Wieder sind durch Abbruch in den Tagen vom 8. 3. — 16.03.2005 zwei Gebäu­de aus alten Zeiten aus der alten Ortsmit­te verschwun­den: Die Gebäu­de Heiden­hei­mer Straße 23 und 25.

Gebäu­de 23
Giebel paral­lel zur Straße. In der Erfas­sung für die Unter­la­gen der Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung auf den 1. Januar des Jahres 1942 steht das Gebäu­de auf den Landwirt Josef Betzler (Hausna­me »Hofmann«) geschrie­ben, »angebaut ohne eigene Wand an Heiden­hei­mer­stra­ße No. 25 und durch den Scheu­ern­an­bau an Heiden­hei­mer­str. No. 21.

Oberkochen

Das Gebäu­de ist als »2‑stockiges Wohnhaus von gemisch­ter Bauart unter Giebel­dach« beschrie­ben. Das Alter ist 1942 mit »ungefähr 200 Jahren«, der Erhal­tungs­zu­stand mit »gut» angege­ben. Hinzu kommen, jeweils auf 1942 bezogen, ein Schwei­ne­stall von Stein unter Giebel­dach, ca. 100 Jahre alt, ein Wasch­kü­chen­an­bau von Stein unter Quergie­bel­dach, 28 Jahre alt, eine freiste­hen­de Maschi­nen­re­mi­se, 21 Jahre alt, ein Holzre­mi­sen­an­bau, 16 Jahre alt, ein freiste­hen­der Streu­schup­pen­an­bau, 30 Jahre alt, ein freiste­hen­der Geflü­gel­stall, 22 Jahre alt.

All diesen Hinzu­fü­gun­gen wird ein guter Erhal­tungs­zu­stand bestä­tigt. 1953 sind hinzu­ge­fügt: Wohnhaus im Inneren umgebaut, Scheu­er­an­bau, im Inneren umgebaut, 1954 ein Laden­an­bau (und ‑einbau. Gaismai­er). 1959 ein Lager­schup­pen — und später viele weite­re An- und Umbau­ten, auch Abbruchsarbeiten.

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Gebäu­de 25
angebaut an Gebäu­de 23, Giebel senkrecht zur Straße. In den Unter­la­gen der Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung von 1942 steht dieses Gebäu­de geschrie­ben auf die Eigen­tü­mer Karl Hägele, Fabrik­ar­bei­ter und dessen Ehefrau, sowie Gustav Schaupp, Maurers Witwe — räumlich getrennt. Auch das Gebäu­de 25 wird 1942 auf ungefähr 200 Jahre alt angege­ben. Im Folgen­den ist genau beschrie­ben, was zu Hägele und was zu Schaupp gehört. »angebaut mit eigenen Wänden an Heiden­hei­mer Straße 23 und 23/1 — 2‑stockiges Wohnhaus von gemisch­ter Bauart unter Giebel­dach mit… Dachauf­bau an der Nordost­sei­te und Abort an der Südostseite«.

Das Jahr 1742
200 Jahre vom Jahr 1942 zurück­ge­rech­net ergibt als Zeit der Errich­tung für die beiden nun abgebro­che­nen Gebäu­de das Jahr 1742 — die Zeit des Hochba­rock und des begin­nen­den Rokoko, die Zeit von Fried­rich II, dem Großen, und Maria There­sia. Johann Sebas­ti­an Bach schrieb 1742 die Goldberg­va­ria­tio­nen, Händel den Messi­as mit dem weltbe­rühm­ten Halleluja.

In dieser Zeit wurde in Oberko­chen das Gebäu­de Schla­cken­wä­sche beim Kocher­ur­sprung einge­rich­tet (1745 — 1904). 1749 wurde das berühm­te Aalener Proto­koll geschrie­ben, das die älteren Dorford­nun­gen ablös­te und die Inter­es­sen, Rechte und Pflich­ten der protes­tan­ti­schen Bürger Oberko­chens (1÷3 der Einwoh­ner über das Kloster Königs­bronn zum protes­tan­ti­schen Herzog­tum Württem­berg gehörend) — und der katho­li­schen Bürger Oberko­chens (2÷3 der Einwoh­ner zum katho­li­schen Ellwan­gen und den Fürstpröps­ten gehörend) neu regel­te. Landes­herr war wenige Jahre zuvor, nämlich im Jahre 1739, im Alter von 9 Jahren, Karl Eugen gewor­den. Für ihn regier­ten sogenann­te »Vormün­der«. Aus religi­ons- und landes­po­li­ti­schen Gründen war der Kind-Souve­rän 1740 zur weite­ren Erzie­hung nach Berlin verbracht worden. Bereits 1744 jedoch wurde Karl Eugen die »Vollbür­dig­keit« erteilt und die Vormund­schaf­ten aufge­ho­ben. Das heißt: Karl Eugen war ziemlich genau zur Zeit da diese beiden nun abgebro­che­nen Gebäu­de in Oberko­chen errich­tet wurden, im Alter von 16 Jahren Herzog von Württem­berg geworden.

Bekannt­lich gibt es in Oberko­chen Betzlers (mit »tz«) und Bezlers (mit »z«).
Die Alt-Oberko­che­ner wissen den Hausna­men »Kratzer» (Grazer) der Familie Bezler (nur mit »z« ). Von alters her wird tradiert, dass der Hausna­me »Kratzer« darauf zurück­zu­füh­ren sei, dass die Bezlers nach dem 30-jähri­gen aus »Graz» (Steier­mark) zusam­men mit vielen weite­ren Öster­rei­chern aus Kärnten, dem Salzbur­ger Land und Vorarl­berg zum Zwecke der Existenz­grün­dung in das darnie­der­lie­gen­de Württem­berg einge­wan­dert sind. Dies belegen unter anderem auch die Gebur­ten außer­halb Etters in der Bilz in dieser Zeit. Dem wider­spricht, dass, wie Kuno Gold auf Seite 350 des Heimat­buchs schreibt, der erste geschrie­be­ne Oberko­che­ner Bezler, 1557 geboren, 98-jährig in Oberko­chen, also 1665 starb. Übrigens ist der Name »Kratzer« in Oberko­chen nicht nur als Hausna­me überlie­fert — bereits 1685 taucht ein Leonhard Kratzer in Oberko­chen auf. Kuno Gold schreibt auf Seit 361 des Heimat­buchs, dass die Famili­en Kratzer und Bezler (nur mit »z«) wohl in verwandt­schaft­li­cher Bezie­hung standen. Anderer­seits muss festge­hal­ten werden, dass der Famili­en­na­me Bezler, (früher immer nur mit »z«), zu den wenigen Oberko­che­ner Namen gehört, die über den 30-jähri­gen Krieg hinaus nachzu­wei­sen sind.

Ab wann der Name Betzler, mit »tz«, mit dem das Gebäu­de 23 zusam­men­hängt, in Oberko­chen auftaucht, ist der Auflis­tung von Kuno Gold im Heimat­buch leider nicht zu entneh­men; auch die Frage, ob die Bezlers und die Betzlers eines Ursprungs (Bezler) sind, lässt sich der gründ­li­chen Arbeit von Kuno Gold nicht entneh­men. Fest steht, dass heute der Hausna­me für die Bezlers (mit »z«) »Kratzer«, für die Betzlers (mit »tz«) »Hofmann« ist. Für die Bezlers stehen laut Kuno Gold, schon immer die Hausna­men »Kratzer» und »Hofmann« — d.h. zumin­dest auch für einen Teil derer, die sich nur mit »z« schrei­ben. (Heimat­buch Seite 350).

Manfred Kaufmann fand vor dem Abbruch des Gebäu­des 23 im Bühnen­la­by­rith eine Glasta­fel, wohl von einem Grabstein stammend, auf der die Famili­en­na­men »Hofmann» und »Betzler» gleich­zei­tig auftre­ten. Den Alt-Oberko­che­nern sagt diese Namens­kom­bi­na­ti­on mehr als den »Herein­ge­schmeck­ten .

Das Gebäu­de 23 war zuletzt bewohnt und genutzt von Familie Arnol­do (Eisdie­le), damals gehör­te es noch Fred Betzler, (»Taxibetz­ler« / »Hofmann« ) das Gebäu­de 25 von den Partien Hägele und Schür­le. Seit 1994 sind/waren beide Gebäu­de im Besitz der Familie Kaufmann.

Foto 1 zeigt Gebäu­de 23 von der Straßen­sei­te, Foto 2 Gebäu­de 25 von der Kocher­sei­te am 25. Febru­ar, 10 Tage vor Abbruch­be­ginn. Das »Gässle«, das einer­seits zwischen der Giebel­sei­te von Gebäu­de 23 und der Trauf­sei­te von Gebäu­de 25 und anderer­seits dem statt­li­chen Backstein­ge­bäu­de »Schul­thes Frank« (Gebäu­de 27) von der Heiden­hei­mer Straße hinter die Gebäu­de führte, hatte keinen eigent­li­chen Namen. Man sagte entwe­der »s’Franka­gäss­le« dazu oder man sagte »bei dr Hägeles Jul nondr« (die Hägeles Jul hat für die Bauern »s’Kraut eighoblt«).

Nur von der Kocher­sei­te her war zu erken­nen, wie hoch und mächtig das Gebäu­de 25 ist, oder war. Die Fenster wurden teilwei­se bei neuzeit­li­chem Wohnungs­ein­bau vergrö­ßert. Über dem obers­ten Fenster ist, wie Harald Eberhart bestä­tigt, unterm Giebel noch der Rest eines galgen­ähn­li­chen Ausle­gers zu erken­nen (früher mit hölzer­nem Rillen­rad), über welchen Heu und später Holz auf den Dachbo­den gezogen wurde.

Fast unheim­lich war der höchs­tens 1,50 hohe primi­ti­ve Schlupf­kel­ler des Gebäu­des 25, in das sich Herr Kaufmann fürs Foto wagte. Das kleine Gebäu­de im Vorder­grund des Fotos war ein Waschhäusle.

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In einem zweiten Bericht (477) gehen wir auf weite­re inter­es­san­te Details zu den beiden abgebro­che­nen Gebäu­den ein, vor allem auch auf die außer­ge­wöhn­li­che Dachkon­struk­ti­on des Gebäu­des 23, die als Ganzes ein wahres Museums­stück für sich gewesen ist. Ob es sich bei der beim Abbruch freige­wor­de­nen und von Zuschau­ern vielbe­ach­te­ten Dachkon­struk­ti­on, wie von Alt-Oberko­che­nern geäußert, um eine öster­rei­chi­sche (»Grazer«) Konstruk­ti­on handelt, sei zunächst dahin­ge­stellt. Willi­bald Mannes, u.a. Zimmer­manns­meis­ter, Archi­tekt und Treppen­bau­er, ist dieser Typ von Dachver­stre­bung jeden­falls aus alten deutschen Dachkon­struk­tio­nen durch­aus bekannt.

Dietrich Bantel

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