Vorspann von Dietrich Bantel
Den folgen­den Brief hatte der Ehren­vor­sit­zen­de des Heimat­ver­eins Oberko­chen am 27. Oktober in seinem PC.

Der Brief stammt von Frau Heidi Pröhl, die vor 55 Jahren von Oberko­chen nach USA ausge­wan­dert ist und seither dort lebt. Sie kennt noch viele Oberko­che­ner und hat zu einigen noch immer Kontakt. Heute wohnt sie mit ihrer Mutter in einer kleine­ren Stadt namens Diamond Bar in Kalifornien.

Frau Pröhl war knapp 9 Jahre alt, als die Familie im Novem­ber 1953 auswan­der­te. Sie kommt hin und wieder nach Deutsch­land, schreibt an Weihnach­ten Berich­te für die »Schwä­bi­sche Post« und ist Oberko­chen immer noch sehr verbun­den. Durch Zufall hat sie vor einem Jahr die Homepage des Heimat­ver­eins, www.heimatverein-oberkochen.de im Inter­net entdeckt, was sie dazu veran­lass­te, sich ins Gäste­buch des Heimat­ver­eins einzu­tra­gen und wenig später Mitglied im Oberko­che­ner Heimat­ver­ein zu werden.

Ich habe sie gefragt, ob sie damit einver­stan­den ist, wenn wir diesen Brief im Rahmen unserer Serie »Oberko­chen — Geschich­te, Landschaft, Alltag« veröf­fent­li­chen — wie er ist. Hier ist er:

Diens­tag 23.10. hatten wir Reser­va­tio­nen im Pala-Hotel, wo wir oft hinfah­ren. Zuhau­se war alles klar, Sonne und kein Wind. Das Feuer von Malibu weit weg. Da wussten wir noch nicht, wie schlimm alles war.

Am 15 Freeway South sahen wir dann Rauch von Palomar Mt, wo das Obser­va­to­ry liegt, (dort steht das Zeiss-Teleskop.) Ich machte sogar die einge­füg­te Aufnah­me vom Auto aus.

Das ist ja weit weg und wir dachten uns nichts dabei. Wir fuhren dann, wie immer durch die Temecu­la Gegend, durch die Berge, dort war es noch sonnig und klar, wie hier daheim.

Als wir aber nach Pala durch das Tal fuhren, wurde es immer wolki­ger und dunkler . . man konnte dort auch nicht leicht umkeh­ren. Wir waren schon so lang gefah­ren. Also dann hin, das Hotel war ganz in Rauch wie Nebel umgeben und wenig Autos im Parkplatz. Später erfuh­ren wir, dass zwischen Pauma und Pala ein neues Feuer angefan­gen hatte. Die Feuer­wehr war schon da und sperr­te diesen 76 Highway, der durch Pauma Valley nach Palomar führt. Als wir ins Pala-Hotel reinka­men waren da lauter Feuermänner/Frauen, das Casino­ho­tel hat sie alle aufge­nom­men. Diese armen Leute so schwarz vom Ruß, dunkle Haut. Sie waren von Tulare County (bei Sequoia. Natio­nal Forest) runter gekom­men Sonntag, also hatten sie nonstop 48 Stunden schon hinter sich ohne Schlaf, die waren aber müde, die Armen. Sie hatten ihre orangen Rucksä­cke am Boden in der Lobby … da haben wir etwas geredet und sie machten noch Witze. Braucht ihr Showers fragte ich? Haha — sie lachten, ja wir sind schmut­zig und stinken, sagten sie … und lachten weiter … sie tragen ihre Kleidung, alles mit am Rücken, weil die draußen schla­fen in der Nähe wo sie schuf­ten müssen .. Aber das war ja gerade nicht der Fall. Sie waren schon 48 Stunden unter­wegs. Sie sollten nach 16 Std. hacken und Firebreaks schüt­ten, — 8 Stunden ruhen nach Gesetz! Man merkte das war nicht so, manche von den 3,0 oder so, waren so erschöpft, alles junge. Manche waren sicher schon unter­ge­bracht, so haben wir nur einige gesehen. Die anderen Hotels in der Nähe waren auch schon voll. Das war Diens­tag der 23. so um 1 pm…

Ich stell­te Fragen und mehre­re kamen gleich zu mir und redeten und machten unter­ein­an­der Witze. Ich wusste gar nicht, dass die nicht mal eine Maske oder Helm hatten, sie meinten das hindert sie nur — nicht mal ein Tuch geben sie über den Mund, die müssen alles einat­men, das ist aber schlimm, aber sie sagten, man gewöhnt sich daran. Wenn man bedenkt, was Menschen sonst alles erfin­den. Ha, dann am selben Tag zeigten sie Nachrich­ten, dass die Shuttle raufge­schos­sen wurde in FLA. Ja, und unsere Regie­rung beantrag­te noch 46 Billio­nen für den Krieg, was dort wohl alles brennt? Da bekommt man Wut.

Unser Gover­nor Arnold (Schwar­zen­eg­ger) war sofort da und hat alles Notwen­di­ge überschaut, hat alles einge­setzt, musste alles notie­ren, bestel­len vom Klopa­pier aus bis zur Medizin usw. Nun sind Buden mit Spenden fürs Rote Kreuz aufge­stellt, überall.

Wir, die norma­len Leute, die Steuern zahlen, müssen mit diesem Geld den mörde­ri­schen Krieg unter­stüt­zen, ob wir wollen oder nicht.

Ja im Shelter (Schutz­un­ter­kunft) bekom­men sie Essen und Schlaf­ge­le­gen­hei­ten — aber denen ist es mittler­wei­le schon langwei­lig, können gar nichts tun. Und die Versi­che­run­gen — ja das wird was geben… manche haben keine! Das Casino Pala und andere wie Harrahs Rincon bei Wild Animal Park, sind sehr zuvor­kom­mend. Dass sie die alle aufneh­men, — das ist für norma­le Gäste geschlos­sen. Das Perso­nal konnte nicht zur Arbeit fahren. Viele Straßen waren auf und dann wieder geschlos­sen, die Zimmer nicht »geputzt«, wenn man denkt, wie sich alles vermehrt ganz schnell.…

Alle Hotels in der Nähe waren voll mit Evaku­ier­ten, man kann gar nichts anderes mehr am TV sehen, das geht alles nonstop. Hier in Lake Arrowhead (Berge) sind so viele Häuser verbrannt, über 300 mittler­wei­le schon (heute, 800 an San Diego County). Gebäu­de — da können auch Garagen dabei sein. Jeden­falls in Malibu, wo die Super­rei­chen leben, waren nur 6 verbrannt und sie zeigten Steven­son Ranch, eine andere reiche Gegend. Es ging einfach immer wieder um das… die andere Gegend in den Bergen war zu hoch und windig. Da konnten sie nichts tun. Find ich schand­haft — die hätten schon DCl0s reinschi­cken sollen. Alle Flugzeu­ge und Heliko­pters waren nur bei Malibu und Clari­ta einge­setzt. Sie holen Wasser vom Ozean.

Nun heute am 26. sagten sie, ein »Feuer­su­cher« muss mit dabei­sit­zen, sonst dürfen sie nicht reinflie­gen. Ja so konnten wir hier zuschau­en einen vollen Tag, wo nur das Feuer hier brann­te in Lake Arrowhead, in der Gegend bei Big Bear. Am Waldbo­den waren Feuer­män­ner, die man durch Rauch nicht erken­nen konnte, so wollten sie keinen Phos-chek schüt­ten. Das ist so ein rotes Puder, gemischt mit Nutri­ents für den Boden und ist zugleich Brand­schutz, Fire retar­dant. So sah man wie das alles umkommt — wie eine grausa­me Hölle, und kann nichts tun. Manche wurden inter­view­ed, die dachten, das Haus wird beschützt, aber es war total verbrannt, aber das Nachbar­haus neben­an total okay, kein Ast verbrannt. Ganz frisch, weiß der Zaun und Holzhaus, ohne schwar­zen Staub, unglaub­lich. Ein Mann hatte 4 Jahre an seinem Haus jedes Wochen­en­de gearbei­tet, nun war nichts übrig.

