Im Gegen­satz zu heute stehen in alten Zeitungs­aus­ga­ben nicht politi­sche Nachrich­ten und Meldun­gen auf der ersten Seite, sondern Bekannt­ma­chun­gen der Obrig­keit und priva­te Mittei­lun­gen. Wenden wir uns heute solchen zu, die im Aalener »Intel­li­genz und Amts Blatt« während des Jahres 1859 aus Oberko­chen erschie­nen sind und die inter­es­san­te Finger­zei­ge zum Leben im kleinen Dorf am Kocher­ur­sprung geben können.

Bekannt­ma­chun­gen und Mitteilungen

Sommer­schaf­wei­de
Ende Juni 1858 wurde die Oberko­che­ner »Sommer­schaf­wei­de« für das folgen­de Jahr ausge­schrie­ben. Sie dauer­te von Ambro­si (im April) bis Marti­ni (im Novem­ber). Während heutzu­ta­ge Herden mit 200 Tieren als groß gelten, konnten damals auf Oberko­che­ner Gemar­kung »700 bis 800 Tiere« ihr Futter finden. Die Verpach­tung geschah »auf ein oder drei Jahre, je nachdem sich Liebha­ber zeigen«.

Mühlen­er­wei­te­rung
Am 8. Febru­ar gibt der Königl. Oberamt­mann Bohnen­ber­ger bekannt:
»Müller Anton Linders Witwe in Oberko­chen will in ihrer Mahlmüh­le eine Malzschrot­müh­le ohne Verän­de­rung des Bestehen­den einrich­ten« und fügte an, die Einspruchs­frist gegen dieses Vorha­ben betra­ge 15 Tage.

Bei der genann­ten »Mahlmüh­le« handel­te es sich um die »Obere Mühle«, vermut­lich eine der ältes­ten Oberko­che­ner Mühlen, die im Jahr 1953 abgebro­chen bis dahin hinter dem jetzi­gen Geschäft »Norma« zwischen Kocher und den Fabri­ka­ti­ons­ge­bäu­den Adolf Bäuerle jenseits des Kocher­ka­nals stand.

Müller Franz Anton Linder hatte ca. 1843 die Mühle übernom­men. Ob er zur Zeit des Neubaus der Mühle im Jahr 1853 noch lebte, ist unbekannt. Jeden­falls führte seine Witwe den Betrieb weiter und wollte ihn durch eine Malzschrot­müh­le erwei­tern. (Weite­re Einzel­hei­ten zur Geschich­te der Oberen Mühle finden Sie in den BuG-Berich­ten 14, 23, 167, 168).

Baumfre­vel
Auf der Gemar­kung Oberko­chen säumten vielfach Obstbäu­me die Staats­stra­ße von Aalen nach Heiden­heim. Wie der von 1849 bis 1889 in Oberko­chen amtie­ren­de Schult­heiß Micha­el Wingert am 28. April 1859 verlau­ten ließ, wurden diese Bäume »häufig ruiniert und zugrun­de gerich­tet«, ohne dass die Täter dingfest gemacht werden konnten. Im Frühjahr 1859 hatte die Gemein­de­ver­wal­tung den Baumbe­stand an der Straße ergänzt und teilwei­se neu gepflanzt. Zur Abwen­dung neuer­li­chen Baumfre­vels beschloss der Gemein­de­rat »Jedem Anbrin­ger eines Baumver­der­bers eine Prämie von 4 Kronen­ta­lern aus der Gemein­de­kas­se« auszu­be­zah­len. Nun hört sich »Kronen­ta­ler« recht splendid an, denn die eigent­li­che Währung bestand aus »Gulden« (= fl. Als Abkür­zung für »Floren­ti­ner Gulden«) und »Kreuzer« (= kr., wobei 60 kr. = 1 fl. waren). Mit Talern wurde eigent­lich gar nicht mehr gerech­net, ein Taler stand für 30 Groschen und ein Groschen war 12 Pfenni­ge wert.

Geld zu verlei­hen
Obwohl die Oberko­che­ner Hafner nach Feier­abend oft sangen:
»Was kümmert mich die Welt, aus Dreck mach ich mein Geld«
und die Köhler ins selbe Horn stießen, aller­dings nicht von »Dreck«, sondern von »Holz« sangen, waren die Oberko­che­ner nicht eben mit irdischem Reich­tum geseg­net. Auch konnten in einer Zeit ohne den heute üblichen Versi­che­rungs­schutz Missern­ten, Unfäl­le, Schaden­feu­er die Betrof­fe­nen leicht in die Armut führen. Um so bemer­kens­wer­ter sind Angebo­te in der Zeitung, durch die 1859 sog. »Pfleg­schaf­ten« die Vermö­gen aus Hinter­las­sen­schaf­ten verwal­te­ten, teilwei­se größe­re Beträ­ge zum Auslei­hen anboten. So offeriert Gemein­de­rat Wieden­hö­fer als »Pfleger« der Nachkom­men eines Bäckers »200 fl. gegen gesetz­li­che Sicher­heit zum Auslei­hen«. Wenig später liegen bei der »Evange­li­schen Stiftungs­pfle­ge« 250 fl. zum Auslei­hen parat. Dann bietet Micha­el Hug aus einer Pfleg­schaft »900 fl. gegen 4 1/2 % Zins« zum Auslei­hen an.

