Hans Schee­rer, der letzte Müller auf der Unteren Mühle, über drei Genera­tio­nen hinweg der »Schee­rer­müh­le«, lebte von 1913 — 1990.

Viele Oberko­che­ner wissen noch von der Oberko­che­ner »Dinkel-Renais­sance«, die genau genom­men schon in den Siebzi­ger­jah­ren begon­nen und dann in den frühen Achtzi­ger­jah­ren in Oberko­chen und weit darüber hinaus Furore gemacht hatte. Diese »Dinkel-Renais­sance« wurde von Hans Schee­rer ausge­löst, zusam­men mit seinem gelern­ten Müller Wolfang Strakosch aus Dillin­gen, der außer­dem gelern­ter Landwirt ist. Wolfgang Strakosch arbei­te­te lange Jahre in der Schee­rer­müh­le als Müller.

Er machte kürzlich den Heimat­ver­ein — wir hatten uns auf einem Mühlen­fest kennen­ge­lernt — darauf aufmerk­sam, dass es in den frühen Achtzi­ger­jah­ren sogar Zeitungs­ar­ti­kel zum Thema »Dinkel« und Schee­rer­müh­le gegeben habe. Diese haben wir mit freund­li­cher Hilfe der SP-Archiv­lei­tung aufgespürt.

Diesen Artikeln (Schwä­bi­sche Post vom 28. August 1980 — »Dinkel-Ernte nach alter Väter Sitte« und Schwä­bi­sche Post vom 12. August 1982 — »Dinkel ist wieder »in«) entneh­me ich folgen­de Auszü­ge (ich zitie­re mit freund­li­cher Geneh­mi­gung der Redak­ti­on der »Schwä­bi­schen Post«, die uns auch Kopien der beiden Beiträ­ge übersandte):

SP vom 28.08.80:
»Bereits bei der »Funkfahrt ins Blaue — diesmal Oberko­chen« wurde bei dem Inter­view mit dem Mühlen­be­sit­zer Hans Schee­rer, dessen Mühle seit dem Jahre 1390 besteht und deren Mahlgän­ge seit 1877 nicht mehr verän­dert wurden, auf den Anbau des selten gewor­de­nen Dinkels aufmerk­sam gemacht. Welche Resonanz diese Mittei­lung auslös­te, bewie­sen die vielen Zuschrif­ten aus dem ganzen Ländle, die im Hause Schee­rer eingingen.«

Und weiter unten:
»Am gestri­gen Vormit­tag war der Zeitpunkt der Ernte gekom­men. Das Schee­rer-Grund­stück von 20 Ar, (vom Hektar können ca. 40 Doppel­zent­ner Dinkel geern­tet werden) zwischen der Bühl- und der Blumen­stra­ße gelegen, präsen­tier­te sich in voller Reife, als die Ernte­mann­schaft ans Werk ging. Hans Schee­rer hatte dazu Ernte­ge­rä­te einge­setzt, die zum Teil noch aus dem vorigen (also dem 19.) Jahrhun­dert stamm­ten, so die »Worbsen­se« *) mit dem Auffang­korb, Sicheln, mit denen das geschnit­te­ne Gut aufge­nom­men wurde; Garbenstri­cke, (die an einem Ende durch ein Loch in einem ca. 6 cm langen Rundholz, sogenann­te Knebel, gezogen waren). Hans Schee­rer, unter­stützt von dem aus Dillin­gen gekom­me­nen Landwirt­schafts­hel­fer **) Strakosch, der das Saatgut gelie­fert hatte, bewies, dass er die Geräte noch einwand­frei beherrscht.«

*) Anmer­kung DB: Herr Strakosch beton­te, dass statt des Begriffs »Worbsen­se« das Wort »Gaukel« stehen müsse.
**) Anmer­kung DB: Diese Berufs­be­zeich­nung ist unzutref­fend (s.v.)

SP vom 12.08.82:
».… Hans Schee­rer, Müller in Oberko­chen, baut jetzt wieder Dinkel an. Vor ein paar Jahren hat er Herrn Strakosch aus Dillin­gen kennen­ge­lernt, der ihm das Saatgut beschafft hat. Beide waren am Anbau inter­es­siert. Der eine liefer­te das Saatgut, der andere hat eine Mühle, die im sogenann­ten Gerbgang die Verar­bei­tung des Dinkels erlaubt.«

Dann wird die Getrei­de­sor­te »Dinkel« beschreiben.

Weiter unten heißt es:
»Der Dinkel­bau­er Schee­rer, Oberko­chen, am Mühlweg, leistet einen wertvol­len Beitrag zur Erhal­tung der alten Kultur­art Dinkel und trägt dazu bei, dass die Nachfra­ge nach Dinkel abgedeckt werden kann.« Nach dem Tod seiner Schwes­ter Elsbeth (1995) kam der Oberko­che­ner »Dinkel­acker« auf dem Bühl durch Erbschafts­fest­le­gung an Privat und ist heute bereits zu einem guten Stück überbaut.