Die Feuer­män­ner sagten am TV, wenn sie 20 Häuser retten konnten, sind 10 zerstört worden, die Entschei­dun­gen schlimm, was tun, sie hatten nicht genug Hilfe, in jeder Gegend sind Arsonists, die das Feuer zu allem hin noch anstif­te­ten, eine Gegend sagten sie von Zigaret­te, einer am Motor­rad hat 2 Feuer angezün­det, den suchen sie. Momen­tan ist 150.000 Beloh­nung, das geht immer höher, fing an mit 70.000 — so, die warten sicher.

Das war dort unten bei Santia­go Canyon San Diego County. Es ist schon traurig, macht einen fertig — Halbe Milli­on Menschen sind in Centers, die wissen gar nicht, ob ihr Haus noch steht, die glauben, es wird geret­tet. Dann kommen manche zurück und nichts ist da, das wollen sie aber nicht alles so zeigen.

Von San Diego County hatte ich nichts vorher hier gesehen, bevor wir hinfuh­ren. Da war gerade am selben Morgen ein Feuer in der Pauma Valley, 5 Meilen weg von Pala, die Straßen dort gesperrt, so auf einmal. Sie sagten, das Hotel wird nun auch evaku­iert, die anderen Casinos wie Harrahs und Pauma waren schon zu. Wir wollten essen, da war das Buffet noch offen, aber nur Salate und Desserts, so sind wir dann gleich wieder wegge­fah­ren. Ich hatte Angst, die Straße wird gesperrt und wir gehören auch noch zu den Evaku­ier­ten dazu.

Gott sei Dank ist kein Wind hier zu Hause. Wir hatten nur jeden Tag Rauch­ge­ruch und ein sehr feiner Staub, den man kaum sieht. Man hat gesagt, man soll in der Wohnung bleiben auch nicht staub­saugen, weil das auch in die Lungen geht. Was mich noch immer überrascht, dass immer noch diese Leute rauchen und paffen. Das ist denen ganz egal, wann hören die mal auf? An manchen Stellen raste das Feuer eine Meile in 5 Minuten!

Wir waren aber sehr sehr froh, dass die Straßen vom Tal offen waren und dort kein neues Feuer entstand. Heute ist der 26. und viele Evaku­ier­te dürfen heim. Die Einwoh­ner kriegen gelbe Karten. Das heißt, ihr Haus steht noch. In den Centers sind Tische mit Listen, wo sie nachschau­en, welche Adres­sen noch da sind oder verbrannt sind. Auch sind Versi­che­rungs­leu­te überall, auch Steuer­in­for­ma­tio­nen. Hier muss man diese bis zum 10. Dez. zahlen. Sie bekom­men nun Ermäßigung.

Ja das wird noch lange dauern, manche hatten ihr Haus in 2003 verlo­ren, nun noch mal. Manche helfen ihnen was sie tun müssen. Man sieht, wie sie durch die Asche graben und Bilder oder einiges noch aufstö­bern an Erinnerungen.

Man soll Gott dankbar sein jeden Tag. Man denkt immer, so was passiert mir nicht, aber in jeder Minute kann das auch uns passie­ren. Jeden Tag soll man dankbar sein!!

So geht’s, wir sind traurig, dass die anderen es nicht so gut haben, man schläft schlecht. Heute fahren wir wieder zum Honda Center, wo sie Spenden aufneh­men durch das Rote Kreuz. Bis jetzt haben sie über 100.000 einkas­siert, auch kleine Kinder bringen ihre piggy banks mit. Man sieht, wie sich das Volk einsetzt, egal was andere tun, man will halt helfen.

Oberkochen
Oberkochen

Von unserem Nissan aus fotogra­fiert am 15 Freeway South bei der Muriet­ta Gegend (nach Lake Elsino­re, wo sie Wasser rausho­len) am 23. Okt 2007. Der Rauch kommt von Mt Palomar, wo das Zeiss Teleskop im Obser­va­to­ry steht. Heute sagten sie, das ist auch in Gefahr — Wenn sie auf einer Seite löschen, geht’s auf der anderen Seite weiter.

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