Durch einen Hinweis von Herrn Josef Bauer wurde ich darauf aufmerk­sam, daß im Kocher etwa auf Höhe der Kläran­la­ge einige große behaue­ne Steine liegen, die mögli­cher­wei­se zu einer Mauer gehören, die sich ins Ufer hineinzieht.

Im Bereich der Fundstel­le wurde in der ersten Hälfte der 60-er Jahre viel aufge­füllt; — die uns 1971 von der Firma Carl Zeiss zur Verfü­gung gestell­te Luftauf­nah­me aus dem Jahr 1964 zeigt durch den hellen Rand bei Pfeil (1) die seiner­zei­ti­ge Grenze des aufge­füll­ten Gelän­des. Zuvor war ein Kocher­mä­an­der unmit­tel­bar vor der Fundstel­le (1) begra­digt worden. Die durch die Kocher­be­gra­di­gung später überschwemm­te Fläche war ursprüng­lich eine Wiese gewesen. Von den behaue­nen Steinen war vor 1964 nichts zu sehen, — sie waren überwachsen.

Anläß­lich der erwähn­ten Begra­di­gung an dieser Stelle wurde das ursprüng­li­che Kocher­bett am Beginn des Mäanders zugeschüt­tet. An der Stelle, von der aus der Kocher, den Mäander­bo­gen in gerader Linie abkür­zend, über das Wiesen­ge­län­de laufen sollte, wurde ledig­lich die Grasschicht abgeho­ben. Den Rest besorg­te der Kocher im Lauf der Zeit selbst.

Anfäng­lich war Herrn Bauer aufge­fal­len, daß hinter der Stelle, an der dann im Lauf der Jahre die Steine vom Kocher freige­spült wurden, vom Wasser ein tiefer »Gumpen« ausge­hölt wurde. Seine erstaun­li­che Tiefe gibt Herr Bauer mit 2 bis 3 Meter an. Kleine schot­ter­ähn­li­che Steine seien in diesem Gumpen gelegen, — kein Materi­al, das hierher passte. Irgend­wann haben dann im Kocher oberhalb des ausge­spül­ten Gumpen die großen Steine heraus­ge­schaut. Sie seien ursprüng­lich waagrecht im Wasser gelegen. Mit der Zeit habe sie der Kocher unter­spült, sodaß sie kocher­ab­wärts gekippt sind. Heute wirken sie, bei hohem Wasser­stand, (wie am 9.10.88 und am 1.12.88) wie ein kleines Wehr.

Es sieht so aus, als ob im Kocher­bett drei dieser großen Steine, die einen Querschnitt von ungefähr 55 cm und die beacht­li­che Länge von 73, 80 und 90 cm (!) aufwei­sen, liegen. Im rechten Koche­ru­fer ist ein vierter Stein vom Ufer her betret­bar. Unter ihm liegt ein fünfter teilwei­se im Wasser. Der vierte und der fünfte Stein befin­den sich in Origi­nal­po­si­ti­on und im Origi­nal­ver­bund. Es ist nicht auszu­schlie­ßen, daß die »Mauer« sich vom rechten Koche­ru­fer weg ins Gelän­de fortsetzt.

Am gegen­über­lie­gen­den Koche­ru­fer liegen ebenfalls größe­re Steine. Die beschrie­be­nen im Wasser und im rechten Ufer liegen­den Steine weisen allesamt 5 eben behaue­ne Seiten, kocher­ab­wärts jedoch eine sechs­te nur außer­or­dent­lich grob behaue­ne Seite auf. Solcher­art behaue­ne Stein­qua­der nennt man »Buckel­qua­der«; sie sind für die Zeit des hohen und späten Mittel­al­ters typisch. Vor allem zur Zeit der Staufer (12. und 13. Jahrhun­dert) wurden sie gerne verwen­det (staufi­sche Buckelquader).

Am 1.12.1988 statte­te Frau Dr. Arnold, beim Landes­denk­mal­amt Stutt­gart für das Mittel­al­ter zustän­dig, der Fundstel­le einen Besuch ab, konnte sich jedoch, wie erwar­tet, nicht weiter äußern, da, um die Quader zeitlich einzu­ord­nen, eine Grabung notwen­dig wäre. Eine Grabung jedoch ist aus später angeführ­ten Gründen zur Zeit nicht möglich. Frau Dr. Arnold wollte aber keines­falls ausschlie­ßen, daß die Quader tatsäch­lich mittel­al­ter­li­chen Ursprungs sind. Es wird ein Fundver­merk beim LDA aufgenommen.

