Schäden durch Luftan­grif­fe und Artil­le­rie­be­schuss. Das wachsa­me Auge des Oberko­che­ner Bürgers Klaus Wiesenf­arth befand sich wieder einmal im richti­gen Moment am richti­gen Ort. So gelang­te kürzlich anläss­lich der Auflö­sung der Oberko­che­ner Dienst­stel­le im Bahnhofs­ge­bäu­de unter anderem der Durch­schlag eines Schrei­bens, das mit Datum vom 27. Juli 1949 vom Bahnhof Oberko­chen an die Deutsche Reichs­bahn, Reichs­bahn­di­rek­ti­on Stutt­gart gegan­gen ist, in dessen Besitz, ehe es endgül­tig »entsorgt« worden wäre. Freund­li­cher­wei­se stell­te Herr Wiesenf­arth dem Heimat­ver­ein eine Kopie dieses 3‑seitigen Durch­schlags zur Verfügung.

Das vom damali­gen und inzwi­schen verstor­be­nen Bahnhofs­vor­stand Anton Feil unter­zeich­ne­te Schrei­ben ist die Antwort des Bahnhofs Oberko­chen auf eine Rundfra­ge der Deutschen Reichs­bahn, Reichs­bahn­di­rek­ti­on Stutt­gart vom 27. April 1949 an alle Ämter (usw,- s.u.) bezüg­lich Schäden, die im Zusam­men­hang mit Kriegs­hand­lun­gen im Bezirk der Direk­ti­on Stutt­garts, entstan­den sind. In dem 2‑seitgen Frage­bo­gen werden auch dem Bahnhof Oberko­chen acht Fragen und Unter­fra­gen zum Betreff »Auswir­kun­gen des 2. Weltkriegs auf die Reichs­bahn« zur Beant­wor­tung gestellt.

Die angeschrie­be­nen Stellen sind:
»An alle Ämter, RAW und Dirb, an die Ozl, an das Pa bei der BRD sowie an alle Haupt- und selbstän­di­gen Neben­dienst­stel­len — je bes –«

Wir haben die auf dem dritten Blatt dieses Vorgangs aufge­führ­ten Antwor­ten vom Bahnhof Oberko­chen vom 27.Juli 1949 der besse­ren Übersicht halber im¬mer gleich im Anschluss an die betref­fen­de Frage einge­fügt.
Ansons­ten ist der Wortlaut der beiden schreib­ma­schi­nen­ge­schrie­be­nen Schrei­ben übernom­men.
Hier die beiden zusam­men­ge­fass­ten Schrei­ben.
S = Stutt­gart
0 = Oberkochen

Stutt­gart, den 27.April 1949

S.

Der zweite Weltkrieg hat die Reichs­bahn in beson­de­rer Weise in Mitlei­den­schaft gezogen. So wurden durch Luftan­grif­fe der Dienst­be­trieb gestört oder unter­bro­chen, Bahnan­la­gen und Fahrzeu­ge geschä­digt oder zerstört, sowie Reisen­de und Verwal­tungs­an­ge­hö­ri­ge verwun­det oder getötet.
Ähnlich wirkten sich mancher­orts Landkriegs­hand­lun­gen aus Anlass der Beset­zung aus. Auch kam es im Zuge der Beset­zung zu Plünde­run­gen. Es ist wichtig, die Auswir­kun­gen dieser Ereig­nis­se auf die Reichs­bahn im einzel­nen zu erfas­sen, solan­ge man dem Kriegs­ge­sche­hen noch näher steht und noch Verwal­tungs­an­ge­hö­ri­ge da sind, die es an Ort und Stelle miter­lebt haben. Zu diesem Zweck werden die in der Anschrift genann­ten Stellen gebeten, in einem Bericht folgen­de Fragen zu beantworten:

1. Frage S. Wurde die Reichs­bahn­stel­le bei Bomben­an­grif­fen getrof­fen?
a) Wann?
b) Welche Schäden wurden bei den einzel­nen Angrif­fen angerich­tet?
c) Wie wirkten sich die Schäden auf den Dienst­be­trieb aus?
d) Wer wurde verwun­det oder getötet?
0. zu 1. nein

2. Frage S. Wurde die Reichs­bahn­stel­le von Flugzeu­gen mit Bordwaf­fen angegrif­fen?
a) — d) wie Ziff 1.
0. zu 2. ja
a) Am Oster­sonn­tag den 1. April 1945.
b) Mehre­re Einschüs­se im Empfangs­ge­bäu­de, Wohnun­gen, Warte­saal sowie in dem neben­ste­hen­den Abort­ge­bäu­de.
c) eine Abort­an­la­ge ist seitdem nicht benütz­bar.
d) 9 Tote und mehre­re Verwun­de­te beim Angriff auf einen Zug

3. Frage S. Wurde die Reichs­bahn­stel­le bei der Beset­zung mit Waffen des Landkrie­ges angegrif­fen?
a) — d) wie Ziff 1
0. zu 3. ja
a) Vor Einmarsch der amerik. Truppen in Oberko­chen am 24.4.45.
b) Durch Granat­be­schuss wurden die Eingangs­dop­pel­tür zum Empfangs­ge­bäu­de sowie der Treppen­auf­gang zu den Wohnun­gen und Rissschä­den in den Wohnun­gen verur­sacht. Außer­dem wurde der Güter­schup­pen an den Seiten­wän­den beschä­digt.
c) Die Schäden wurden durch das Bahnhofs­per­so­nal notdürf­tig behoben.
d) niemand

4. Frage S. Wurden von deutscher Seite Spren­gun­gen oder Lähmun­gen vorge­nom­men?
a) Wann?
b) Was wurde gesprengt oder gelähmt?
c) Wer hat gesprengt oder gelähmt? (Angehö­ri­ge der Wehrmacht oder Reichs­bahn­be­diens­te­te?)
d) Wie wirkten sich die Spren­gun­gen oder Lähmun­gen nach Kriegs­en­de auf die Wieder­auf­nah­me des Reichs­bahn­be­triebs aus?
0. zu 4. nein

5. Frage S. Wurde die Reichs­bahn­stel­le von Plünde­rern heimge­sucht?
a) Wann?
b) Waren die Plünde­rer Deutsche oder Auslän­der?
c) Welche Schäden wurden angerich­tet und was wurde entwen­det?
0. zu 5) nein

DB: Zum Stich­wort »Plündern« ist zu vermer­ken, dass laut Berich­ten von Alt-Oberko­che­nern, die im Heimat­buch auf den Seiten 201 und 202 wieder­ge­ge­ben sind, gegen Kriegs­en­de ein im Bahnhof stehen­der Güter­wa­gen voll Kaffee stark erleich­tert wurde.

6. Frage S. War die Reichs­bahn­stel­le von Truppen der Besat­zungs­macht besetzt?
Haben die Truppen Zerstö­run­gen oder Beschä­di­gun­gen angerich­tet, gegebe­nen­falls welche? Haben sie Reichs­bahn­be­diens­te­ten den Zutritt zu den Räumen versagt?
0. zu 6) ja
Die Räume der Güter­ab­fer­ti­gung waren erstma­lig im Mai 1945 und das zweitemal einschließ­lich der Ladestra­ße von Mitte Juli bis Ende August 1945 durch ameri­ka­ni­sche Besat­zungs­trup­pen belegt.

7. Frage S: Wurde die Reichs­bahn­stel­le vor der Beset­zung geräumt?
Wann und wohin setzten sich die Bediens­te­ten ab? Wievie­le setzten sich ab und wievie­le blieben zurück? Wann kamen die Bediens­te­ten, die sich abgesetzt hatten, wieder zurück? Wann wurde bei der Reichs­bahn­stel­le der Dienst wieder aufge­nom­men?
0. zu 7)
Die Dienst­stel­le blieb von sämtli­chen hier wohnhaf­ten Bediens­te­ten besetzt. Der Dienst wurde Ende April mit Aufräu­mungs­ar­bei­ten wieder aufgenommen.

8. Frage S: Welche sonsti­gen beson­de­ren Auswir­kun­gen auf die Reichs­bahn sind zu erwäh­nen?
0. zu 8)
Durch Spren­gung einer Brücke der Landstra­ße durch deutsche Truppen wurde beim Einmarsch der amerk. Truppen der Bahnkör­per zum Vormarsch benutzt, wobei von diesen der Weichen­bock der Weiche 5 gesprengt und 6 Licht­mas­ten auf Bahnsteig 2 umgesägt wurden.
S: Schäden auf der freien Strecke erfas­sen die Bm, andere Schäden berich­ten die Reichs­bahn­stel­len, bei denen sie entstan­den sind.

Die einem Amt unter­ste­hen­den Stellen berich­ten zum 1. August 1949 dem vorge­setz­ten Amt. Das Amt sieht die Berich­te durch und legt sie mit dem eigenen Bericht zum 1. Septem­ber 1949 als Sammels­ache der BRD vor. Dem eigenen Bericht fügt das Amt am Schluss einen kurzen Gesamt­über­blick über die Störun­gen des Dienst­be­triebs inner­halb des Amtsbe­zirks durch gewöhn­li­che Flieger­alar­me an.

Die übrigen Reichs­bahn­stel­len legen die Berich­te als Sammels­ache bis 1. Septem­ber 1949 der RBD vor. Fehlan­zei­ge ist nötig.
Beglau­bigt. Knoel­ler, — (gez) Eißler — Stempel Reichs­bahn­di­rek­ti­on Stutt­gart.
Ende des Schreibens.

Zu den Fotos:
Das Foto vom Abstell­gleis zum Prell­bock wurde 6. 7. 1988 von Klaus Wiesen­fahrt aufge­nom­men. Auf dem Güter­wa­gen befin­det sich ein Trafo, der für das 1979 errich­te­te und 1988 erwei­ter­te Umspann­werk in der »Schwärz« gelie­fert wurde.

Oberkochen

Die beiden Fotos vom Bahnhof und vom Güter­schup­pen sind am 19.10.1998 vom Verfas­ser während des Abbruchs des damals über 130 Jahre alten Güter­schup­pens gefertigt.

Oberkochen
Oberkochen

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