»Alte Bücher aus Oberko­che­ner Häusern«
Am 26. Juni wurde im Heimat­mu­se­um im »Schil­ler­haus« anläss­lich der Stadt­fest­wo­che die 10. Sonder­aus­stel­lung des Heimat­ver­eins Oberko­chen eröffnet.

Der Aufruf an die Oberko­che­ner Bürger war wieder­um sehr erfolg­reich. Von elf Leihge­bern kamen insge­samt 52 Bücher zusam­men, die in den Jahren zwischen 1518 und 1850 gedruckt wurden, und allesamt aus Oberko­che­ner Besitz stammen. Die Sonder­aus­stel­lung befin­det sich im Raum 8 des Heimat­mu­se­ums und ist dort bis zum Stadt­fest 2005 zu sehen. Beim ältes­ten Buch, das fast ein halbes Jahrtau­send alt ist, handelt es sich um ein kleines in samti­ges Rinds­le­der gebun­de­nes Büchlein mit den 1518 in Paris in latei­ni­scher Sprache gedruck­ten »Salomo­ni­schen Sprüchen« (Prover­bia Salomo­nis Impres­sum Parrhi­siy Anno Dni. mille­si­mo quinqen­te­si­mo decht­im octavo).

Auf einige beson­ders inter­es­san­te dieser alten Oberko­che­ner Bücher soll hier in verschie­de­nen Beiträ­gen einge­gan­gen werden.

Zum vorlie­gen­den Buch
Hand- und Reise­buch aus dem Jahre 1775
Das Buch, von dem heute die Rede ist, wurde im Jahr 1775 gedruckt. Es handelt sich um ein »Hand- und Reise­buch«, das für »für alle und jede in die Fremde ziehen­de Junge Perso­nen … (u.a.)« geschrie­ben wurde. Das Buch weist ein bemer­kens­wer­tes »Taschen­for­mat« auf, es ist 18 cm hoch und nur 8 cm breit, dabei ist es aber 6 cm dick.
Es besteht aus zwei Haupt­tei­len, nämlich einem »geist­li­chen« Teil über 567 Seiten und einem »politi­schen« Teil über 391 Seiten. Zusam­men mit einem Landkar­ten Anhang und Regis­tern hat das Buch also an die 1000 Seiten.

Oberkochen

Zum Inhalt des Buchs (gekürzt):
Unter­ab­tei­lun­gen zum »geist­li­chen« Teil sind:

1.) Pflich­ten, wie man sich gegen GOtt verhal­ten soll
2.) Tafel der Erkännt­niß eines wahren Chris­ten
3.) Episteln und Evange­lia
4.) christ­li­che Feste
5.) vom Gebet
6.) Lieder
7.) Refor­ma­ti­ons Histo­rie
8.) Von den fürnehms­ten Irrlehren..,

Unter­ab­tei­lun­gen zum »politi­schen« Teil sind:

1.) Unter­wei­sung, wie man sich mit den äußeren Gliedern des Körpers verhal­ten soll
2.) Unter­wei­sung, wie man sich gegen Hohe und Niede­re verhal­ten soll
3.) Wie sich ein junger Mensch gegen Frauen­zim­mer verhal­ten soll
4.) Nöthi­ge Regeln, die ein junger Mensch zu beobach­ten hat
5.) Unter­wei­sung zur Höflich­keit bey Tische
6.) Vom Verhal­ten auf der Reise
7.) Vom Schrei­ben, Rechnen und von der Buchhal­tung
8.) Die europäi­schen Länder
9.) Arzeney.Büchlein

Übertra­gung der Titelseite:

Ernst Fride­rich Zobels,
Notar. Caesar. Publ. &c
neu angerich­te­tes
Hand und Reise­buch,
Für alle und jede in die Fremde ziehen­de
Junge Perso­nen,
Sowol Kaufmanns Bedien­te, als auch andere
Künst­ler und Handwerks Gesel­len;
Darin­nen getreu­lich gewie­sen wird,
Wie ein derglei­chen junger Mensch seine
Wander­schaft nützlich antret­ten und
verrich­ten soll, dabey sich gegen GOtt, gegen alle
Menschen, auch gegen sich selbst, sowohl in als
ausser seiner Officin oder Werkstatt, und auf der
Reise, bis zu dessen Wieder­kunft und Verheyra­t­hung
auffüh­ren und verhal­ten soll, daß er hie zeitlich und
dort ewig glück­see­lig seyn möge.

In zwey Haupt­tei­le verfas­set,
Davon in dem ersten Theil von Geist­li­cher,
in dem anderen
aber von Politi­scher Auffüh­rung gehan­delt wird,
Deren Innhalt bey jedem Theil beson­ders voran
gedruckt zu finden ist.
Samt einer Vorre­de
Tit. Herrn Doct. Joh. Baltha­sar Bernholds,
s. Theol. & Graecae Linguae Prof. Publ. und der
Altdorf­i­schen Kirchen Gernei­ne Pasto­ris,
Mit Röm. Kaiserl. und Churfürstl. Sächsi­schen
aller­gnä­digs­te Privi­le­gi­is
Neues­te und vermehr­te Aufla­ge
Nürnberg, in Verle­gung
Joh. Andr. Enderis. Handlung 1775

Einige Textaus­zü­ge aus dem »geist­li­chen« Teil:

• Aus: Unter­richt, wer GOtt sey, nernlich ein Geist
Wilt Du dich gegen GOTT wohlge­fael­lig verhal­ten, und an Seel und Leib glueck­lich seyn, so mußt du zuvor erken­nen lernen, wer Gott seye, damit du an ihn glauben moegest. Er ist nemlich ein Geist, welcher von Ewigkeit her, aus sich selbst entspros­sen, der allei­ne allmaech­tig, allwis­send, gerecht, guetig, barmher­zig, allge­gen­waer­tig, unermeß­lich ist

• Aus: Tafel der Erkaennt­niß eines falschen Chris­ten (1−13)
Zum Dreyze­hen­den: Den sündli­chen und fleisch­li­chen boesen Lüsten wider­strebt er nicht, wehret auch den boesen Gedan­ken nicht, laesset sich seines Naechs­ten Gut gelues­ten, und trach­tet darnach. Des Naechs­ten Weib sicher er mit luester­nen Augen, aus einem ehebre­che­ri­schen Herzen; ist mißguens­tig, neidisch, und goennet nieman­dem sein Wohlerge­hen, Nach dem Himmel sehnet er sich wenig, oder wohl gar nicht, hat kein Verlan­gen nach dem ewigen Leben, und liebet die Eitel­keit der Welt, samt ihrer Wollust weit mehr als seinen Schoep­fer, der im Himmel wohnet.

• Aus: Regis­ter der Gebeter

Taegli­che Morgen und Abend Gebeter wie auch Gebeter zu Anfang und Ende der Wochen und Arbeit. Kirchen Gebeter. Gebeter auf die vornehms­ten Festta­ge, Buß und Beicht­ge­be­ter. Commu­ni­on Gebeter. Gebeter, welche ein junger Putsch, Kuenst­ler und Handwerks­ge­sell in geistl. u. leibl. Angele­gen­hei­ten gebrau­chen kann. Gebeter fuer Profeß­ion. Gebeter für Anlie­gen auf der Reise zu Wasser und Land, bey Krank­heit und Todes Noth. Gebeter nach vollbrach­ter Wander­schaft, wann ein Gesel­le sein Meister­stueck zu machen antritt. Gebeter zur Erwaeh­lung eines Ehege­mahls … u.a..

Einige Auszü­ge aus dem »politi­schen« Teil:

• Unter­wei­sung, wie man sich mit den aeussern Gliedern des Körpers verhal­ten soll.
Von den Ohren.
Deine Ohren reini­ge zuwei­len mit einem Ohr Loeffe­lein, welches du nebst einem Zahls­tie­rer stets bey dir haben sollst, nicht aber mit dem Finger oder sonst einem Werkzeug. Ohrrin­ge tragen will sich für einen modes­ten Menschen nicht wohl schicken.

Von der Nase.
Die Nase halte immer­zu reinlich und butze diesel­be zum oefte­ren, vermit­telst eines Schnupf­tuchs, und ja nicht mit den Fingern, damit der Unrath auf die Erde falle, woran alsobal­den ungeschlif­fe­ne grobe Leute zu erken­nen sind. Nimm auch hiezu nicht dein Kleid oder Ermel, wie viel saeuische Leute gewohnet sind. … Grable nicht mit den Fingern in den Nasen­loe­chern, noch weniger ziehe damit einen Unrath heraus, womit den Leuten ein grosser Eckel verur­sa­chet wuerde…

Vom Abschla­gen des Wassers und anderen Leibes­no­th­duerf­tig­kei­ten.
Die Hollaen­der, auch sonst verschie­de­ne Leute, machen sich zwar nichts draus, wann sie ein Wind plaget, solchen laut in Gegen­wart anderer Leute strei­chen zu lassen, welche das Sprich­wort haben: »Es ist baeter in de wiete Welt as in de enge Bueyck.«

Es lobe aber solches wer da will, oder defend­ire es so ist es nicht schoen… obzwar nicht zu laeug­nen, daß das Verber­gen ungesund ist, so wird doch ein hoefli­cher Mensch Abwege finden koennen, derglei­chen Gefan­ge­ne heimlich zu entle­di­gen. So dir unver­se­hens ein solcher Gast ankäme, den du nimmer abwei­sen könntest, so blase nur die stinken­de Luft über sich in die Höhe, so wird es niemand von den Anwesen­den gewahr werden.

• Auszü­ge aus einer langen Abhand­lung, wie sich junge Purschen, Künst­ler oder Handwerks­ge­sel­len gegen Frauen­zim­mer verhal­ten sollen

Kurzes Compli­ment, wenn man neben ein Frauen­zim­mer zu sitzen kommt:
Mademoi­sel­le, ich schaet­ze mich glueck­lich, daß ich von jetzo die Ehre genies­se, Sie hier vergnuegt zu sehen, und aus dero angeneh­men Discour­sen zu profi­ti­ren. Ich will mich also in Dero gütiges Wohlwol­len ferner­hin empfehlen…

Ferner gibt es ausführ­li­che Tips zu:
• Dem Frauen­zim­mer soll man die Zeit verkür­zen,
• Was man mit Frauen­zim­mern discour­i­ren soll.
• Von was man mit ledigen Frauens­per­so­nen reden koenn­te.
• Was bey verehe­lich­ten Frauens­per­so­nen sich zu reden schicker.
• Was man bey betag­ten Matro­nen reden moege.
• Grobe und zweydeu­ti­ge Reden soll man meiden.
• Wie man das Frauen­zim­mer bey der Hand führen soll.
• Wie ein Frauen­zim­mer in eine Stube oder Gemach zu führen.
• Vieler­ley Taenze zu lernen ist überfluessig.

• Wie man den Herrn eines Frauen­zim­mers um Erlaub­nis bittet, wenn man dessen Frauen­zim­mer zum Tanze bitten moech­te:
»Mein Herr! Ich nehme mir die Freyheit, Sie um Erlaub­niß zu bitten, daß ich mit dero werthes­ten Jungfer (Mademoi­sel­le) N einen Tanz thun doerfe. Sollte ich Sie aber dadurch an ihrem Discours stören, so bitte ich, meine Freyheit guetig zu excusiren.

• Vom Verhal­ten eines jungen Mannes, wann er heyra­ten will.
Wie man den Braut Vatter anreden soll:
Hochge­ehr­ter Herr! Demsel­ben kann nicht laenger verhal­ten, daß ich meinen jetzi­gen Stand zu veraen­dern geden­ke, und mit GOtt entschlos­sen bin, meine eigene Haushal­tung anzustel­len, worzu ich vornem­lieb eine getreue Gattin noethig habe. Da ich nun zu dero Jungfer Tocher N. wegen ihrer beson­de­ren Tugen­den, eine herzli­che Neigung trage, und mich glueck­lich schaet­zen wuerde, wenn ich selbi­ge zu meiner kuenf­ti­gen Genos­sin bekom­men koenn­te: So habe mir die Freyheit genom­men, meinen Hochge­ehr­ten Herrn um gueti­ge Einwil­li­gung zu dieser Heyrath gehors­amt zu ersuchen; wobey ich versi­che­re, daß ich mich gegen die Jungfer Tochter so verhal­ten werde, wie einem getreu­en Ehe Gatten zuste­het, und mein Hochge­ehr­ter Herr jeder­zeit ein sattsa­mes Vergnü­gen daran haben können…

Oberkochen

Aus dem Arzen­ey Buechlein

• Noch ein bewähr­tes Mittel für die Schwind­sucht
Siede in des Patien­ten Urin ein Ey und lege es geschält in einen Ameisen­hau­fen, die Schalen auch darzu: Wann die Ameisen das Ey gefres­sen, so wird der Patient wieder gesund.

• Mittel wider unnatür­li­che Liebe, so einem zu Zeiten von losen Huren gemacht wird:
Ziehe ein paar neue Schuh an die blossen Fuesse, laufe damit eine Meile des Wegs oder weiter, daß die Fuesse wohl schwit­zen. Hernach ziehe den rechten Schuh aus, geuß Wein oder Bier darein, thue daraus einen Trunk, so wirst du der unnatür­lich gelieb­ten Person von Stund an gram.
Solches geschie­het auch, wenn man sich mit einem Todten­zahn beräuchert.

• Für die Warzen:
In der Stunde da der Mond neu wird, reibe eine jede Warze mit einer beson­de­ren Erbse; thue hernach diesel­ben Erbsen in ein Tuech­lein binden, und wirf sie hinter sich zurück hinweg, so verge­hen sie und fallen ab. Solches geschie­het auch wenn man bey abneh­men­dem Mond die Warzen mit ungesal­ze­nem Speck reibet, und solchen hernach in Mist, oder unter einer Dachtripf vergrae­bet, daß er bald verfau­let. Desglei­chen verge­hen sie, wenn jede Warze mit einem beson­de­ren Knopf eines Stroh­halms, so man ohnge­fehr auf der Misten findet, reibet, und wirft das Stroh wieder auf den Mist, daß es verfault, welches an viel 100 Menschen probi­ret worden.

Zusam­men­ge­stellt und übertra­gen von Dietrich Bantel

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