Nun stellt sich die Frage, wie in aller Welt jene behaue­nen Riesen­klöt­ze an diese Stelle gekom­men sind, — um was für eine Sorte von Gebäu­de es sich gehan­delt haben mag, wann es errich­tet, welchem Zweck es gedient, und wann es zur Ruine, weitest­ge­hend abgetra­gen und dann verges­sen wurde.

Im Jahre 1971 habe ich mir anläß­lich meiner Nachfor­schun­gen zum Weilfeld — Römer­kel­ler, und zu dem im 30-jähri­gen Krieg abgegan­ge­nen Weiler »Stephans­wei­ler« eine Reihe von Notizen gemacht, die ich aus älteren Unter­la­gen zusam­men­ge­tra­gen hatte, und die nun mögli­cher­wei­se einen Sinn ergeben.

In einer Urkun­de Kaiser Sigis­munds vom 14.8.1419 über die Grenzen und das ötting­i­sche Geleit­recht ist in oder bei Oberko­chen »das glogg­haus« erwähnt. Ebendie­ses »glogg­haus« taucht in einer Urkun­de, die genau 240 Jahre später, nämlich im Jahre 1659 erstellt ist, wieder auf:

Anläß­lich eines Rechts­streits über ein Glaid (Geleit­recht) kamen 1659 zwei Abgeord­ne­te von Kirch­heim nach Oberko­chen, um sich an Ort und Stelle ein Bild zu verschaf­fen. In der Beschrei­bung heißt es:

».…seind also von Ahlen den geraden Weg den Kocher zu rechten hand liegend lassend durch under­ko­chen zu denen Ruderi­bus (»rudera« ist ein veral­te­tes Wort für »Schutt­hau­fen« oder »Trümmer­hau­fen« (D.B.)), da vor allten das gloggen­haus oder ein Capel gestan­den haben solle, gerit­ten, und befin­den sich viel grosse stein an einem Acker, aber daraus nit zu erken­nen, ob sie von einem gebau gewesen, den die Zeit solche mutiert (verän­dert (D.B.)), verderbt und zernich­tet. Von diesem stein­hauf­fen eine große acker­län­ge liget ein stuck von einer bildsäul, dabey ein grosser markstein; ob es nun den glaid oder anderes bedeu­tet, hat uns in nachfrag niemand sagen können. Nechst bey dem stein ist die Furt, dadurch wir gerit­ten und zu oberko­chen übernacht geblieben .…«

Diese von Pfarrer Tritt­ler getätig­ten Auszü­ge aus der Urkun­de von 1659 hatte ich 1971 von Fräulein Martha Gold, auf dem Rathaus Oberko­chen beschäf­tigt, erhalten.

Die von Herrn Bauer entdeck­ten großen behaue­nen Steine kannte bis 1964 in Oberko­chen niemand, — sie befan­den sich bis dahin unter dem damali­gen Geländeniveau.

Es mag kühn klingen, — jedoch scheint es mir zumin­dest nicht abwegig, diese Steine mit dem bereits 1419 erwähn­ten »glogg­haus«, von dem im Jahr 1659 offen­bar nur noch die »rudera« (»denen Ruderi­bus«) übrig geblie­ben waren, in Verbin­dung zu bringen. Das Gebäu­de mag im Zusam­men­hang mit der mögli­cher­wei­se im 30-jähri­gen Krieg erfolg­ten Zerstö­rung oder Auflö­sung des Ortes »Stephans­wei­ler« in Trümmer gegan­gen sein.

(In dem Werk »Das König­reich Württem­berg« von 1906 heißt es klar, daß der Stefans­wei­ler im 30-jähri­gen Krieg abgegan­gen ist).

Nun ist es nicht Aufga­be eines Heimat­ver­eins, ausschließ­lich ins eigene Haus zu denken. So sehr es vielen Oberko­che­nern unter den Nägeln brennt, heraus­zu­fin­den, wie es sich nun mit dem Römer­kel­ler, mit dem Weilfeld, mit dem Stefans­wei­ler, mit dem »glogg­haus«, und mit den »Steinen im Kocher« genau verhält, so sehr müssen wir aus überge­ord­ne­ter Sicht verste­hen, daß es gute Gründe dafür gibt, daß es derzeit nicht möglich ist, hier einfach zu sagen: das Landes­denk­mal­amt soll eine Grabung durch­füh­ren, daß wir unserer Geschich­te etwas näher kommen, — noch viel weniger zu sagen: Ärmel rauf, — wir buddeln nun. — selbst ist der Mann.

