Quasi als Tost, da sie uns, wie zu erwar­ten war, am 1.12.88 nicht die frohe Botschaft des Landes­denk­mal­am­tes überbrin­gen konnte, daß in abseh­ba­rer Zeit eine Grabung »Steine im Kocher« (siehe Bericht Nr. 46 vom 9.12.88) durch­ge­führt werden wird, hatte Frau Dr. Arnold die LDA-Akte »Oberko­chen — Mittel­al­ter« mitge­bracht. Sie ist spärlich genug.

Höchst inter­es­sant, mögli­cher­wei­se auch im Zusam­men­hang mit den »Steinen im Kocher«, sind jedoch eine ganze Reihe von Hinwei­sen auf mittel­al­ter­li­che »Wüstun­gen und Ödungen« — das sind abgegan­ge­ne oder wie es auch heißt, aufge­las­se­ne, d. h. ab irgend­ei­nem Zeitpunkt nicht mehr bewohn­te oder benutz­te Wohnor­te, Weiler, Höfe, Gebäu­de usw.:

1. Aus einem diesbe­züg­li­chen wissen­schaft­li­chen Werk von Ingeborg Veith wird auf Seite 43 ff auf dem Zweren­berg im Jahr 1471 ein »unbebau­ter Weiler« genannt.

2. Es wird verwie­sen auf die Seiten 143/144 in der Oberamts­be­schrei­bung des Kreises Aalen von 1854, wo abgegan­ge­ne Wohnor­te in diesem Oberamt aufge­führt sind. — Auf Seite 144 wird ein Ort »Treis­bach« (?), mit Frage­zei­chen verse­hen, genannt, der unter »Oberko­chen« geführt wird. Unter diesem Hinweis befin­det sich der handschrift­li­che Vermerk »Dreißen­tal«. »Treis« oder »Dreis­sen« wurde von anderer Seite schon mit »drei Eisen« in Verbin­dung gebracht, was wieder­um auf kelti­sche Grabhü­gel hinwei­sen kann. — Zum »Dreißen­tal« ist mit Sicher­heit das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.

3. In einer weite­ren Zusam­men­fas­sung wird auf die Blätter des Schwä­bi­schen Albver­eins VII des Jahrgangs 1895, Seite 70, verwie­sen, wo außer dem »Stefans­wei­ler«, der lt. OAB (Oberamts­be­schrei­bung) damals bei Unter­ko­chen im Jahre 1441 genannt wird, zwei weite­re, mir bislang völlig unbekann­te Weiler als vormals auf unserer Gemar­kung befind­lich gewesen, aufge­führt sind, nämlich »Ottmanns­wel­ler« (oder Utzmanns­wei­ler?) und »Echmanns­wei­ler«. Diese beiden Weiler sind als »1471 abgegan­gen« bezeich­net. Ihre Lage ist bis heute nicht bekannt. Sollte irgend­je­mand einen Verdacht im Zusam­men­hang mit Gewann‑, Flur‑, Waldab­tei­lungs­na­men oder irgend­ei­ner, vielleicht heute nicht mehr benütz­ten Bezeich­nung eines bestimm­ten, vielleicht auch kleinen Gebiets auf unserer Gemar­kung haben, so bitten wir, dies einem Mitglied des Heimat­ver­eins mitzu­tei­len. In der erwähn­ten Aufzäh­lung von Wüstungs- und Ödungs­na­men in den Blättern des SAV von 1895 ist, lt. Angaben des LDA, eine »Siedlung« namens »Kreutz­heim« mit dem Querver­weis auf die 1845 erbau­te Kreuz­müh­le aufgeführt.

Dieser letzte Verweis ist für uns im Zusam­men­hang mit den »Steinen im Kocher« von außer­or­dent­lich großem Inter­es­se Weshalb?

Gesichert ist, daß der Weiler Stefans­wei­ler, am Fuß des Zweren­berg, bestan­den hat. Gesichert ist auch, wo der Weiler lag. Das Stefans­wei­ler Feld, Richtung Unter­ko­chen anschlie­ßend an das Weilfeld mit dem Römer­kel­ler, und die Stefans­wei­ler Mühle links an der alten Kreis­stra­ße K 3292 Richtung Unter­ko­chen bei der Talbrü­cke bestehen bis auf den heuti­gen Tag und erinnern an den abgegan­ge­nen Weiler.