Schul­den­li­qui­da­ti­on
Als Gegen­stück zum Auslei­hen erschei­nen aber im »Amts und Intel­li­genz Blatt« immer wieder Gläubi­ge­r­auf­ru­fe und Mittei­lun­gen über Schul­den­li­qui­da­ti­on. Sie sind jedoch stets nur sozusa­gen Spitze des Eisbergs sozia­ler Tragö­di­en, die sich meist im Verbor­ge­nen abspiel­ten. So werden z. B. Gläubi­ger des Oberko­che­ner A. K., »derzeit im Zucht­po­li­zei­haus in Hall«, aufge­for­dert, ihre Ansprü­che beim Oberko­che­ner Gemein­de­rat anzumel­den. Oder in der »Gantsa­che des A.W. Weber von Oberko­chen, gegen­wär­tig Torwäch­ter in Wasser­al­fin­gen«, werden Gläubi­ger ersucht, beim Rathaus Oberko­chen ihre Forde­run­gen anzumel­den und sich zur Besich­ti­gung der vorhan­de­nen Werte an einer »Liqui­da­ti­ons-Tagfahrt« zu beteiligen.

Auswan­de­run­gen
Auswan­de­rungs­wil­li­ge durften nicht klamm­heim­lich »franzö­si­schen Abschied« nehmen, sie hatten sich beim Oberamt zu melden und die verschie­dens­ten Aufla­gen zu erfül­len. So waren die Vermö­gens­ver­hält­nis­se offen zu legen. Wenn notwen­dig erließ das Oberamt einen Gläubi­ge­r­auf­ruf, nachdem 30 Tage zu warten waren, ob Ansprü­che angemel­det würden. Waren Schul­den oder Hypothe­ken vorhan­den, musste ein »Bürge« bestellt werden. Erst wenn alle Aufla­gen erfüllt waren, stell­te das Oberamt einen Pass aus, gab seinen Segen und veröf­fent­lich­te die Namen der Auswan­de­rer. So werden am 22. Juli 1859 unter 14 Auswan­de­rern nach Nordame­ri­ka auch »Jakob Schee­rer und Jakob Schuh­ma­cher genannt«, während nach Bayern nur eine Person auswanderte.

Holzver­kauf
Das Waldre­vier Oberko­chen unter­stand damals dem Forst­amt Schnait­heim, das im April 1859 aus den Staats­wal­dun­gen Langert und Bilz Holz »im Aufstreich« verkauf­te. Angebo­ten waren ‑ und dies war nicht alltäg­lich ‑: »3 Ahorn­stäm­me, je in halber Klafter kirsch­bau­mene und linde­ne Schei­ter, 4 Klafter birnene Schei­ten, und dazu »104 Klafter buchene Schei­ter und 6587 Stück Buchen‑ und Birken­wel­len«. Anzumer­ken ist, dass 4 Klaften zunächst die Spann­wei­te eines Mannes bedeu­te­te und ca. 2 Meter ausmach­te. Daraus wurde dann als Raummaß für Schei­ter­holz der »Klafter« mit ca. 4 Raummetern.

Verkauf von Schafen
Natür­lich war in Oberko­chen Kauf und Verkauf von Schafen kein außer­ge­wöhn­li­cher Vorgang. Das Inter­es­san­te jedoch an der im Aalener »Blatt«, am 22. Febru­ar 1859 erschie­ne­nen Anzei­ge: »Feile Schafe. Gut gemäs­te­te Mutter­scha­fe und Göltvieh verkauft … « war der Auftrag­ge­ber, der evange­li­sche Schul­meis­ter Stingel. Zwar zählten Garten­nut­zung und Acker­be­stel­lung zum Einkom­men einer Lehrer­stel­le, auch Tierhal­tung war nicht ungewöhn­lich. Aber dass ein Lehrer mit Tieren handel­te, um so die Haushalts­kas­se aufzu­bes­sern, scheint weniger oft vorzukommen.

Jedoch Lehrer Stingel war ein echter Tierfreund. Er nannte nicht nur vierbei­ni­ges Vieh sein eigen, er war auch Freund gefie­der­ter Kreatur: 40 Tauben sorgten dafür, dass es im evange­li­schen Schul­haus — es lag damals an der Ecke zwischen der Aalener und der heuti­gen Bürger­meis­ter Bosch Straße — wie im Tauben­schlag zuging. Mehr über Schul­meis­ter Stingel ist in den BuG Berich­ten 184 und 185 erzählt.

Oberkochen

FAZIT DES JAHRES 1859
Da in der Aalener Zeitung 1859 nur spärlich über Oberko­chen berich­tet wird, mag ergän­zend erlaubt sein, zur Charak­te­ri­sie­rung dieses wieder­zu­ge­ben, was Pfarrer Carl Wilhelm Desal­ler in seiner »Kleinen Pfarr­chro­nik« schrieb: »Der Winter ist sehr mild, Sommer heiß und trocken, Früch­te mittel­mä­ßig, Wein gut. Obst gab es fast gar keines. In der Nacht vom 4./5. Oktober brann­te das Haus des L. Gutknecht im Katzen­bach ab; wahrschein­lich Zufall.

Volkmar Schrenk

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