Am Freitag, 18. April 2008 erhielt ich von unserem Mitglied und meinem ehema­li­gen Schüler Jürgen Kempf, der am Geogra­phi­schen Insti­tut der Univer­si­tät Würzburg (Minera­lo­gie) arbei­tet, in BuG vom 01.12. 2000 im Rahmen unserer heimat­kund­li­chen Serie Oberko­chen — Geschich­te, Landschaft, Alltag« anläss­lich unserer Sonder­aus­stel­lung »Minera­li­en aus Oberko­che­ner Häusern« unseren Beitrag 381 »Wie entste­hen Wüsten­ro­sen?« geschrie­ben hat, und außer­dem »Liefe­rant« des berühm­ten Kaffee­wun­der­schach­tel­de­ckels von 1945 ist, eine Email folgen­den Inhalts:

»…neulich kam mir eine alte Oberko­che­ner Münze in die Finger, deren Abbil­dung ich Dir hiermit zusen­de. Vielleicht weißt Du ja, wie alt sie ist und was es genau damit auf sich hat. Es ist eine Brotmar­ke aus Notzei­ten vom Martha-Leitz-Haus, vermut­lich Nickel oder Nickel-Legie­rung (wohl zu schwer für Alu), Durch­mes­ser ca. 2 cm. Ich tippe auf späte Kriegs- oder frühe Nachkriegs­jah­re (ca. 1944 — 1947) könnte aber auch 20 Jahre älter sein. Das Objekt ist gelocht / durchbohrt…«

Dieser Mittei­lung, der ich leider weniger hinzu­zu­fü­gen weiß, als Jürgen Kempf vermu­tet — weshalb wir unsere Leser um Mitar­beit bitten — waren zwei hervor­ra­gen­de Abbil­dun­gen von Vorder- und Rücksei­te der Münze angefügt.

Oberkochen

Wir veröf­fent­li­chen heute eine Luftauf­nah­me des Martha-Leitz-Hauses (Ausschnitt) vom Septem­ber 1946, die wir von Herrn Ottmar Bihlmai­er erhal­ten haben. Über die Firma Fritz Leitz und seine Gemah­lin Martha Leitz, das Martha-Leitz-Haus und den Leitz­stol­len, dessen betonier­ter südli­cher Eingang, der oben rechts auf dem Foto deutlich zu erken­nen ist, haben wir vielfach berich­tet (Berich­te 16 v. 06.05.1988, 312 v. 21.02.1998, 313 v. 06.03.1998, 314 v. 20.3.1998, 339 v. 01.04.1999, 340 v. 16.04.1999, 341 v. 30.04.1999, 342 v. 21.05.1999, 394 v. 08.06.2001, Bericht v. 15.06.2001, 485 v. 02.09.2005, 518 v. 03.08.2007, 533 v. 25.04.2008). Außer­dem befin­det sich ein ausführ­li­cher Bericht im Heimatbuch.

Oberkochen

Zur Luftauf­nah­me würde uns inter­es­sie­ren, ob es BuG-Leser gibt, die uns etwas über die beiden Holzba­ra­cken sagen können, die sich zwischen dem Martha-Leitz-Haus und dem Stollen­ein­gang befin­den. (Schrift­lich oder telefo­nisch an DB)

Zu der Münze ist zu sagen:

Mit Sicher­heit kann ausge­schlos­sen werden, dass die Münze »auch 20 Jahre älter« als 1944–1947 sein kann, da die Firma Fritz Leitz (Rüstungs­be­trieb, zuletzt ca. 1000 Beschäf­tig­te) erst 1938 gegrün­det wurde.

Dass die Münze nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt wurde, ist, auch wenn es bis 1949/50 Lebens­mit­tel­mar­ken und Bezugs­schei­ne gegeben hat, (erst kürzlich haben wir vom Ehepaar Anna und Erwin Müller eine statt­li­che Sammlung von Lebens­mit­tel­mar­ken und Bezugs­schei­nen der Kriegs- und Nachkriegs­zeit erhal­ten, sauber geord­net in einer Origi­nal-Sammel­map­pe für Lebens­mit­tel­kar­ten), desglei­chen auszu­schlie­ßen, da der Rüstungs­be­trieb Fritz Leitz nach dem Einmarsch der Ameri­ka­ner im April 1945 »demon­tiert« wurde.

Am wahrschein­lichs­ten ist das Jahr 1944 das Fertigungsjahr.

Die Bohrung sieht so aus, als ob sie auf jeden Fall einige Zeit nach der Ferti­gung der Münze in diese gebohrt wurde.

Die Münze ist mit größter Wahrschein­lich­keit eine betriebs­ei­ge­ne Ferti­gung, so dass »kombi­niert« werden kann, dass der Betrieb Fritz Leitz als »Rüstungs­be­trieb« über die damals offizi­ell zugeteil­ten Lebens­mit­tel­mar­ken hinaus aus für Otto Normal­ver­brau­cher nicht zugäng­li­chen Rüstungs-Nachschubs­quel­len irgend­wel­che offiziö­sen »Sonder­ra­tio­nen« zur Vertei­lung bringen konnte und durfte.

Den Heimat­ver­ein würde sehr inter­es­sie­ren, ob sich ehema­li­ge Mitar­bei­ter der Firma Fritz Leitz an diese Brotmün­ze erinnern, und vor allem, wer sie bekom­men hat; Klartext, ob sie alle Mitar­bei­ter bekom­men haben oder nur Privi­le­gier­te, und ferner, ob es mögli­cher­wei­se noch andere Münzen für andere Nahrungs­mit­tel gegeben hat. Infor­ma­tio­nen über Tel. 7377 oder schrift­lich (am Espen­rain 3) bitte an Dietrich Bantel.

Um die Zeit gegen Kriegs­en­de, 1944/45, in Bezug auf die äußerst beschei­de­nen Nahrungs­mit­tel­zu­tei­lun­gen, Lebens­mit­tel­kar­ten und Bezugs­schei­ne aus eigener Erinne­rung zu illus­trie­ren: Als 1944 meine »Grund­schu­le«, die Kräher­wald­schu­le in Stutt­gart, von Bomben zertöp­pert worden war, sangen wir, 9 bis 10 Jahre alt, damals am Anfang der vierten Klasse der Rosen­berg­schu­le, in der wir gastwei­se unter­ge­bracht waren, im Pausen­hof ein kleines ironi­sches Lied der Erwach­se­nen, die den Mut offen­bar nicht verlo­ren hatten: Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei. In dem Monat Dezem­ber, da gibt’s wieder ein Ei.

Oberkochen

Um die offizi­el­len Zutei­lun­gen aufzu­bes­sern, fuhren die Städter, fast ausschließ­lich Frauen, damals und in der unmit­tel­ba­ren Nachkriegs­zeit »zum Hamstern aufs Land«.

Sie hatten städti­sche »Tausch­wa­re« dabei — von alten Nippes bis hin zu Kinder­spiel­zeug, und kamen abends todmü­de mit ein paar Eiern, Mehl, Kartof­feln, Fett, oder einem Kraut­kopf wieder nach Hause. Sicher entsin­nen sich die älteren Oberko­che­ner, sofern sie damals noch Landwirt­schaft oder zumin­dest eine »Bauern­sach« hatten, an derlei Besuche aus der Stadt.

Dietrich Bantel

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte