Zunächst sind noch drei Meldun­gen vom 22. Dezem­ber 1868 nachzutragen.

Die eine ist wenig spekta­ku­lär, weist aber auf die Bedeu­tung der Forst­wirt­schaft für Oberko­chen hin. Aus den »Staats­wal­dun­gen Zollhau, Wollen­berg, Stein­bos, Bilz des Reviers Oberko­chen« stehen zum Verkauf: »Eichen- und Nadel­holz­stäm­me« (105 Stück), »fichte­ne Hopfen- und Nadel­holz­stan­gen sowie buchene Wagner­stan­gen« (145 Stück), weiter »buchene, birkene, aspene Prügel und Laub- und Nadel­holz­wel­len« (insge­samt 5675 Stück).

Einen Eindruck von damals üblichen Rechts­me­tho­den gibt die an den Holzver­kauf anschlie­ßen­de Bekannt­ma­chung des Amtsge­richts Aalen, in der ein 22jähriger lediger Müller aus Oberko­chen durch Gerichts­be­schluss für »mundtot« erklärt wird. Nun würde sicher­lich mancher Zeitge­nos­se wünschen, dass dem oder jenem/der oder jener sein/ihr loses Mundwerk verbo­ten werde. Manch­mal würden wir unserem Gegen­über gerne »über den Mund fahren«, wenn er/ sie densel­ben zu sehr aufreißt, oder auch wünschen, er/sie möge sich durch die losen Reden »den Mund verbrennen«.

Jedoch darum ging es damals nicht, denn für »mundtot erklä­ren« bedeu­te­te in der Rechts­spra­che, den Betref­fen­den als unfähig zu bezeich­nen, rechts­ver­bind­li­che Handlun­gen vorzu­neh­men. War das Sünden­re­gis­ter des jungen Oberko­che­ner so lang, dass eine derart drasti­sche Maßnah­me gerecht­fer­tigt war? Laut Bekannt­ma­chung wurde er »wegen Verschwen­dung für mundtot erklärt« und durfte ohne Zustim­mung eines für ihn bestell­ten Pflegers, eines Gemein­de­rats, keine rechts­wirk­sa­men Handlun­gen vornehmen.

Die dritte Meldung war nicht spezi­ell auf Oberko­chen gemünzt. Da aber »sparsa­me Haushal­te« angespro­chen waren, dürfte die Anprei­sung einer neuen Kaffee-Sorte auch für Oberko­che­ner inter­es­sant gewesen sein. Es handel­te sich um ein »ganz vortreff­li­ches, nahrhaf­tes, gesun­des Getränk«, dessen Vorteil neben­bei auch in »sparsams­tem Verbrauch« bestand, denn 5 bis 6 Tassen sollten um nur 1 Kreuzer zu haben sein. Was aber den neuen Kaffee der Marke »Doppel-Kaffee« beson­ders attrak­tiv machte, war das Verspre­chen, »er greift den Magen nicht an und ist für Kinder die gesün­des­te Speise«

BAUARBEITEN

Am 14. Juni 1869 ließ Schult­heiß Micha­el Wingert diver­se Bauar­bei­ten ausschrei­ben, die der Gemein­de­rat und der Stiftungs­rat zur Ausfüh­rung beschlos­sen hatten:

I. Repara­tu­ren am Rathaus,
II. Herstel­lung eines weite­ren Zimmers im Dachge­schoss des Katho­li­schen Schul­hau­ses,
III. Bauli­che Verbes­se­run­gen in der Katho­li­schen Kirche

Bei den beiden ersten Maßnah­men handel­te es sich um Arbei­ten für Maurer und Stein­hau­er, Gipser, Zimme­rer, Schrei­ner, Glaser, Schlos­ser, Flasch­ner und »Anstrich-Arbei­ten«, die für das Rathaus 717 Gulden, für die Schul­erwei­te­rung 238 Gulden kosten sollte, während die Verbes­se­run­gen in der Kirche für Maurer­ar­bei­ten mit 239 Gulden zu Buche schlu­gen. Damit der Gemein­de­rat bei der Verga­be den billigs­ten Bieter rasch ermit­teln konnte, hatten »Akkords­lieb­ha­ber ihre Offer­te in Prozen­ten des Überschlags ausge­drückt samt Vermö­gens- und Tüchtig­keits­zeug­nis­sen« abzugeben.

Oberkochen

KRIEG GEGEN FRANKREICH

Am 19. Juli 1870 begann der Krieg zwischen Preußen und Frank­reich, in den auch Süddeut­sche Staaten wie Württem­berg und Bayern wegen ihrer Bündnis­ver­pflich­tun­gen verstrickt waren. Eigen­ar­ti­ger­wei­se ist in der Zeitung zunächst wenig von den Kriegs­er­eig­nis­sen zu lesen. Das Leben ging offen­sicht­lich seinen üblichen Gang. In Unter­ko­chen feier­te der Lieder­kranz die Weihe seiner neuen Fahne, in Aalen traf man sich im »Drei-König-Garten« zum »Enten-Preis-Kegel­schie­ben«, — und über Oberko­chen ist keine Nachricht zu finden. Deshalb werfen wir einen Blick in die katho­li­sche Pfarr­chro­nik, die vom »stets siegreich fortge­setz­ten deutsch-franzö­si­schen Krieg« schreibt, der den »verei­nig­ten Truppen aller außer­ös­ter­rei­chi­schen deutschen Länder reichen militä­ri­schen Ruhm einbrach­te«, aber auch »eine rege Tätig­keit hervor­rief, indem zahlrei­che Kollek­ten für hiesi­ge, in Feindes­land stehen­de Solda­ten, für Sanitäts­zwe­cke und durch­zie­hen­de Krieger veran­stal­tet wurden«. Einem Spenden­be­richt in der Zeitung ist zu entneh­men, dass »beim Aalener Bezirks-Armen­ver­ein für Sanitäts­zwe­cke 15 Gulden von der Gemein­de Oberko­chen« eingingen.

Natür­lich war man auch in Oberko­chen begeis­tert vom siegrei­chen Vorge­hen württem­ber­gi­scher Solda­ten, die etwa bei Wörth »600 Franzo­sen gefan­gen nahmen, viele Geschüt­ze und zwei Eisen­bahn­zü­ge mit Provi­ant« erbeu­tet hatten. Erst recht stieg die Stimmung, als am 4. Septem­ber 1870 ein in der Zeitung groß aufge­mach­tes »Königs-Telegramm« den Sieg bei Sedan verkün­de­te: »Die ganze Franzo­sen­ar­mee hat kapitu­liert, Kaiser Napole­on hat sich ergeben«.

WAHLKRIMI

Trotz des Siegs bei Sedan ging der Krieg in Frank­reich weiter. Paris leiste­te noch Wider­stand. Dennoch schrieb Württem­berg Neuwah­len zur Stutt­gar­ter Stände­kam­mer auf 5. Dezem­ber 1870 aus. So entbrann­te auch an der Heimat­front ein Kampf um die Sitze im Parla­ment. Im Bezirk Aalen trat der inzwi­schen achtund­sech­zig­jäh­ri­ge Moriz Mohl wieder an, hart attackiert von seinen politi­schen Gegnern, die dem »das Alte- verkör­pern­den Alten der Volks­par­tei« jünge­re Kräfte entge­gen­set­zen wollten. Auf der Suche waren die Wahlstra­te­gen der »Deutschen Partei« auf Gustav Oester­lein gesto­ßen, der als Stadt­schult­heiß von Aalen zwar nicht der Partei angehör­te, sich aber als bekann­te Persön­lich­keit und belieb­ter Stadt­vor­stand vermut­lich gegen »Platz­hirsch« Mohl durch­set­zen konnte. Die von vielen einfluss­rei­chen Aalener Bürgern unter­stütz­te Kandi­da­tur ihres Stadt­ober­haupts brach­te nun Schwung in den Wahlkampf und Mohl entschloss sich, wieder­um persön­lich in den Orten des Wahlkrei­ses, so auch in Oberko­chen, für sich zu werben. Oester­lein dagegen baute mehr auf eine Presse­kam­pa­gne und auf seinen Bekannt­heits­grad im gesam­ten Oberamt.

Am Abend des Wahltags geriet im Aalener Rathaus die Sammlung der Stimmen aus den Wahlbe­zir­ken zu einem nerven­auf­rei­ben­den Wahlkri­mi. Erst lag Oester­lein durch die Stimmen aus Unterrom­bach und Hohen­stadt mit 370:232 deutlich vorne: Jubel bei der Aalener Frakti­on. Dann aber brach­ten die Abtsgmün­der Stimmen den Vorsprung mit 463:512 für Mohl: Lange Gesich­ter im Aalener Lager. Wie zu erwar­ten war, hatte dann nach Zuzäh­lung der Aalener Stimmen wieder Oester­lein mit 1064:719 die Nase vorne und seine Anhän­ger trugen diesel­be wieder hoch. Nun kam der Bote mit den Stimmen aus Ober- und Unter­ko­chen ins Haus: Dort waren von 517 Wahlmän­nern nur 273 zur Wahlur­ne gegan­gen, hatten aber 221 Stimmen für Mohl abgege­ben und nur 74 waren für den Stadt­schult­heiß-Nachbarn abgefal­len, so dass Mohl aufho­len konnte, die Partie jedoch noch 1111:940 für Oester­lein stand. Die »Schnaps­zahl« für den Aalener ließ seine Anhän­ger mit Zuver­sicht die noch ausste­hen­den Stimmen aus Wasser­al­fin­gen erwar­ten, — Oberamt­mann Wittich machte als Wahllei­ter die Sache spannend: Er nannte zuerst für Wasser­al­fin­gen eine Wahlbe­tei­li­gung von 74%, was Wasser auf die Mühlen der Oester­lei­nyschen Anhän­ger war. Um so größer dann die Enttäu­schung: 503 Wahlmän­ner hatten Mohl gewählt, für Oester­lein nur 147 gestimmt. So war Moriz Mohl — wenn auch knapp — mit 51% der Stimmen Wahlsie­ger gewor­den, Gustav Oester­lein hatte jedoch immer­hin einen Achtungs­er­folg mit 45% Stimm­an­teil erzielt.

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