeht, wäre allerdings vonnöten, dass die Deutsche Bahn ein Schild anbringt:
»Benutzen auf eigene Gefahr«
Wenn die Bahn endlich ein Einsehen hätte und wenigstens, nachdem sie schon den ganzen Bahnhof wegrationalisiert hat, die katastrophale und benutzerfeindliche Unterführung, die vor allem im Winter eine ebenso gefährliche wie ekelige Zumutung für die Bahnkunden ist, kundengerecht, behindertengerecht und muttermitkinderwagengerecht ausbauen würde — auch wenn das von der Benutzerfrequentierung her nicht gefordert werden kann — wäre das die dringend notwendige Beseitigung einer von der Deutschen Bahn zu verantwortenden nicht ungefährlichen öffentlichen Schand- und Unfall-Falle mit dem Sonderstatus eines Deutsche-Bahn-Pissoirs für eilige Ferkel. Wie sagte der alte Bürgermeister Gustav Bosch? »Zu wenig verlangen ist Faulheit«.
Wir sagen: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Oder müssen wir Oberkochener, um endlich eine angemessene Unterführung hinter unserem Ex-Bahnhof zu erhalten, sammeln für die arme Bahn?
Dietrich Bantel