Und nun taucht ein Siedlungs­na­me »Kreutz­heim« im Zusam­men­hang mit der Kreuz­müh­le auf. Was liegt nun näher als die Annah­me, daß auf der anderen linken Kocher­tal­sei­te im Bereich der Kreuz­müh­le und der Kreuz­wie­sen ein weite­rer mittel­al­ter­li­cher Weiler namens Kreutz­heim bestan­den haben könnte, von dem es heute keine Spuren mehr gibt. Die Positi­on der »Steine im Kocher« ist dicht bei den Kreuzwiesen.

Ich weise darauf hin, daß ich bereits in meinem Bericht zur Kreuz­müh­le in BuG vom 8.4.88 die Hypothe­se aufge­stellt habe, daß diese Mühle und ihr Stand­ort eine länge­re Tradi­ti­on haben, als die ihnen in der Oberamts­be­schrei­bung von 1854 zugestan­de­ne ab 1845: in der Baube­schrei­bung, die bei den Rathaus­ak­ten liegt, ist davon die Rede, daß der 1845 erfolg­te Neubau der Mühle teilwei­se auf alten Grund­mau­ern erfolgte.

Hier nochmals die Beschrei­bung dieser Gegend aus der Urkun­de von 1659: »… seind also von Ahlen den geraden Weg den Kocher zu rechten hand liegend lassend durch under­ko­chen zu denen Ruderi­bus (rudera = Trümmer­hau­fen, Schutt­hau­fen), da vor allten das glogg­haus oder ein Capel gestan­den haben solle, gerit­ten, u. befin­den sich viel grosse stein an einem Acker, aber daraus nit zu erken­nen, ob sie von einem gebau gewesen, den die Zeit solche mutiert (verän­dert), verderbt und zernich­tet. Von diesem stein­hau­fen eine große acker­län­ge liget ein stuck von einer bildsäul, dabey ein grosser markstein; ob es nun den glaid oder anderes bedeu­tet, hat uns in nachfrag niemand sagen können. Nechst bey dem stein ist die Furt, dadurch wir gerit­ten und zu oberko­chen übernacht geblieben . ..«

Wenn man diesen Bericht der beiden hohen Herren, die 1659 von Aalen kommend nach Oberko­chen ritten, aufmerk­sam liest, gelangt man zu folgen­den Erkenntnissen:

1. Der Beschrei­bung nach muß das erwähn­te »glogg­haus oder ein Capel« im Bereich der ab 1964 vom Kocher freige­schwemm­ten »Steine im Kocher«, von Aalen her gesehen einiges vor Oberko­chen gestan­den haben, und zwar mehr auf der, nun vom Kocherlauf her gesehen, linken Talsei­te, also auf der Seite der Kreuzmühle.

2. Von dort aus weiter ein gutes Stück kocher­auf­wärts Richtung Oberko­chen lagen damals »ein stuck von einer bildsäul« und ein »grosser markstein«.

3. Noch weiter Richtung Oberko­chen befand sich die Furt über den Kocher. Sie muß sich wohl irgend­wo zwischen Kreuz­müh­le und dem heuti­gen Brücken­bau­werk Nord befun­den haben. Es wäre für uns sehr hilfreich zu erfah­ren, ob sich ein Alt-Oberko­che­ner an eine Überlie­fe­rung erinnert, aus der hervor­geht, wo sich die Furt nun genau befand.

4. Die Positi­on der »Steine im Kocher« deutet nicht darauf hin, daß ein hier verwüs­te­tes Bauwerk — zumin­dest im erdna­hen Bereich aus riesi­gen Quadern gemau­ert — zu dem, spätes­tens im 30jährigen Krieg (1618 — 1648) unter­ge­gan­ge­nen Weiler »Stefans­wei­ler« gehört hat; zu weit in Richtung Zweren­berg und Langes Teich hatte jener gelegen, um im Zusam­men­hang mit dem »glogg­haus oder ein Capel« gestan­den haben zu können.

