Die 8. Sonder­aus­stel­lung im Heimat­mu­se­um weicht von unserem üblich gewor­de­nen Motto »Irgend etwas … aus Oberko­che­ner Häusern« ab. Unsere bishe­ri­gen Themen lauteten:

1997 — 1998: »Lieber Kitsch« aus Oberko­che­ner Häusern
1998 — 1999: »Die Natur als Künst­le­rin« Expona­te aus Oberko­che­ner Häusern
1999 — 2000: »Spiel­zeug­ei­sen­bah­nen und Blech­spiel­zeug« aus Oberko­che­ner Häusern
2000 — 2001: »Minera­li­en aus alter Welt« Expona­te aus Oberko­che­ner Häusern
2001 »Luftbild vom 8. April 1945« Ameri­ka­ni­scher Aufklä­rungs­flug
2001 — 2002: »Philate­lis­ti­sche Belege von Oberko­chen« Expona­te aus Oberko­che­ner Häusern
2002 — 2003: »Altes Alumi­ni­um Geschirr« aus Oberko­che­ner Häusern

Diese Reihe wollen wir in den kommen­den Jahren fortset­zen auch im Wechsel mit der Ausstel­lung von Souve­nirs, Gebrauchs­ge­gen­stän­den, Kunst­wer­ken u. a. m., die Oberko­che­ner aus fernen Ländern, aber auch Erinne­rungs­stü­cken von Neu-Oberko­che­nern, die diese aus ihrer alten Heimat mitge­bracht haben.

Das neuerschie­ne­ne in Bericht No. 412 vom 22. Febru­ar 2002 in BuG vorge­stell­te Buch des Oberko­che­ner Paläo­an­thro­po­lo­gen Profes­sor Dr. Friede­mann Schrenk (Sohn des langjäh­ri­gen Leiters des Gymna­si­ums) mit dem Titel »Adams Eltern« hat uns veran­lasst, die 8. Sonder­aus­stel­lung rund um dieses Buch und rund um die Forschungs­ar­bei­ten von Prof. Dr. Schrenk zu konzi­pie­ren. Sein Werde­gang wurde in Bericht 412 stich­wort­ar­tig darge­stellt. Prof. Schrenk ist in Fachkrei­sen ohne Übertrei­bung gesagt in der ganzen Welt bekannt durch seine Forschungs­ar­beit in Ostafri­ka (Schwer­punkt Malawi), durch seine Veröf­fent­li­chun­gen in wissen­schaft­li­chen Fachzeit­schrif­ten sowie durch wissen­schaft­li­che Beiträ­ge in Rundfunk und Fernse­hen. Friede­mann Schrenk ist Profes­sor an der Univer­si­tät Frank­furt. Eines seiner Haupt­an­lie­gen neben seinen Forschungs­ar­bei­ten am Forschungs­in­sti­tut Sencken­berg, an welchem er Leiter der geolo­gisch paläon­to­li­gi­schen und minera­lo­gi­schen Abtei­lung und zugleich stell­ver­tre­ten­der Direk­tor des Museums ist, und auf seinen zahlrei­chen Expedi­tio­nen ist es, die alten und die aktuel­len Erkennt­nis­se auf dem Gebiet der Erfor­schung der Entste­hung des Menschen weltweit zu verknüp­fen und in einer Daten­bank zu zentra­li­sie­ren sowie inter­dis­zi­pli­nä­re Arbeit aufzu­bau­en, wo bislang Scheu­klap­pen­for­schung betrie­ben wurde. Prof. Dr. Friede­mann Schrenk hat es sich nicht nehmen lassen, in seinem prall gefüll­ten Termin­ka­len­der eine freie Stelle am

Stadt­fest Sonntag, 29. Juni
Ausstel­lungs­er­öff­nung 14.00 Uhr
im Heimat­mu­se­um,
Schil­ler­haus

einzu­bau­en. So wird Friede­mann Schrenk anläss­lich der Ausstel­lungs­er­öff­nung an diesem Tag persön­lich anwesend sein und eine Verbin­dung von seinem Buch und seiner Arbeit zu den Expona­ten herstellen.

Unser verdien­ter ehema­li­ger Gymna­si­ums-Biolo­ge und Chemi­ker, StD Horst Riegel hat die Ausstel­lung mit dem Titel

»Adams Eltern«
Rund um das Buch des
Oberko­che­ner Paläo­an­thro­po­lo­gen
Prof. Dr. Friede­mann Schrenk

die ein Jahr lang zu sehen sein wird, unter Mitein­be­zie­hung der im wesent­li­chen von ihm aufge­bau­ten Sammlung des Gymna­si­ums, sowie mit eigenem Materi­al und mit Materi­al, das Prof. Dr. Schrenk zur Verfü­gung gestellt hat, in dankens­wer­ter Weise zusammengestellt.

Das Buch »Adams Eltern« wird am 29. Juni von der Firma »Buch und Kunst« zum Verkauf angebo­ten. Friede­mann Schrenk wird es auf Wunsch gerne signieren.

Wir bringen nun heute, 14. Juni, und in 14 Tagen, 28. Juni, zwei von Herrn StD Horst Riegel verfass­te Berich­te, die in unsere 8. Sonder­aus­stel­lung einführen.

Dietrich Bantel

Vom Prima­ten zum Homo sapiens
Vor rund 150 Jahren begann die Zeit der Paläo­an­thro­po­lo­gie, der Lehre von den fossi­len Vor- und Frühmen­schen. 1858/59 veröf­fent­lich­te Charles Darwin seine Theorie der Evolu­ti­on, die besag­te, dass allen Lebewe­sen eine gewis­se Varianz zu eigen ist, dass in allen Arten mehr Nachkom­men erzeugt werden als zur bloßen Erhal­tung der Indivi­du­en­zahl erfor­der­lich ist, und dass hier eine Ausle­se (Selek­ti­on) einsetzt, die die für das Überle­ben der Art am besten geeig­ne­ten Varian­ten bevor­zugt. Damit kann in kleinen Schrit­ten eine Umwand­lung einer Art in eine andere, besser angepass­te erfol­gen. Auf die Evolu­ti­on des Menschen ging Darwin zunächst nicht näher ein.

1856 wurden in der Feldho­fer Grotte im Tal der Dussel bei Düssel­dorf Skelett­res­te eines Menschen gefun­den, die man wegen ihrer Dicke und z.T. abwei­chen­den Form als zu einem Menschen­vor­fah­ren, zu einem fossi­len Menschen gehörig beschrieb. Diesen Teil des Düssel­ta­les hatte man nach einem bekann­ten evange­li­schen Theolo­gen und Lieder­dich­ter benannt. Dieser, ein Herr Neumann, hatte seinen Namen gräzi­siert zu »Neander« und so wurde der gefun­de­ne Fossil­mensch zum »Neander­ta­ler« (Homo neander­tha­len­sis). Es dauer­te einige Zeit, bis dieses Ergeb­nis allge­mei­ne Anerken­nung fand. Man deute­te zunächst die Abwei­chun­gen im Skelett­bau als Folgen mannig­fal­ti­ger Erkran­kun­gen oder exoti­scher Herkunft. Erst als man ähnli­che fossi­le Skelet­te in Belgi­en und Frank­reich fand, wurde der Neander­ta­ler als alter­tüm­li­cher Verwand­ter des Jetzt­men­schen akzeptiert.

Später fand man noch ältere Fossi­li­en, die man als »mensch­lich« oder »menschen­ähn­lich« einstuf­te. Meist erhielt jeder dieser neuen Funde seinen eigenen Namen, sodass ein ziemli­cher Namens­wirr­warr entstand. Das rief die »lumpers« auf den Plan, die viele der alten Bezeich­nun­gen zusam­men­fass­ten und so einen aus nur wenige Stufen bestehen­den Stamm­baum erhiel­ten. Inzwi­schen hat man bemerkt, dass man zu weit gegan­gen war, und die »split­ters« sind dabei, diese Einhei­ten wieder etwas aufzugliedern.

Oberkochen

Nach den bis heute bekann­ten Funden lässt sich etwa folgen­der Stamm­baum des Menschen entwerfen:

Der Mensch ist bei den Menschen­af­fen, die mit den Tieraf­fen und Halbaf­fen die Ordnung der Prima­ten oder Herren­tie­re bilden, einzu­ord­nen. Wir unter­schei­den hier zunächst die Kleinen Menschen­af­fen (Gibbons), die als extre­me Hangler dem Leben in den Baumkro­nen der (südost­asia­ti­schen) Regen­wäl­der angepasst sind, von den Großen Menschen­af­fen (Schim­pan­sen, Goril­la, Orang Utan und Mensch). Geneti­ker haben heraus­ge­fun­den, dass Schim­pan­sen und Mensch in 98 — 99% der Gene überein­stim­men. Das bedeu­tet, dass der Schim­pan­se (mit dem Zwerg­schim­pan­sen oder Bonobo) näher mit dem Menschen verwandt ist als mit dem Orang Utan und wahrschein­lich auch dem Goril­la! Nach Berech­nun­gen der Geneti­ker soll die Trennung der Linien, die zu den Schim­pan­sen bzw. den Menschen führten, vor 5 — 7 Mill. Jahren erfolgt sein.

Die nächs­ten Entwick­lungs­schrit­te erfolg­ten in der Stufe der Vormen­schen. 1924 beschrieb Raymond Dart den Schädel eines Prima­ten­kin­des aus Südafri­ka (»Taung Baby«) unter dem Namen Austra­lo­pi­the­cus africa­nus (Afrika­ni­scher Südaf­fe). Dieser Fund wurde von den sog. Exper­ten mit großer Skepsis betrach­tet und erst anerkannt, als man auch Schädel und weite­re fossi­le Knochen von Erwach­se­nen fand. Funde aus Ostafri­ka (Olduvai Schlucht) kamen dazu, außer­dem Funde verwand­ter Formen mit sehr großen Backen­zäh­nen und einem Schei­tel­kamm. Man nimmt heute an, dass die eigent­li­chen Austra­lo­pi­the­cus Formen Gemischt­kos­tier waren (grazi­ler Typ), die anderen aber reine Pflan­zen­es­ser (robus­ter Typ). Letzte­re fasst man heute als Paran­thro­pus zusam­men. Beson­ders wichtig sind hier die Funde aus der äthio­pi­schen Hadar Senke in der Provinz Afar (Austra­lo­pi­the­cus afare­nis), darun­ter ein recht vollstän­di­ges Skelett eines Indivi­du­ums, das man »Lucy« nannte. Auch die berühm­ten, 3,6 Mill. j. alten Fußspu­ren von Laeto­li in Tansa­nia stammen von dieser Art. Danach kamen noch altere Funde dazu, die ältes­ten, die am Tschad­see ausge­gra­ben wurden, sind ca. 6 Mill. J. alt. Leider sind sie noch ziemlich unvoll­stän­dig, sodass sie sich nur schwer richtig einord­nen lassen. Wahrschein­lich gehört auch der sog. Homo habilis noch in diese Gruppe, der also besser Austra­lo­pi­the­cus habilis heißen müsste.

Oberkochen

In dieser Gruppe der Vormen­schen wurden einige entschei­den­de »mensch­li­che Eigen­schaf­ten« entwi­ckelt: der Aufrech­te Gang und die Finger­fer­tig­keit, während sich die Hirngrö­ße nur wenig von der der Menschen­af­fen unter­schied. Der aufrech­te Gang hatte Änderun­gen im Skelett­auf­bau zur Folge: Die Doppel‑S Form der Wirbel­säu­le, der kreis­för­mi­ge Querschnitt des Brust­korbs, das wannen­för­mi­ge Becken, Umbau von Schul­ter, Hüft- und Kniege­lenk, des Fußes etc. Bei den Menschen­af­fen sind — typisch für Hangler — die Arme viel länger als die Beine; das gilt etwas einge­schränkt, auch noch für die Austra­lo­pi­the­cus Arten, was wahrschein­lich macht, dass sie noch teilwei­se abhän­gig von Bäumen waren (Schlaf­bäu­me?). Leider sind von vielen Arten bis jetzt nur Schädel (fragmen­te) überlie­fert, sodass die oben erwähn­ten Skelett­be­le­ge fehlen.

