Leben und Wirken des im Februar 1867 verstorbenen Oberkochener katholischen Pfarrers Carl Wilhelm Desaller lässt sich durch drei »P« charakterisieren: Priester, Politiker und Publizist. Der heutige Bericht schließt die Betrachtung Desallers als Politiker ab.
RÜCKZUG AUS DER AKTIVEN POLITIK
Die Stuttgarter Landesversammlungen, welche die Aufgabe der Modernisierung der württembergischen Verfassung hatten, und deren gewähltes ordentliches Mitglied Carl Wilhelm Desaller für den Bezirk Neresheim war, wurden wiederholt aufgelöst und dann wieder neu gewählt. Obwohl in Neresheim Bestrebungen im Gange waren, Desaller auch im Frühjahr 1851 erneut zur Kandidatur zu bewegen, winkte er ab, enttäuscht vom Unvermögen der politischen Kräfte, echte Änderungen und Verbesserungen herbei zu führen. Mit ausschlaggebend für diesen Entschluss waren wohl drei Gründe:
Desaller fiel es zunehmend schwerer, sich mit den zu behandelnden Gesetzesvorlagen zu identifizieren. Insbesondere konnte er sich nicht mit dem »Entschädigungsgesetz« abfinden, das Ersatzleistungen für den Adel vorsah, der diese 1806 durch den sog. Reichsdeputationshauptschluss erfahren hatte, zugleich aber Gemeinden, Pfarreien, Stiftungen leer ausgehen ließ.
Württemberg drehte das Rad demokratischer Entwicklung zurück: Volksvereine wurden aufgelöst, wodurch Desallers Amt an der Basis in Aalen erlosch.
Bei einem Wechsel im Rottenburger Bischofsamt trat mit Joseph von Lipp ein Mann an die Spitze der Diözese, der für politische Betätigung von Geistlichen wenig Verständnis zeigte.
Noch im Jahr 1855, als erneut eine Wahl anstand, sollte Desaller nochmals in Neresheim kandidieren, aber er bat die Wähler in einem Zeitungsaufruf davon Abstand zu nehmen, wobei er nochmals alle wichtigen Gesichtspunkte für seinen früheren Verzicht aufzählt (siehe Abbildung). So zog sich Carl Wilhelm Desaller aus der aktiven Politik zurück. Wie er feststellte, hatte sich »die Quadratur des Kreises« als unmöglich erwiesen, nämlich »demokratische Rechte für alle Stände einzuführen und zugleich die Rechte der Krone nicht preiszugeben«.

DER PUBLIZIST DESALLER
Leider sind die zahlreichen Artikel, die Carl Wilhelm Desaller als gern gelesener Publizist im »Deutschen Volksblatt« veröffentlichte, nicht erhalten. Auch die Spuren seiner parlamentarischen Arbeit sind in der lokalen Presse nicht sehr zahlreich. Da er als »Laien-Politiker« von seinen politischen Kontrahenten sehr kritisch beobachtet wurde, musste er sich einmal in der Zeitung wehren: »… In der Angst ihres Herzens berichten die Leute schreckliche Dinge nach Stuttgart, als ob bei uns Aufruhr, Verschwörung, rote Republik im Gange seien. So höret nun das Entsetzliche: ich war kürzlich bei Freunden in Bopfingen und habe in Gegenwart von Konservativen und Demokraten — gekegelt!«
Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik widmete er sich nicht nur seinen priesterlichen Aufgaben, sondern war nach wie vor publizistisch tätig. Im Jahr 1863 machte Desaller den sog. »Vergnügungszug nach Wien« mit, bei dem es neben gesellschaftlicher Präsenz auch um hochpolitische Fragen wie die Einbeziehung Österreichs in ein künftiges Deutsches Reich ging, wobei Desaller schrieb: »Mir war aus tiefstem Herzen gesprochen, als das ganze Deutschland als großes Land gefordert wurde, aus dem sich Österreich nicht »herausbismarcken« lässt«. Von Desallers Engagement für den Tierschutz war schon die Rede gewesen, wobei er sich z.B. für schonende und artgerechte Verwendung von Maulkörben bei Hunden aussprach. Auch Auswanderern bot er Hilfe an und veröffentlichte 1853 einen längeren Brief, in dem sein Schwager, der in Amerika war, schilderte, was Auswanderer zu erwarten hatten.
Im Februar 1862 meldete er sich in der Stuttgarter »Schwäbischen Chronik« zu Wort, als über eine Kontroverse zwischen dem Aalener Abgeordneten Moriz Mohl und seinem Kontrahenten Dr. Bucher berichtet worden war. Desallers Meinung kommt einem Vermächtnis gleich:
Es ist endlich an der Zeit, dass politische und religiöse Parteien im Bezirk Aalen sich die Hand zum Frieden bieten und wieder jene bürgerliche und religiöse Eintracht zurückkehre, auf der allein wahre Einracht und Toleranz gedeihen«.
Damit enden die Aufzeichnungen über den am 21. Februar 1867 überraschend verstorbenen Oberkochener Pfarrer Carl Wilhelm Desaller, der ein begnadeter Priester, aufrechter Demokrat und Verfechter freiheitlicher Gesinnung gewesen war, Gott und den Menschen zugetan, erfüllt von den drei »P«, Priestertum, Politik und Publizistik, ein »ungewöhnlicher Mann«, wie Rudolf Heitele im Oberkochener Heimatbuch sagt.
Volkmar Schrenk