5. Auch das 1659 erwähn­te »stuck von einer bildsäul« paßt in diese Gegend — Kreutz­heim, Kreuz­wie­sen, Kreuz­müh­le — besser hinein, als nach Stefans­wei­ler, da es, von dort her gesehen, weit außer­halb einer Bebau­ung gelegen hatte. Bei meinen neuer­li­chen Nachfor­schun­gen stieß ich darauf, daß just im Anschluß an die »Kreuz­wie­sen«, bei den sogenann­ten »Unteren Wiesen«, zwei Wiesen liegen, die man die »Pfarr­wie­sen« nennt. Sicher kein Zufall, wenn sich dort mögli­cher­wei­se »ein glogg­haus oder Capel« befun­den hat.

Oberkochen

6. Fest steht darüber hinaus, daß an Furten häufig Orte entstan­den sind. Leider sind weite Flächen durch die Sport­an­la­gen überbaut.

Verblüf­fend erscheint ledig­lich, daß das doch wohl größe­re Bauwerk »Steine im Kocher« an der tiefs­ten Stelle des Tals lag, die mit Sicher­heit zuwei­len überschwemmt oder länger­fris­tig versumpft war. Nicht ohne Grund haben die Römer ihre Verbin­dungs­stra­ße von den Castel­len Heiden­heim (Aquile­ja) nach Aalen (Ala Secun­da Flavia) ein Stück über der Talsoh­le errich­tet. Das für »Kreutz­heim« in Frage kommen­de Terrain dürfte wohl auch nicht völlig aus der Überschwem­mungs­zo­ne heraus gelegen haben.

7. Inter­es­san­ter­wei­se werden weder »Kreutz­heim« noch »Stefans­wei­ler« in dem Bericht von 1659 erwähnt. Die beiden Weiler müssen demzu­fol­ge schon damals dem Erdbo­den gleich­ge­macht gewesen sein. Wenn es zutrifft, daß zumin­dest der Weiler »Stefans­wei­ler« erst wenige Jahre zuvor ausge­löscht wurde, so wurde »ganze Arbeit« geleistet.

Oberkochen

Zur Erinne­rung: Im Jahre 1634 schlu­gen die kaiser­li­chen Truppen die Schwe­den bei Nördlin­gen, die dadurch Süddeutsch­land verlo­ren. Es muß furcht­bar gewesen sein, damals. Um 1620 lebten in Oberko­chen ungefähr 500 Menschen. Nach dem 30jährigen Krieg, im Jahre 1648, war die Einwoh­ner­zahl Oberko­chens auf ca. 100 Perso­nen zurück­ge­gan­gen. Noch für das Jahr 1645, also 11 Jahre nach der Nieder­la­ge der Schwe­den in der Schlacht bei Nördlin­gen, steht geschrie­ben, daß plündern­de Schwe­den durchs Kocher­tal zogen, und unter anderem die erst wenige Jahre zuvor neu errich­te­te Kocher­burg (Unter­ko­chen) zerstör­ten. Es war wahrhaft kein Problem, ganze Ortschaf­ten dem Erdbo­den gleich zu machen, da die Häuser fast ausnahms­los aus Holz gebaut waren. Umso stärker fallen das aus Stein gebau­te »glogg­haus oder ein Capel« aus dem Rahmen, und unsere »Steine im Kocher«, ein Bauwerk von Rang und Bedeutung!

Übrigens gibt es im Salbuch des Amtes Kocher­burg von 1385 (Staats­ar­chiv Stutt­gart, S. 20) einen Hinweis darauf, daß »Stefans­wei­ler« schon oder schon einmal zu dieser Zeit, 1385, unbewohnt war. Dort heißt es: … »Ze Stephans­wei­ler der hof ist unbesetzt …« In dersel­ben Urkun­de heißt es, in Bezug auf den Stefans­wei­ler weiter: »… gehört je zu einem Drittel 2 Besit­zern in Oberko­chen (Swartz Hans und hans Widemann, und Kurnegg von Eysin (Essin­gen) …«

Ebenfalls in dieser Urkun­de von 1385 steht in Bezug auf den Zweren­berg, der in den Unter­la­gen des LDA mit dem Jahr 1471 als unbebau­ter Weiler genannt wird, folgen­de Bemer­kung: » Ze werden­berg ob stephans­wi­ler do sint wol sechs und drissig iuchart ackher wustend…«