Durch den aufrech­ten Gang wurde die Hand für andere Tätig­kei­ten frei, die Voraus­set­zung für die Benut­zung und Herstel­lung von Werkzeugen.

Von Frühmen­schen spricht man, wenn die Werkzeug­her­stel­lung und der Werkzeug­ge­brauch regel­mä­ßig wird. Louis Leakey entdeck­te bei seinen Forschun­gen in der Olduvai Schlucht sog. »Pebble Tools« einfa­che, nur wenig bearbei­te­te Stenwerk­zeu­ge. Er schloss auf eine frühe Homo Art als Herstel­ler und nannte ihn »Homo habilis«. Wegen der falschen Propor­tio­nen der Extre­mi­tä­ten fällt Homo habilis aber aus der direk­ten Vorfah­ren Linien des Menschen heraus. Unter den Fossi­li­en, die als Homo habilis im Museum airobi regis­triert waren, befand sich ein etwas abwei­chen­der Schädel (KNM ER 1470) vom Rudolf­see (Lake Turka­na), der dann als neue Art (Homo rudol­fen­sis) beschrie­ben wurde. Er soll den Platz des Homo habilis in der direk­ten Vorfah­ren­rei­he des Menschen einnehmen.

Daraus entwi­ckel­ten sich die Menschen­for­men der Homo erectus Stufe. Diese Form entstand in Afrika. Das fast vollstän­di­ge Skelett eines Knaben (Turka­na-Boy) ist etwa 1,6 Mill. J. alt. Homo erectus wurde zunächst aus Java beschrie­ben. Später kamen Funde aus Deutsch­land (Homo heidel­ber­gen­sis), China (Homo pekinen­sis), Spani­en (Homo anteces­sor) hinzu. Die afrika­ni­schen Funde werden heute als Homo ergas­ter bezeich­net. Die Homo erectus Frühmen­schen errei­chen in etwa die Größe des Jetzt­men­schen, ihr Hirnvo­lu­men entspricht etwa zwei Dritteln der des Jetzt­men­schen. Man nimmt an, dass Homo ergas­ter in Afrika entstand und sich von dort nach Asien und Europa ausbrei­te­te (1,7 Mill. J. alte Schädel aus dem Kaukasus).

In Europa und Vorder­asi­en entwi­ckel­te sich aus dem Homo heidel­ber­gen­sis der Neander­ta­ler als Kälte­an­pas­sung während der Eiszeit. Der Homo stein­hei­men­sis (von Stein­heim an der Murr) scheint eine Zwischen­form zu sein. Der Neander­ta­ler ist demnach eine Paral­lel­ent­wick­lung zum Homo sapiens. Er erinnert in einigen Eigen­schaf­ten an die Eskimos: gedrun­ge­ne Körper­ge­stalt, kurze Glied­ma­ßen. Ihr Hirnvo­lu­men war im Schnitt sogar etwas größer als das des Homo sapiens.

Homo sapiens, der Jetzt­mensch, ist vor etwas mehr als 100 000 J. in Afrika entstan­den. Das ergab ein Genver­gleich von Menschen aus den verschie­dens­ten Gegen­den der Weit. Von hier aus hat er die ganze Welt besie­delt. Im vorde­ren Orient lebten Neander­ta­ler und Jetzt­mensch über Jahrtau­sen­de neben­ein­an­der, das scheint auch für Europa zu gelten. Der Neander­ta­ler starb vor ca. 35 000 J. aus. Was hat die Evolu­ti­on des Menschen gebracht? Der Holzschnitt eines thürin­gi­schen Künst­lers (A. Carl) entstand kurz nach dem 2. Weltkrieg. Die Vorgän­ge im Irak lassen ihn aktuell erschei­nen. Er möge uns zu denken geben!

Horst Riegel

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