Am 21. Febru­ar 1867 war wie berich­tet der Oberko­che­ner katho­li­sche Pfarrer Carl Wilhelm Desal­ler überra­schend gestor­ben. Er war seiner Gemein­de nicht nur ein allseits belieb­ter Pries­ter und Seelsor­ger gewesen, sondern hatte sich nach den revolu­tio­nä­ren Ereig­nis­sen der Jahre 1848/49 als Politi­ker profi­liert und war weit über Oberko­chen hinaus geschätz­ter Publi­zist gewesen.
Zu diesen drei »P« nun einige Einzelheiten.

DER PRIESTER DESALLER
Aus dem württem­ber­gi­schen Heer in Ehren verab­schie­det hatten die Eltern Desal­lers ca. 1817 die Mesner­stel­le an der Wallfahrts­kir­che Kloster Weggen­tal bei Rotten­burg angenom­men. Hier wurde der junge Desal­ler als Minis­trant in gottes­dienst­li­che Prakti­ken einge­führt, was dazu beigetra­gen haben mag, später den Beruf eines Geist­li­chen zu ergrei­fen. Mit 16 Jahren fand Carl Wilhelm Aufnah­me im Ehinger Konvikt und wurde nach der Schul­zeit Student der Theolo­gie in Tübin­gen. 1838 in Rotten­burg zum Pries­ter geweiht, wurden ihm persön­lich zugespro­che­ne Worte des Domka­pi­tu­lars Leitspruch für sein weite­res Leben: »Betrach­ten Sie sich als Vorste­her einer Gemein­de als Diener aller, verwei­len Sie gerne in der Mitte der Kinder, nehmen Sie sich der Verlas­se­nen, Bedräng­ten und Armen an«.

Als Jugend­li­cher und Student war Desal­ler körper­lich schwach und konnte kaum aufrecht gehen. Dennoch nahm er als Vikar seinen Dienst ernst und erhielt die Beurtei­lung, »nicht nur zum Kirchen und Schul­dienst sehr eifrig zu sein, sondern auch im Umgang beschei­den und standes­ge­mäß«. Im Jahr 1842 wurde ihm seine erste eigene Pfarr­stel­le in Kolbin­gen übertra­gen. Und hier ereig­ne­te sich, wie er selbst berich­tet, ein Wunder: »Mein Körper kräftig­te sich, ich konnte plötz­lich aufrecht gehen«. Anfangs 1846 bewarb sich Carl Wilhelm Desal­ler um die Oberko­che­ner Pfarr­stel­le. Warum er dies tat, ist nicht berich­tet. Mag sein, dass er die oberschwä­bischn Patro­nats­stel­len unter steter Aufsicht der Standes­her­ren gegen eine tatsäch­lich selbst­stän­di­ge Pfarrei eintau­schen wollte, vielleicht reizte ihn aber auch die Oberko­che­ner konfes­sio­nel­le Situa­ti­on, als direk­tes Gegen­über einen evange­li­schen Pfarrei und dessen Gemein­de zu haben.

Desal­lers Inves­ti­tur in Oberko­chen fand am 6. Juni 1846 statt, ohne dass darüber in der Presse berich­tet worden wäre. Evange­li­scher Kolle­ge war bei seinem Amtsan­tritt auch ein Carl Wilhelm mit Nachna­men Valet, dem 1848 Fried­rich Römer und 1851 Fried­rich Wilhelm Dürr folgten. Die Pfarrer schei­nen sich gegen­sei­tig geach­tet zu haben. Bemerkt doch Pfarrer Römer in seiner Chronik: »Das Verhält­nis beider Konfes­sio­nen ist seit einer Reihe von Jahren ein äußer­lich friedliches«.

Als Pfarrer oblag Desal­ler auch Sorge und Aufsicht über die katho­li­sche Schule, deren bauli­cher Zustand ihm Sorge berei­te­te, deren generel­le Erneue­rung an den Finan­zen schei­ter­te. Dagegen konnte er im Jahr 1856 den neuen katho­li­schen Fried­hof an der Bahnli­nie seiner Bestim­mung überge­ben. Leider sind von Pfarrer Desal­ler keine Predig­ten erhal­ten. Jedoch wird er als geist­vol­ler Predi­ger und guter, verständ­nis­vol­ler Seelsor­ger beschrie­ben, der von seinen Gemein­de­glie­dern geach­tet wurde, dem sie als ihrem belieb­ten Pfarrer auch seinen Abste­cher in die Politik und den damit verbun­de­nen Zeit und Kraft­auf­wand mit Geduld nachsahen.

Ehe nun Carl Wilhelm Desal­ler als Politi­ker gewür­digt wird, muss auf die damali­ge Stellung eines Pfarrers zum Staat einge­gan­gen werden. Pfarrer mussten wie alle anderen Beamten den Dienst­eid auf den König ablegen. Als Vikar in Wolperts­wen­de musste er deshalb am 18. Oktober 1839 vor dem Dekan in Ravens­burg erschei­nen und »bei seiner Pries­ter­wür­de Kraft eines Eides« geloben: »Ich Endes­un­ter­zeich­ne­ter gelobe, dem aller­durch­lauch­tigs­ten Könige Wilhelm von Württem­berg, ineinem aller­gnä­digs­ten Herrn, getreu und hold zu seyn… an keinen Zusam­men­künf­ten, Anschlä­gen oder Handlun­gen Theil zu nehmen, die zum Schaden gerei­chen und die öffent­li­che Ordnung und Ruhe stören könnten; vielmehr, wofern mir etwas von dieser Art zur Kennt­nis gelan­gen wurde, hiervon ungesäumt Anzei­ge zu machen… die Staats­ge­set­ze und Verord­nun­gen auf das Pünkt­lichs­te zu befol­gen, zugleich der Pfarr­ge­mein­de Ehrfurcht und Gehor­sam gegen diesel­ben einzuflößen… «

DER POLITIKER DESALLER
Carl Wilhelm Desal­ler hatte zwar nicht eines Tages beschlos­sen, Politi­ker zu werden, sondern die politi­schen Ereig­nis­se als Folge der auch nach Deutsch­land überschwap­pen­den franzö­si­schen Revolu­ti­on von 1848 sprachen seine histo­ri­schen Inter­es­sen beson­ders an, und so engagier­te er sich auch politisch:

Neben Kirche und Religi­on galt Desal­lers Inter­es­se schon als Schüler und Student der Geschich­te und histo­ri­schen Zusam­men­hän­gen. Mitstu­den­ten nannten ihn »Beobach­ter«, weil er meist eine Zeitung bei sich führte, um seine Umgebung mit politi­scher Kost zu infor­mie­ren. Als junger Pfarrer beein­druck­te ihn »ein berühm­ter Flücht­ling«, dessen Bekannt­schaft er auf dem über dem Boden­see gelege­nen Schlöss­chen Arenen­berg machte, und der kein gerin­ge­rer als der späte­re Napole­on III. war.

Desal­ler sah in seinen Gemein­de­glie­dern nicht nur »Schäf­chen«, die er auf den rechten Weg zu bringen hatte, sondern Menschen, die oft hart nur ihre Existenz zu ringen hatten. Denn Oberko­chen war nicht mit natür­li­chen Gütern, guten Boden und Klima­ver­hält­nis­sen geseg­net. Doch war der Oberko­che­ner Pfarrer durch­aus der Meinung, »dass sich die Menschen dort durch Betrieb­sam­keit und Fleiß auszeich­ne­ten«, weshalb er ihnen auch mit »weltli­chem« Rat beiste­hen wollte.

Volkmar Schrenk

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