Der Weiler »Ze werden­berg« — Zweren­berg — war demzu­fol­ge nicht erst, wie bei Ingeborg Veith aufge­führt, ab 1471 nicht mehr bewohnt oder bewirt­schaf­tet, sondern ist bereits 1385 als »wustend«, d. h. verödet, beschrie­ben — ganz im Gegen­satz zum Stefans­wei­ler, von dem es im alten Gült- und Rechts­buch von 1339 (ebenfalls im Staats­ar­chiv Stutt­gart) heißt (B. 385.E.1): » … Von dem hof ze steffen­wi­ler stat nun geschrie­ben: Der hof ze steffen­wi­ler gilt 3 Pfund heller und ainen schil­ling ze wihen­ach­ten ouch ainen ze ostern ond ainen ze pfings­ten …« Der Weiler wird hier ledig­lich als Hof bezeichnet.

Mit anderen Worten: Der Weiler »Stefans­wei­ler« — der Name deutet nach Ellwan­gen — heute auf Oberko­che­ner Gemar­kung gelegen, gehör­te, obwohl damals im Amt Kocher­burg (Unter­ko­chen) geführt, schon 1385 zu 2 Dritteln nach Oberko­chen und ist 1339, also 2 Jahre nach der ersten urkund­li­chen Erwäh­nung Oberko­chens im Jahre 1337, im Zusam­men­hang mit Zinser­trä­gen genannt. Er muß demzu­fol­ge zu dieser Zeit bewirt­schaf­tet gewesen sein, mögli­cher­wei­se, wenn er im Bereich der Quelle beim Römer­kel­ler nach der Vertrei­bung der Römer und der Zerstö­rung des Römer­kel­lers um die Mitte des 3. nachchrist­li­chen Jahrhun­derts im 4., 5. oder 6. Jahrhun­dert entstan­den ist, über einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren hinweg, oder mehr. Bis zu der Zeit, da er verbind­lich als verödet genannt wird, sind es ab der Nennung im Gült- und Rechts­buch von 1339 immer­hin noch mehr als 300 Jahre.

Im Gegen­satz zum Stefans­wei­ler, der spätes­tens ab der Mitte des 17. Jahrhun­derts endgül­tig »tot« ist, beginnt auf dem Zweren­berg im 18. Jahrhun­dert neues Leben: Im Oberko­che­ner katho­li­schen Gebur­ten­re­gis­ter ist im Jahr 1706 auf dem »Weren­fel­der Hau«, also auf dem Zweren­berg, eine Geburt verzeich­net. Es sind Köhler, die sich dort oben wieder zeitwei­se nieder­ge­las­sen haben. Die Holzkoh­le wurde über den Esels­weg herun­ter ins Tal gebracht. Der Esels­weg mündet übrigens am Unter­ko­che­ner Ende des Stefans­wei­ler Feldes in den Talweg. Oberhalb seiner Einmün­dung befand sich früher der sogenann­te Bettel­brun­nen. (Richtung Unter­ko­chen rechts an der Kreisstraße).

Ein letztes: Wie das »ze« von »ze werden­berg« zum »Z« von »Zweren­berg« wurde, ist leicht zu erklä­ren: Noch heute sagt man im Dialekt: Der wohnt z’Hoid­na, oder z’Aola, was »zu« = »in« Heiden­heim oder »zu« = »in« Aalen bedeu­tet. Man sagte demzu­fol­ge: Der wohnt z’weren­berg, also in Weren­berg. Daraus wurde Zwerenberg.

Unser erstes Foto zeigt die Kreuz­müh­le und den gesam­ten Bereich der Kreuz­wie­sen samt den Unteren Wiesen Richtung Unter­ko­chen. Von wann stammt das Foto?

Das zweite Foto zeigt von links nach rechts einen Mahlknecht der Kreuz­müh­le beim Beladen eines Pferde­ge­spanns. Der große stehen­de Mann mit der Gerte ist Albert Elser. In der Tür steht »Chef« Karl Elser. Von wann stammt dieses Foto?

Dietrich Bantel

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte