Auf die am 23.12. in Bericht 471 veröffentlichen sechs Briefe »Weihnachten an der Front« erhielt der Heimatverein zahlreiche Rückkoppelungen darunter eine sehr berührende: Am 24.12. rief ein älterer Oberkochener an und sagte, dass der Schreiber des fünften Briefs (»An Bord 7.12.1941«) eigentlich nur sein später gefallener Bruder sein könne, was sich bei der Überprüfung als richtig erwies. Eine unter die Haut gehende Entdeckung nach 63 Jahren.
Ein weiterer Zufall ermöglicht uns, als »Nachlieferung” zum Jahreswechsel, unseren heutigen Bericht:
Anlässlich des Beitrags 471 erhielt ein kleiner Stapel mit allerlei gemischten Dokumenten, die der HVO vor geraumer Zeit von der Stadtverwaltung erhalten hatte, Bedeutung.
Unter weniger interessanten Papieren befanden sich auch vier vergilbte »uralte« Jahreskalender, die jeweils ein Jahr lang im Vorzimmer des Bürgermeisters von Oberkochen hingen, und die in dieser wohl gezielten Auswahl bis auf den heutigen Tag aufbewahrt worden waren: Kalender aus den Jahren 1933, 1944, 1948 und 1952. Bei diesen vier Kalendern handelt es sich genau genommen um einen auf vier Seiten beschränkten, aber eindrucksvollen und vielsagenden geschichtlichen Abriss von »Aufstieg und Begeisterung« im »1000 jährigen Reich«, bis zur Katastrophe und danach dem neuen Aufstieg Deutschlands nach 1945.
Der Kalender aus dem Jahr 1933 ist als Werbung für das »Göppinger Tagblatt Der Hohenstaufen« auf A3-Format gedruckt (Abbildung). Im Kalendarium sind für jeden Tag die Namen der Tagesheiligen angegeben und darüber hinaus nur die wichtigsten christlichen Feste.
1944 gibt es keine Heiligen mehr dafür, außer den wichtigsten christlichen Feiertagen, fast 50 nationale Gedenktage ! !
1948 tauchen nur noch die wichtigsten christlichen und außerdem die jüdischen Feiertage auf, und 1952 außer den christlichen Feiertagen erneut, wie 1933, für jeden Tag die Namen aller Tagesheiligen.
Der Kalender von 1944 zeigt, wie unvorstellbar massiv der NS Staat den Jahresablauf im Sinne des Nationalsozialismus geprägt hat.

Hier die Liste der Nationalen Gedenktage 1944, wie sie auf dem Rathaus Oberkochen »hingen« eine historische Bilanz:
10.01.1920 Schmachfriede von Versailles
11.01.1923 Einbruch der Franzosen ins Ruhrgebiet
12.01.1893 Hermann Göring geboren
18.01.1871 Reichsgründungstag
18.01.1941 Militärkonvention zwischen Deutschland, Italien und Japan
28.01.1923 1. Reichsparteitag der NSDAP
30.01.1933 Adolf Hitler wird Reichskanzler
04.02.1936 Wilhelm Gustloff ermordet
23.02.1930 Horst Wessel seinen Verletzungen erlegen
01.03.1935 Das Saarland kommt zum Reich
07.03.1936 Wiederherstellung der Wehrh.(?) 1. Rhld
12.03. Heldengedenktag Opfersammlung
12.03.1877 Reichsminister Dr. Frick geboren
13.03.1938 Gesetz über d. Wiedervereinigung Österreichs m. d. Deutschen Reich
22.03.1939 Memelland kommt zum Reich
26.03. Verpflichtung der Jugend
20.04.1889 Adolf Hitler geboren
01.05. Nationaler Feiertag des Deutschen Volkes
10.05.1940 Deutscher Angriff über die Westgrenze
14.05.1940 Kapitulation der holländischen Armee
22.05.1939 Militärpakt Deutschland Italien
26.05.1923 Alb. Leo Schlageter erschossen
31.05.1916 Seeschlacht vor dem Skagerrak
02.06.1941 Siegreicher Abschluß der Kämpfe um Kreta
22.06.1941 Beginn des Kampfes gegen die Sowjet Union
25.06.1940 Waffenruhe mit Frankreich
10.07.1941 Abschluß der Doppelschlacht von Bialvstock Minsk
14.07.1933 Erbgesundheitsgesetz
29.07.1921 Adolf Hitler Führer der NSDAP
30.07.1898 Otto von Bismarck gestorben
01.08.1914 Beginn des Weltkriegs
02.08.1934 Reichspräsident v. Hindenburg gestorben
27.08.1914 Beginn der Schlacht bei Tannenberg
01.09.1939 Deutscher Gegenangriff in Polen
03.09.1939 Kriegserklärung Englands und Frankreichs
15.09.1935 Hakenkreuzfahne Reichsflagge
09.10.1907 Horst Wessel in Bielefeld geboren
02.10.1847 Reichspräsident v. Hindenburg geboren
14.10.1933 Deutschland verlässt den Völkerbund
24.10.1648 Westfälischer Frieden
29.10.1897 Reichsminister Dr. Goebbels geb.
07.11.1938 Mordanschlag auf Ernst von Rath
09.11. Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung
09.11.1923 Marsch zur Feldherrnhalle München
20.12.1937 Ludendorff gestorben
26.12.1923 Dietrich Eckart gestorben
Noch ein Appell in eigener Sache:
Bitte werfen Sie auf keinen Fall irgendwelche Unterlagen zum »Dritten Reich« weg, sondern geben Sie diese an den Heimatverein! Der HVO verfügt nur über relativ wenig authentische Unterlagen, vor allem solche, die in Oberkochen »in Gebrauch« waren. Im Zuge einer möglichen Umplanung der Dokumentation der Geschichte Oberkochens im 20. Jahrhundert im Heimatmuseum im »Schillerhaus« ist mittelfristig, soweit rekonstruierbar, eine museale Darstellung zum »Dritten Reich« in Oberkochen geplant.