Herr Strakosch, schon seit frühes­ter Jugend Richtung Landwirt­schaft inter­es­siert, berich­te­te, dass er 1974 im Rahmen seiner Bundes­wehraus­bil­dung bei Stetten am Kalten Markt während seiner Freizeit eine »merkwür­di­ge« Getrei­de­form entdeckt habe.

Er habe gefragt, wessen Acker das sei und habe einen gut 80-jähri­gen Landwirt ausfin­dig gemacht, dem er ein Säckle mit Saatgut. »abgeschwätzt« habe — ein paar Pfund nur. Dabei habe es sich um eine altdeut­sche Dinkel-Sorte namens »Roter Tiroler« gehan­delt. Das habe er dem Müller Schee­rer, bei dem er schon damals arbei­te­te, mitge­bracht. Hans Schee­rer habe sich begeis­tert gezeigt. Zum Mahlen sei es ihm aber zu wenig gewesen. Er habe gesagt: »Des säat mr aus an guggat, was wackst, — ond was wackst, des säat mr nao wieder aus.« (Typisch Hans Schee­rer, meine ich, — er hätte ja durch­aus auch irgend­wo ein paar Zentner Dinkel-Saatgut kaufen können; aber das ging ihm gegen die Ehre, sozusa­gen »gegen den Adel seiner Persön­lich­keit«, und natür­lich wäre es vor allem auch ein sträf­li­cher Verstoß wider die schwä­bi­sche Sparsam­keit gewesen). So habe man, so Wolfgang Strakosch weiter, den Dinkel bei den folgen­den Ernten auf dem »Bühl« syste­ma­tisch vermehrt, bis kurze Zeit später schon 2 bis 3 Zentner Korn (»Koara«) gewon­nen werden konnten.

Oberkochen

Die »Dinkel-Mehl-Gugg« im »Schau­fens­ter unterm Kontor in der Mühle am Eingang zum Kocher­weg­le (Klein-Venedig) kannte damals fast jeder. Bis auf den heuti­gen Tag steht dort noch eine »Dinkel­gugg«.

Herr Schee­rer sei sich bei jener Ernte­ak­ti­on im Bühl sehr wohl bewusst gewesen, dass es sich hierbei um eine Art »demons­tra­ti­ve Nachdo­ku­men­ta­ti­on« handle, zumal die ganzen alten Geräte noch vorhan­den waren. Deshalb habe man »per Hand« nur zur photo­gra­phi­schen Dokumen­ta­ti­on geschnit­ten — den Rest habe die Maschi­ne erledigt… Herr Strakosch erinnert sich, dass auch noch ein Presse­ar­ti­kel zum Thema »Putzmüh­le« in der Zeitung kam. Dieser konnte noch nicht aufge­fun­den werden.

Wer kann helfen? Sicher­lich gibt es auch einen Bericht über die oben erwähn­te »Fahrt ins Blaue — diesmal Oberko­chen«, in dem das Inter­view mit Hans Schee­rer erwähnt sein müsste.

Jürgen Schalk, Sohn der auf den Fotos ebenfalls abgelich­te­ten Irmgard Schalk, deren Mutter wieder­um Maria Völker ist, die auch auf den Fotos zu sehen ist, hat uns durch Vermitt­lung von Otto Schaupp drei digita­li­sier­te Drucke dieser alten schwarz-weiß Fotos aus dem Jahr 1980 zukom­men lassen, die im einen Fall von Robert Wolff, im anderen von »Privat« (Schalk) stammen.

Eckhart Irion, der 1971 das Abitur am Gymna­si­um Oberko­chen ableg­te und heute Ökoland­wirt im bayeri­schen Unter­reit ist, hielt am 12. Mai letzten Jahres beim Heimat­ver­ein einen Vortrag zu Thema »Dinkel und Emmer fast verges­se­ne Getreide«.

Im Verlauf seines Vortrags schlug er vor, dass man in Oberko­chen, nachdem es ja nun nicht nur einen Heimat­ver­ein, sondern auch einen Mühlen­ver­ein gibt, sich doch der Schee­rer­müh­le und der örtli­chen Tradi­ti­on zulie­be darum bemühen solle, irgend­ein Grund­stück anzupach­ten, auf dem von heimat­kund­lich und landwirt­schaft­lich inter­es­sier­ten Mitglie­dern Dinkel angebaut wird, der dann in dem wieder zum Leben erweck­ten Gerbgang der Schee­rer­müh­le gemah­len wird, und zu köstli­chem Brot und schmack­haf­ten Wecken verar­bei­tet und verkauft werden könnte.

Konstruk­ti­ve Zukunftsmusik.

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