Abgese­hen davon, daß das LDA bei weitem nicht die Mittel zur Verfü­gung hat, wenigs­tens alle Notgra­bun­gen, das sind Grabun­gen, die durch aktuel­le Verän­de­run­gen wie Neubau­ten, Straßen­bau u.ä. notwen­dig werden, bis ins Letzte korrekt durch­zu­füh­ren, gibt es eine Reihe von anderen Gründen, die dafür sprechen, daß nicht jeder Fundmel­dung umgehend nachge­gan­gen werden muß und kann.

1) Das LDA stellt sich — und das ist nicht zu wider­le­gen — auf den Stand­punkt: Was im Boden drin ist, ist dort am besten konser­viert. Beispiel: Wären die Mauern des Römer­kel­lers noch heute im Boden, so könnten noch heute Verputz, künst­li­ches Fugen­werk u.a. unver­sehrt vorge­fun­den werden. Beides ist inzwi­schen abver­wit­tert und nur noch fotogra­fisch beleg­bar. Auch käme es nicht vor, daß Vanda­len Steine aus dem Mauer­ver­bund heraus­lö­sen. Touris­ten schre­cken bekannt­lich nicht davor zurück, Pflas­ter­stei­ne aus der Via Appia auszu­bud­deln, in Nacht- und Nebel­ak­tio­nen, um sie als »Souve­ni­er« mit nach Hause zu nehmen.

Auch die Witte­rung tut weite­res dazu, um Ausge­gra­be­nes mit der Zeit zu zerstö­ren. D.h.: Freige­leg­tes muß gepflegt werden. Pflege verur­sacht Kosten, an denen meist gespart wird.

2) Die Grabungs­me­tho­den verbes­sern sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Was heute nicht ausge­gra­ben wird, kann in beispiels­wei­se 20 Jahren mit wesent­lich besse­ren wissen­schaft­li­chen Resul­ta­ten ausge­gra­ben werden, — zum Nutzen auch der Betrof­fe­nen. Hier heißt es »Geduld« zu haben im Inter­es­se unserer Nachfahren.

3) Das LDA ist mit Notgra­bun­gen derma­ßen einge­deckt, daß es nicht­ein­mal die laufen­den Not-Grabun­gen inten­siv durch­füh­ren kann. Auch fehlen wie gesagt die Mittel. Die 1980 in Oberko­chen anläß­lich der Alaman­nen­gra­bung gebor­ge­nen Funde ruhen bis auf den heuti­gen Tag in den Kühlschrän­ken des LDA und warten auf ihre Auswer­tung und Präparierung.

Frau Dr. Arnold erklär­te sehr bildhaft, daß d. LDA darauf angewie­sen ist, die Kühlräu­me ständig zu erwei­tern, weil das billi­ger und mögli­cher ist, als die Funde aufzu­ar­bei­ten. So werden die gelager­ten Rückstän­de aufgrund einer schwer einseh­ba­ren Finanz­ideo­lo­gie des Landes immer größer. Leider.

4) Unseren Nachfah­ren sollen wir schließ­lich auch noch was zum Graben übrig lassen. Nicht alles schnell schnell, und halb, und oftmals auch schlecht ergra­ben, — sondern gelegent­lich auch gedul­dig in die Zukunft schau­en. Mit anderen Worten: Die »Steine im Kocher« schwim­men nicht davon, und was im Boden versteckt liegt, liegt dort am besten.

So »bitter« das für uns im Moment klingen mag: es bleibt bei Speku­la­tio­nen. Auch schön. Vielleicht heißt es eines Tages: »Die Steine im Kocher« von 1964/1988 stammen von irgend einer unbedeu­ten­den neueren Brücke .… Unwahr­schein­lich, — aber so können wir uns jetzt doch immer­hin vorstel­len, daß wir das 1419 erwähn­te »glogg­haus« gefun­den haben.

Zu einer echten Infor­ma­ti­on gehört noch der Hinweis, daß jegli­cher Fund melde­pflich­tig ist, und, daß auf eigen­mäch­ti­ges Graben sehr hohe Strafen, bis zu 5‑stellige Geldbe­trä­ge, stehen. Mit Recht.

Dietrich Bantel

Oberkochen

Foto: Carl Zeiss
Fotogram­me­tri­sches Labora­to­ri­um
vom 28.8.1964, 11.35 Uhr
Freige­ge­ben durch das Innen­mi­nis­te­ri­um Baden-Württem­berg 31/106 vom 1.10.1964

Legen­de zu der Luftauf­nah­me, die aus ca. 3000 m Höhe gemacht wurde:

0) Fußweg Kreuz­müh­le, Kläran­la­ge, Unter­ko­chen — im Zuge der alten Römer­stra­ße, die vom Römer­kas­tell Aquile­ja (Heiden­heim) durch Oberko­chen zum Reiter­kas­tell Ala Secun­da Flavia (Aalen) führte.

1) Fundstel­le »Steine im Kocher«. Die durch die im Wasser liegen­den Steine entstan­de­ne Engstel­le und die damals große gumpen­ar­ti­ge Auswa­schung kocher­ab­wärts unmit­tel­bar dahin­ter sind im Foto erkenn­bar, — außer­dem der helle Rand der frischen Auffüllungen.

2) Pfeil 2 zeigt in der Richtung, auf der im Origi­nal­fo­to eine nach rechts im Bogen auf das Weilfeld zuzie­hen­de Spur erkenn­bar ist, die als altes Bachbett des Erlen- oder Edlen­bachs, oder, wahrschein­li­cher, als überwirt­schaf­te­te Verbin­dungs­stra­ße von der Römer­stra­ße übers Tal zum Römer­kel­ler (sprich römischer Gutshof?) gedeu­tet werden kann. Kein Beleg. Das Gelän­de ist zwischen­zeit­lich aufge­füllt, — die Spur verwischt.

3) Hartplatz und Stadi­on; links davon Neubau Lebzel­ter sen.

4) Alte B 19, — heute Kreis­stra­ße K 3292

5) Esels­weg. Die Bezeich­nung deutet darauf hin, daß auf diesem Weg zu Zeiten des Oberko­che­ner Hochofen­be­triebs an der Kocher­quel­le, und später, Holzkoh­le auch vom Zweren­berg, auf dem eine kleine Siedlung nachge­wie­sen ist, nach Oberko­chen gebracht wurde.

6) Die helle Verfär­bung, auf die Pfeil 6 zuweist, zeigt in der Luftauf­nah­me von 1964 deutlich die Positi­on des Römer­kel­lers, der erst 7 Jahre später freige­legt wurde. Entdeckt wurde er 1964 nicht, weil die Aufnah­me nicht luftar­chäo­lo­gisch ausge­wer­tet wurde.

7) Baustel­le für das Überfüh­rungs­bau­werk der neuen über die alte B 19

8) Ebnater Steige. Gegen­über heute die Gärtne­rei Vollmer. In diesem Bereich befin­det sich die Quelle des Erlen- oder Edlen­bach, der schon in vorrö­mi­scher Zeit zum Siedeln einlud: unter den kerami­schen Scher­ben, die 1971 im Bereich des Römer­kel­lers gefun­den wurden, befand sie auch sogenann­te »la Téne«-zeitliche, also vorrö­mi­sche Ware.

9) Firma Peters­hans und Betzler

10) Garten­grund­stück Muckenhaupt.

Der gesam­te Bereich zwischen Esels­weg (5) und Ebnater Steige (8) weist im Foto helle Verfär­bun­gen und Flecken auf, die nach Aussa­ge von Dr. Planck vom Landes­denk­mal­amt in Stutt­gart, der die Aufnah­me im Jahr 1971 sah, darauf hinwei­sen, daß hier tatsäch­lich mit größter Wahrschein­lich­keit eine abgegan­ge­ne Siedlung vermu­tet werden darf, — allem nach der »verlo­ren« gegan­ge­ne Weiler »Stephans­wei­ler«, auf den heute noch der Flurna­me »Stephans­wei­ler Feld«, und die »Stephans­wei­ler Mühle« kocher­ab­wärts auf Unter­ko­che­ner Gemar­kung gelegen, hinweisen.

Das gesam­te Gebiet liegt in der Wasser­schutz­zo­ne der Stadt Aalen. Außer­dem werden seitens des Landes­denk­mal­am­tes gegen weite­re Unter­su­chun­gen auch hier diesel­ben Argumen­te geltend gemacht, die im Zusam­men­hang mit den »Steinen im Kocher« angeführt werden.

Wir werden hierüber in unserem nächs­ten Bericht (BuG v. 16.12.1988, — Bericht Nr. 47) berich­ten Der Bericht 47 wird sich im übrigen mit einer Reihe von abgegan­ge­nen und verges­se­nen Orten, Weilern, Höfen und Kleinst­sied­lun­gen auf Oberko­che­ner Gemar­kung beschäftigen.

Dietrich Bantel

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte