Im Namen des Königs,
so lautete damals die Eingangsfloskel bei Gerichtsurteilen. Nun war aber die vom »K. Gerichtshof für den Jagstkreis in Ellwangen« am 3. Januar 1862 veröffentlichte Bekanntmachung erst eine Anklage, die aber, weil der Täter geflohen war, öffentlich zugestellt werden musste, und dieser war der »vormalige Revierförster Johann K. von Oberkochen«. Er war in den Anklagezustand versetzt und mit Zuchthaus bedroht wegen gewerbsmäßig verübten Betrugs, Fälschung von privaten und öffentlichen Urkunden und Täuschung bei Amtshandlungen«, eine beachtliche Aufzählung von Delikten, die den Forstmann zum Untertauchen veranlasst hatte. Doch dem flüchtigen Oberkochener Förster wurden nun bildlich gesprochen noch schärfere Daumenschrauben angelegt. Mit Bezug auf ein Gesetz aus dem Jahr 1849 wurde »das Vermögen des Johann K. mit Beschlag belegt und ihm jede gerichtliche Geltendmachung von Rechten auf dem Weg der Klage, sowie jede Ausübung seiner bürgerlichen Rechte untersagt«. Nun aber hatte die Justiz den Aufenthaltsort Ludwigsburg seiner Frau ausmachen können. Deshalb wurde die Anklage öffentlich im »Staatsanzeiger für Württemberg« und im »Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Aalen«, ausgesprochen mit der Aufforderung an den Untergetauchten, sich zur Haft zu stellen.
Da der Gesuchte sich aber nicht meldete, machte die Ellwanger Justiz kurzen Prozess, überspielte am 14. März 1862 die Alte Ganovenweisheit, wonach »die Nürnberger keinen hängen, sie hätte ihn denn wiederum »Im Namen des Königs« und verkündete, »der Angeklagte wird wegen gewerbsmäßig verübten Betrugs zu einer Zuchthausstrafe von 10 Jahren sowie zur Tragung sämtlicher Kosten des Verfahrens verurteilt«.
Wagen wir im Folgenden einmal einen Blick über die eigene Kirchturmspitze hinaus, denn am 22. Juni 1862 sollte in Ebnat ein wohl einmaliges Spektakulum stattfinden, zu dem bestimmt auch Oberkochener kommen würden.
Großes Hunderennen
Als Veranstalter hatte der Aalener »Verein für Hunderennen und Schifferstechen« die Einladung unterzeichnet, und da wohl der Kocher nicht zu Letzterem taugte, mussten Hunde (ausgeschlossen waren Bulldoggen) dem Verein mit Rennen in vier Disziplinen Ehre machen. Die Rennen waren für unterschiedliche Distanzen ausgeschrieben: 180 Schritte für Wachtelhunde, Pinscher und Scherenschleifer, 200 Schritte für Pudel und Rattenfänger, 250 Schritte für Wind- und Hühnerhunde. Zur vierten Disziplin über 180 Schritte waren alle Rassen gleichberechtigt zugelassen, da die der Parcours begrenzenden Hindernisse aus »Würsten, Käse und sonstigen Delikatessen« bestanden und die Veranstalter scharfsinnig befunden hatten, dass bei diesem Rennen nicht Kraft und Schnelligkeit den Ausschlag geben würden, sondern die Siegespalme resp. wurst demjenigen Vierbeiner zufallen würde, der »durch Charakter, Folgsamkeit, Dressur« immun gegen die am Rande aufgebauten Köstlichkeiten war.
Als nun der Wettkampftag herankam und zuvor allen Besuchern untersagt worden war, zum Schutz der eine Hundeseele verlockenden Rennbahnbegrenzung eigene Hunde mitzubringen, regnete es wie mit Kübeln, so dass das Rennen »auf einen der nächsten Sonntage verschoben wurde«. Da aber in der Zeitung kein Bericht darüber zu finden ist, muss angenommen werden, dass dieser Sonntag der St. Nimmerleinstag war und wieder einmal nicht nur Zuschauer an der Nase herumgeführt, sondern auch arme Hunde um ein spaßiges Vergnügen gebracht worden waren.
Feiles Anwesen
»Feiles Anwesen«, so war ein Inserat aus Oberkochen im Juni 1863 im Aalener Blatt überschrieben. Zum Verkauf stand »wegen Umzug sein 1842 neu erbautes zweistöckiges Wohnhaus mit angebauter schöner Feuerwerkstätte und Gemüsegarten hinter dem Haus«. Nun könnte man meinen, dies sei nicht ungewöhnliches, denn Häuser und Anwesen waren beinahe täglich zum Verkauf ausgeschrieben. Auch die nähere Beschreibung des Objekts ist ansprechend: Freundlich gelegenes Haus mit gewölbtem Keller, »parterre« 1 heizbares Zimmer und 2 Kammern neben einem kleinen Laden, in dem »seit 4 Jahren ein kleines Eisen und Spezerei Geschäft« betrieben wurde, im Obergeschoss 2 heizbare und 2 unheizbare Zimmer samt einem heizbaren Zimmer unter dem Dach. Jedoch beim Namen des Verkäufers stutzt der heutige Betrachter, denn Jakob Bäuerle, Oberkochener Stammvater der Familie und Firma Bäuerle, der schon 1860 eine eigene Bohrermacherwerkstatt gegründet hatte und sich gelegentlich auch »Bohrerfabrikant« nannte, will sein Anwesen verkaufen.
Über die Gründe für den Verkauf kann nur spekuliert werden (siehe auch Oberkochener Heimatbuch Seite 137). Tatsache ist jedoch Christoph Jakob Bäuerle verkaufte Besitz und Habe und zog mit Sack und Pack nach Stuttgart, wo er vermutlich seine auf der »Walz« erworbenen Fertigkeiten noch verbessern wollte. Jedoch kehrte er gegen Ende der siebziger Jahre wieder nach Oberkochen zurück und, legte den endgültigen Grundstein zum ältesten Oberkochener Herstellerbetrieb für Holzbearbeitungsmaschinen.
Volkmar Schrenk