Selten hat eine Spatzen­spiel-Sendung von SWR 4 in Oberko­chen so viel heimat­kund­li­che Unruhe erzeugt wie die, in der im Dezem­ber letzten Jahres die Lösung »Roter Kocher« laute­te. Unser Telefon lief noch Tage nach der Sendung heiß, und selbst alte Oberko­che­ner bezwei­fel­ten die Richtig­keit der Antwort und gar die Existenz einer Kocher­quel­le dieses Namens auf Oberko­che­ner Gemar­kung überhaupt. Einen »Roten Kocher« habe es noch nie gegeben — oder, spöttisch, wenn, dann einen durch indus­tri­el­le Abwäs­ser Oberko­che­ner Firmen geröte­ten Kocher, oder, alter­na­tiv, einen »Roten Kochern«, der erst ab Unter­ko­chen, wo der Fluss durch die Abwäs­ser einer dorti­gen Firma sehr häufig rot gefärbt gewesen sei.

Die Wahrheit sieht anders aus.
Aus diesem Grund wollen wir heute über die Farben des Kochers berichten.

1) Der »Schwar­ze Kocher«

Der unter Natur­schutz stehen­de Ursprung des »Schwar­zen Kochers« ist der eigent­li­che Haupt­ur­sprung des Kochers. Seine Schüt­tung variiert, da es sich bei der Quelle um eine Karst­quel­le handelt, beträcht­lich. (Zwischen angeb­lich 50 und 4000 Liter pro Sekun­de). Dennoch wurde die Wasser­kraft der Quelle bereits von ungefähr der Mitte des 16. bis ungefähr zur Mitte des 17. Jahrhun­derts dazu benutzt, ein großes unter­schläch­ti­ges Wasser­rad zu bewegen, das riesi­ge Blasbäl­ge betrieb, die durch Sauer­stoff­zu­fuhr das Feuer eines Hochofens, in dem Eisen­erz geschmol­zen wurde, »erhitz­ten«. Der Hochofen mit dem Wasser­rad stand nicht direkt am Ablauf der Kocher­quel­le, sondern an einem paral­lel zu diesem geführ­ten Kanal, dessen Verlauf noch heute erkenn­bar ist. Die bei der Erzver­hüt­tung im Verlauf von fast 100 Jahren entstan­de­ne Schla­cke wurde entlang des in der Urkar­te von 1830 noch erwähn­ten »Schla­cken­wegs« Richtung »Schmied­jörg­le« und unter­halb des Ursprungs bis hin zur Forel­len­zucht Fisch­boeck abgela­gert. Dort, sowie im Bachbett des Kochers, kann bis auf den heuti­gen Tag Schla­cke gefun­den werden. »Unsere« beim Modell des Hochofens im Heimat­mu­se­um ausge­stell­te Schla­cke haben wir von Herrn Fisch­boeck, der sie beim Aushe­ben der Forel­len­tei­che gefun­den hat, erhal­ten. Schla­cke ist fast schwarz, was mit großer Sicher­heit zu der Bezeich­nung »Schwar­zer Kocher« geführt hat.

Von einem schon vor vielen Jahren verstor­be­nen Altober­ko­che­ner habe ich indes vor ca. 30 Jahren gehört, dass der »Schwar­ze Kocher« eigent­lich der »Rote Kocher« sei.

Begrün­dung: Die Schmelz­tem­pe­ra­tu­ren seien trotz der großen Blasbäl­ge vor plusmi­nus 400 Jahren noch nicht so hoch wie heute gewesen, so dass sich in der Schla­cke noch eine beträcht­li­che nicht ausge­schmol­ze­ne Menge von Restei­sen befand. Oxydie­ren­des, d.h. verros­ten­des Eisen habe einen rostro­ten Farbton des Wassers des Kocher­ur­sprungs hervor­ge­ru­fen.
Eine Bestä­ti­gung für diese Darstel­lung konnte ich bislang nirgends finden.

Das soeben erwähn­te Restei­sen wurde übrigens von den Ärmsten der Armen, den sogenann­ten »Schlak­ken­wä­schern« — wie in unseren BuG-Berich­ten »Oberko­chen — Geschich­te, Landschaft, Alltag« wieder­holt beschrie­ben — auf mühsa­me Weise aus der Schla­cke heraus­ge­schla­gen und gewaschen und für einen Hunger­lohn verkauft. Das Gebäu­de »Schla­cken­wä­sche« wurde erst 1904 abgebro­chen. Wir suchen noch immer ein Foto davon.

2) Der Rote Kocher

Wer auf dem kleinen Fußweg vom Parkplatz bei der Kocher­quel­le entlang des Kochers vor zum Kocher­ur­sprung geht, kommt an der 1. Brücke an einer Infor­ma­ti­ons­ta­fel vorbei, auf der der »Rote Kocher« erwähnt ist. Die Tafel wurde einst von der Stadt Oberko­chen in Zusam­men­ar­beit mit dem Schwä­bi­schen Albver­ein aufgestellt.

Oberkochen

Infor­ma­ti­ons­ta­fel beim Kocherursprung

Offen­bar ist diese Erwäh­nung des »Roten Kochers« selbst alten Oberko­che­nern seit Jahrzehn­ten entgan­gen. Aus diesem Grund haben wir für diesen Bericht den Text der Infor­ma­ti­ons­ta­fel zum Koche­rusrprung abfoto­gra­fiert und veröf­fent­li­chen ihn mit diesem Bericht.

Infor­ma­ti­ons­ta­fel beim Kocherursprung

Der entschei­den­de Text dieser Tafel, der auf die Beschrei­bung des »Schwar­zen Kochers« folgt, lautet:
In Oberko­chen entsprin­gen noch der »Rote Kocher« (heute mehr als Ölwei­her bekannt), der Katzen­bach und der Guten­bach ebenfalls auf der westli­chen Talsei­te. Sie verstär­ken den jungen Fluss.

Wer im Inter­net (Google) die Stich­wör­ter »Roter Kocher« eingibt, findet unter Wikipe­dia ähnli­che Ausfüh­run­gen. Der »Rote Kocher« sei wegen seiner gerin­gen Schüt­tung von gerin­ger Bedeutung.

Wir haben uns bemüht, auch in Zusam­men­ar­beit mit dem Oberko­che­ner Geolo­gen Prof. Dr. Hab Bayer und Herrn Roland Hersa­cher, vormals Landes­ver­mes­sungs­amt, heraus­zu­fin­den, ob es eine Karte gibt, in der die Bezeich­nung »Roter Kocher« vorkommt — leider bislang ohne Ergeb­nis. Dr. Bayer ist der Meinung, dass die Bezeich­nung ursprüng­lich mögli­cher­wei­se vorwie­gend von den frühen Leitz-Mitar­bei­tern verwen­det wurde.

Für den eher gerin­gen Bekannt­heits­grad der Bezeich­nung des Ölwei­hers als Ursprung des »Roten Kochers«, der ja bereits nach 150 Metern, vorwie­gend verrohrt, in den »Schwar­zen Kocher« einmün­det, sehe ich folgen­den Grund:

Einer der ersten Heimat­kund­ler Oberko­chens, Oberleh­rer Alfons Mager, erwähnt in seiner um 1939 verfass­ten Beschrei­bung des Kochers, obwohl beide Bezeich­nun­gen bestan­den, weder den »Roten Kocher« noch den »Ölwei­her«. Aus diesem Grund habe ich 1986 zu dem Mager’schen Bericht folgen­de Ergän­zung ins Heimat­buch aufge­nom­men (Seite 336).

Gewiss stimmt dieser Bericht von Alfons Mager auch heute noch im Wesent­li­chen. Aller­dings ist er in einigen Punkten zu ergänzen:

Die Kocher­quel­le »Ölwei­her« ( = Roter Kocher) ist in dem Mager’schen Bericht nicht erwähnt. Der Ölwei­her (früher befand sich dort eine Ölmüh­le) ist eine trich­ter­för­mi­ge Quelle, ähnlich dem Blautopf, im Bereich der Firma Gebrü­der Leitz. Aller­dings sind die Quell­aus­trit­te im Ölwei­her so stark versin­tert, dass ein Eindrin­gen ins Erdin­ne­re nicht möglich ist; der Karst- und Höhlen­for­scher Jochen Hasen­may­er hat sich davon vor kurzer Zeit persön­lich überzeugt.

Es steht zu vermu­ten, dass durch die Tatsa­che, dass Alfons Mager sowohl den »Roten Kocher« als auch dessen aktuel­le­re Bezei­chung »Ölwei­her« in seinem Bericht vom Kocher zu erwäh­nen verges­sen hat, und alle weite­ren Veröf­fent­li­chun­gen auf diesem Erstbe­richt beruhen, der Bekannt­heits­grad des »Roten Kochers« so gering geblie­ben ist.

Ein weite­rer Grund mag sein, dass der Ursprung des »Roten Kochers« (= Ölwei­her) unter­halb des ehema­li­gen Optischen Museums der Firma Carl Zeiss unzugäng­lich und hinter Bäumen ziemlich versteckt auf dem priva­ten Grund der Firma Leitz GmbH liegt. Inter­es­sant ist, dass der gleiche verstor­be­ne Infor­mant, der in alten Zeiten den Schwar­zen als den Roten Kocher sah, den Roten Kocher (Ölwei­her) als den vormals Schwar­zen Kocher sah, mit der Begrün­dung, dass dort eine Ölmüh­le und später eine Schwert­schlei­fe­rei war, die das Wasser versaut haben. Auch diese Versi­on ist nicht belegt.

3) Der Weiße Kocher

Der Ursprung des »Weißen Kochers« liegt auf Unter­ko­che­ner Gemar­kung. Da der Wasser­lauf nach dem Quell­aus­tritt steiler talwärts führt als beim Schwar­zen und beim Roten Kocher, quirlt das Wasser, das sich auf diese Weise mit dem Sauer­stoff in der Luft vermischt, in unzäh­li­gen kleinen Wasser­fäl­len zu schaum­ar­ti­gen Wasser­bläs­chen auf und verleiht ihm dadurch die weiße Farbe.

4) Der Blaue Kocher

Der »Weiße Kocher« wird in einer alten Karte, der sogenann­ten »Wirten­ber­gen­sis Ducatus-Karte, die das Herzog­tum Württem­berg um 1600 zeigt, als »Blauko­chen Fl.« (Fl. = lat. = flumen = Fluss) bezeich­net. Eine Begrün­dung, weshalb der »Weiße Kocher« vor 400 Jahren »Blauer Kocher« genannt wurde, ist uns nicht möglich.

Oberkochen

Ducatus-Karte Wirten­ber­gen­sis um 1600 — Blauer Kocher

Dietrich Bantel

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