Maler in den Bäuerle-Baracken 1942 — 1945

Teil 3

Berich­ti­gung: Durch einen Übertra­gungs­feh­ler schlich sich in den Namen des ukrai­ni­schen Geschichts­for­schers, Schrift­stel­lers und örtli­chen Funktio­närs von Dneprods­ers­hinsk ein falscher Buchsta­be ein: Der Forscher, der die Geschich­te und das Wirken des 2006 verstor­be­nen Malers Adolf Medved­ckij für eine für dieses Jahr geplan­te Ausstel­lung in seiner Heimat­stadt Dneprods­ers­hinsk, Bezirk Dnepro­pe­trovsk, zu dessen Werken und Wirken aufar­bei­tet, lautet richtig: Alexan­der Slonevs­kij. (nicht Stonevskij).

Während der letzten 3 Wochen sind erneut zahlrei­che Hinwei­se sowohl auf den Maler als auch auf den deutschen Aufse­her »Papa« (Karl Elmer, Dreißen­tal) eingegangen.

In der Familie Edmund Seitz im Kapel­len­weg befin­det sich ein 13. Bild von Medved­ckij. (62 cm hoch und 90 cm breit). Es handelt sich um eine Moorseen­land­schaft mit Birken; Berge im Hinter­grund — mögli­cher­wei­se eine Allgäu-Landschaft.

Das Haus Seitz befin­det sich schräg gegen­über der ehema­li­gen Russen­ba­ra­cken im Kapel­len­weg. Das Bild kam in Famili­en­be­sitz, weil Frau Seitz den Zwangs­ar­bei­tern immer wieder behilf­lich war, unter anderem mit der Wäsche.

Auch dieses Bild (siehe Abbil­dung) ist auf digita­lem Weg bereits in der Ukrai­ne eingetroffen.

Oberkochen

Es mag durch­aus noch weite­re vergleich­ba­re Situa­tio­nen gegeben haben. Deshalb noch mal unsere Bitte: Wer noch eines oder mehre­re Bilder von Adolf Medved­ckij besitzt, möge sich doch bitte mit uns (Bantel — Tel. 7377) in Verbin­dung setzten. Die Bilder werden an Ort und Stelle abfoto­gra­fiert. Der Maler Adolf Medved­ckij war, wie in den Berich­ten 513 und 514 darge­stellt, in der Zeit von 1942 — 1945 Zwangs­ar­bei­ter in Oberko­chen und hat in dieser Zeit zahlrei­che Bilder gemalt, die sich bis heute in Oberko­che­ner Privat­be­sitz befinden.

Auf enormes Echo stieß die Person des deutschen Aufse­hers »Papa«, (Zitat aus Brief 1 vom 30.03.07 von A. Slonevs­kij, veröf­fent­licht in Bericht 513 v. 03.05.07): »Den Kosena­men »Papa« krieg­te er für seine mensch­li­che und recht väter­li­che Behand­lung der Fabrik­ar­bei­ter und war recht stolz darauf.«). Bei mir haben sich insge­samt 7 Oberko­che­ner Zeugen gemel­det. Ein beson­ders aussa­ge­kräf­ti­ges Zeugnis wurde schrift­lich nieder­ge­legt. Die Zeugen bestä­ti­gen durch­weg, dass Karl Elmer insge­samt mit Sicher­heit nicht ganz der so geschil­der­te »Engel« war. Das Ergeb­nis der Zeugen­aus­sa­gen zusam­men­fas­send sei festge­stellt, dass Elmer nach dem Einmarsch der Ameri­ka­ner von einigen Russen de facto Prügel bezogen hat, was ja mittler­wei­le auch von russi­scher Seite bestä­tigt wird, wie der nachfol­gend veröf­fent­lich­te Brief 3 aussagt. Die näheren Umstän­de sind uns bekannt. Ob es sich dabei um Russen handel­te, die vom Kapel­len­weg kamen, oder um Russen aus anderen Baracken, kann nicht mehr festge­stellt werden. Fest steht, dass Karl Elmer für die Russen im Kapel­len­weg zustän­dig war.

Sicher war der »Job«, den Karl Elmer auszu­üben hatte, ein unange­neh­mer Job, der ihn auch bei mögli­cher­wei­se freund­li­cher Grund­ver­an­la­gung unwei­ger­lich immer wieder in Zwiespalt und Zwänge gebracht hat.

Hier wie angekün­digt die Bildbe­schrei­bun­gen zum Bericht 514 vom 25.05.07

Portraits: (4‑er-Block)
Bild 1: Adolf Bäuerle (I) — (mit Schnur­bart), 1867 — 1933
Bild 2: Albert Bäuerle — (ohne Schnurr­bart, Faconet­te) 1901 — 1979. Ehren­bür­ger
Bild 3: Jakob Chris­toph Bäuerle — Firmen­grün­der — 1834 — 1891
Bild 4: Maria Rühle (Haushalts­hil­fe) mit Adolf Bäuerle (II). (1938 — 2005)
Landschaf­ten (8‑er-Block) — jeweils von rechts nach links im Leseab­lauf
Bild 5: Landschaft am Schwar­zen Meer
Bild 6: König­see
Bild 7: Schafe am Waldrand
Bild 8: Rotwild in hügeli­ger Landschaft
Bild 9: Gänse am Bach — Weiden
Bild 10: Weg mit Bäumen und Feldern (Bauer)
Bild 11: Enten im Bach (Zaun, Binsen)
Bild 12: Verschnei­ter Waldweg mit Holzbei­ge (Volkmars­berg?)

Dietrich Bantel

Anschlie­ßend veröf­fent­li­chen wir einen 3. Brief von Alexan­der Slonevs­kij, der am Montag, 4. Juni 2007 einge­trof­fen ist.

Sehr geehr­ter Herr Dietrich Bantel!

Ich danke Ihnen herzlichst fuer neue Infos ueber den »Oberko­che­ner Russen«. Neulich besuch­te ich wieder Frau Witwe Medved­ka­ja, gruess­te sie in Ihrem Namen und auch im Namen von Herrn Dieter Raquet (uebri­gens erinner­te sie sich sofort an den Famili­en­na­men von seinem Vater, sprach ihn aber »Rakwet« aus). Ich ueber­gab ihr auch die Kopien von Bilder­ab­lich­tun­gen und das Angebot von Frau Mueller (Enkelin der Hebam­me Frau Holz), das Bild »Schwarz­meer­land­schaft« ihr zu schen­ken (Sandkos­ten auf unsere Rechnung, natuer­lich). Frau Medved­ka­ja war sehr beruehrt: von Fotos, von Ihren Grues­sen und insge­samt von Aufmerk­sam­keit, die Oberkoch­ner dieser alten Geschich­te dank Ihrer eifri­gen Teilnah­me, lieber Herr Bantel, schenken.

Eine der Episo­den teilte sich in zwei — wahrschein­lich wegen dem ersten unfleis­si­gen Ausfra­gen der Witwe von meiner Seite aus.

Es geht um die Beschrei­bung des Werkmeis­ters, der immer rot wurde, wenn er Befeh­le an russi­sche Zwangs­ar­bei­ter ertei­len sollte und der dann den Trofim vor KZ rette­te. Es stell­te sich heraus, dass die Rede von zwei unter­schied­li­chen Werkmeis­tern war. Der erste hiess Schmidt und war scheu von Natur her, er war der Meister der Briga­de, wo Frau Medveck­a­ja arbeitete.

Und die Episo­de mit Fehler­par­tie von Arbei­ter Trofim passier­te in der Briga­de, wo Maler M. arbei­te­te, sein Meister war Raquet sen., Vater von Herrn Dieter Raquet. Gerade er sprach gern mit dem Maler M. (laut der Aussa­ge von Frau Witwe Medveck­a­ja) und fragte ihn ueber das Leben in der UdSSR aus. Uebri­gens fiel Deutsch dem Maler M. sehr schwer, deshalb gebrauch­ten sie bei ihren Gesprae­chen sehr aktiv Haende­ges­tik . Es war ein komischer Blick, wenn man so von der Seite sie betrach­te­te, aber das stoer­te sie gar nicht. Leider kann sich Frau Medveck­a­ja nicht an den Namen des Werkmeis­ters (oder war es ein Oberar­bei­ter?) erinnern, fuer den sich die Zwangs­ar­bei­ter in einem Gesuchs­brief einsetz­ten, als er an die Ostfront gehen sollte. Sie behaup­tet aber, er waere ein Oester­rei­cher, der eine deutsche Frau in Oberko­chen heira­te­te. Ob es mehre­re von solchen Briefen gab, kann Frau Medveck­a­ja nicht sagen. Sie bestae­tig­te auch die Tatsa­che, dass »Papa« nach dem Eintritt von Ameri­ka­nern zusam­men­ge­schla­gen wurde, aber beharrt darauf, dass es nicht die dem Papa unter­ge­ord­ne­ten Russen machten, sondern Jungs von den Nachbar­la­gern, die den Amisein­tritt als ein Zeichen der Straf­lo­sig­keit aufnamen.

Und noch eine Episo­de, die mir Frau M. apropos »Papa« erzaehl­te. Waehrend der ganzen Zeit in Oberko­chen konnten sich unsere ukrai­ni­schen Lands­leu­te an eines nicht gewoeh­nen — das war die Suppe aus weisser Ruebe. Einmal boten unsere Maedchen dem »Papa« an, am Sonntag ukrai­ni­schen Borsch selbst zu kochen. Er sagte zu, und guckte verbluefft, wie die Koechin­nen in einen Topf Bohnen, Zwiebel, Karot­ten, Kartof­feln, Kohl, Pfeffer und vieles mehr nachein­an­der zugaben. Dem »Papa« wurde das Recht zugeteilt, den ersten Teller Borsch zu testen, zoegernd brach­te er den ersten Loeffel zu seinem Mund. Etwa in einer Woche fragte »Papa« die Ukrai­ne­rin­nen beschei­den: Maedel, wollt ihr nicht Borsch fuer das Wochen­en­de kochen?

Was das Bild »Schwarz­meer­land­schaft« anbetrifft, freut sich Frau Medveck­aj sehr darauf und wird dieses echt teuere Geschenk mit tiefer Dankbar­keit ueber­neh­men. Ist es moeglich, das Bild an meine Postadres­se (Slonevs­kij also) mit der Angabe »Euer Frau Maria Medveck­a­ja« zu schicken? Frau M. wird Ihnen die Empfangs­be­stae­ti­gung senden. Diese Bitte ist dadurch bedingt, dass Frau Maria Medveck­a­ja schon 87 Jahre alt ist. Es ist schwie­rig fuer sie zur Post zu laufen. Ich muss sagen, dass Frau Medveck­a­ja die Aussa­ge Ihrer Zeugin nicht bestae­tigt, dass es noch einen weite­ren russi­schen Maler in Oberko­chen in den Jahren 1942–1945 gab.

Ich will nicht laestig sein, aber als Geschich­te­for­scher wuerde sagen, dass es schoen waere, weiter in der Suche »neuer« Bilder in Oberko­chen »nachzu­boh­ren«. Wenn auch der Schwie­ger­sohn der Hebam­me, Herr Trucken­muel­ler die Kinder­ge­burt in der Familie Medved­kijs uns belegen koenn­te, wuerde diese Tatsa­che eine Reihe von neuen Fragen an Frau Medveck­a­ja hervor­ru­fen. Trotz­dem ein Spruch bei uns sagt: »Platon ist mein lieber Freund. Aber die Wahrheit ist mir noch lieber.«

Mit freund­li­chen Grues­sen
Alexan­dr Slonevskij

PS: Am Wochen­en­de war ich im Stadt­mu­se­um und sprach mit Chefin der Exposi­ti­on Frau Irina Schapotsch­ki­na. Sie betrach­te­te die Abbil­dun­gen von M. und sagte: »Ohne Zweifel kann man die Oberko­che­ner Periode des Schaf­fens und des Malers Lebens als eine glueck­li­che bezeich­nen. Davon sagen ruhige Natur, viel Licht und klare Farben auf seinen Bildern dieser Zeit.«

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