Anläß­lich des Schul­jahr­be­ginns am 8.9.1988 zitier­te OStDir. Schrenk aus alten Oberko­che­ner Akten, die von der damali­gen Heiden­hei­mer Schul­auf­sicht an die Oberko­che­ner Schule (Pfarr­amt) gerich­tet waren. In einem Schrei­ben vom 23. Febru­ar 1813 ist von den Lehrern die Rede, wenn gesagt wird: »… — diese aber unerach­tet der bishe­ri­gen Erinne­run­gen, meistens ihre Abhand­lun­gen noch nicht gelie­fert haben, so bitte ich, ihnen aufs ernst­haf­tes­te zu bedeu­ten, daß sie diesel­ben unfehl­bar in der ersten Woche des März den Herrn Direc­to­ren einschi­cken, damit sie diesel­ben auch mit Muße durch­se­hen und würdi­gen können, und die Einsen­dung dersel­ben niemehr so lange anste­hen lassen.

Mit vollkom­mens­ter Hochach­tung behar­rend,
Eurer Hocheh­ren­wär­der gehor­samst
ergebens­ter Diener
Scholl
Heiden­heim
d. 23. Febr. 1813«

Diese »ergrei­fen­de«, an die Adres­se der Oberko­che­ner Schule und insbe­son­de­re an die Oberko­che­ner Lehrer gerich­te­te Mahnung munter­te mich auf, der Geschich­te des alten evange­li­schen Schul­ge­bäu­des nachzu­ge­hen, und vor allem, unseren kompe­ten­ten Ortshis­to­ri­ker, Herrn Dr. Christ­hard Schrenk, Archi­var bei der Stadt Heilbronn, zu bitten, für unsere heimat­kund­li­che Serie einen Bericht zum Thema »Oberko­che­ner Schul­we­sen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts« zu verfas­sen, was Herr Dr. Schrenk in dankens­wer­ter Weise getan hat.

Aus diesem Anlaß veröf­fent­li­chen wir den Bauplan des alten ev. Schul­ge­bäu­des aus dem Jahr 1860, den Origi­nal­text des »Mahnschrei­bens« von 1813 und ein Klassen­fo­to (Klassen 1 — 7), das 1914 zusam­men mit dem damals noch jungen Lehrer Günter aufge­nom­men wurde.

Hier noch einige Angaben zum alten ev. Schul­haus, wie es noch heute bei den Oberko­che­nern genannt wird. (Heute Jugendhaus).

Daten zur Geschich­te des evange­li­schen Schul­ge­bäu­des
Aalener Straße 19 (vormals Kirch­gas­se)
2.6.1860 Bauge­neh­mi­gung (unter Schul­heiß Wingert) 26 handschrift­li­che Aufla­gen vom Oberamts­bau­meis­ter, — u.a. Punkt 8: ». . ist die Dungle­ge nicht gegen den Ortsweg, sondern hinter dem Gebäu­de anzule­gen.«
1.4.1913 Bauge­such zur Erstel­lung eines Schüler­aborts für Mädchen und Knaben. (Leicht schräg versetzt hinter dem Gebäu­de.)
Geneh­mi­gung am 29.5.1913.

1.1.1942 Schät­zungs­pro­to­koll der Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung mit genau­em Gebäudebeschrieb.

26.4.1957 Errich­tung einer Außen­stel­le des Schub­art-Gymna­si­ums Aalen (StA Diebel)

28.6.1959 Eröff­nung der Gemein­de­bü­che­rei (Ortsbü­che­rei)

März 1967 Mit dem Umzug der Büche­rei, die im Laufe dieses Monats ins neue Rathaus statt­fand, wird das alte evange­li­sche Schul­haus frei.

15.12.1970 Vermie­tung an die Firma Beier

27.10.1976 zurück an die Stadt

8.7.1977 Bauge­such der Stadt zur Einrich­tung des Jugend­hau­ses (Bürger­meis­ter Bosch)
seit Oktober 1979 Jugendhaus

Dietrich Bantel

Oberko­che­ner Schul­we­sen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts
Zu Beginn des 19. Jahrhun­derts bestan­den in Oberko­chen zwei Konfes­si­ons­schu­len: die evange­li­sche und die katho­li­sche. Diese Bildungs­an­stal­ten setzten sich aus jeweils ein bis zwei Klassen mit insge­samt zwei bis drei Lehrern zusam­men. Manch­mal blieben die Schul­meis­ter­stel­len aber über Jahre hinweg vakant. Die Besol­dung d. Lehrkräf­te beweg­te sich am Existenz­mi­ni­mum, meist mußten sie einen Neben­er­werb z.B. in der Landwirt­schaft ausüben. Zu Beginn des 19. Jahrhun­derts sah sich sogar ein Oberko­che­ner Lehrer gezwun­gen, in seinem Schul­haus eine Schwei­ne­mast einzu­rich­ten. Das wurde ihm jedoch bald untersagt.

Die evange­li­sche Schule befand sich am äußers­ten Ortsrand in Richtung Unter­ko­chen (Ecke Aalener und Goethe­stra­ße). Sie wurde 1860 neu errich­tet und am 3. Januar 1861 einge­weiht. Heute beher­bergt dieses Gebäu­de das Oberko­che­ner Jugend­haus. Die katho­li­sche Schule stand neben der St. Peter- und Paul-Kirche. Die verfüg­ba­ren Unter­richts­räu­me genüg­ten in keiner Weise den Bedürf­nis­sen. Die Forde­rung nach einem Schul­haus­neu­bau wurde jedoch wegen Finanz­knapp­heit und mit der Begrün­dung abgelehnt, daß Schüler und Lehrer sich nach dem Unter­richt durch Mithil­fe in der Landwirt­schaft an der frischen Luft von den unzuläng­li­chen Bedin­gun­gen in der Schule erholen könnten. Abhil­fe brach­te erst nach 1900 ein Schul­neu­bau an der Dreißentalschule.

Das Beset­zungs­recht der Schul­meis­ter­stel­len stand zu Beginn des 19. Jahrhun­derts der Gemein­de zu, es ging jedoch durch könig­li­ches Gesetz vom 29. Septem­ber 1836 an das Konsis­to­ri­um in Stutt­gart über. Dieses Gesetz wurde zum Funda­ment des württem­ber­gi­schen Volks­schul­we­sens im 19. Jahrhun­dert. Als Zweck der Volks­schu­len definier­te es eine religi­ös-sittli­che Bildung und Unter­wei­sung der Jugend in den für das bürger­li­che Leben nötigen allge­mei­nen Kennt­nis­sen und Fertig­kei­ten. Als wesent­li­che Gegen­stän­de des Unter­richts zählten die Religi­on- und Sitten­leh­re, das Lesen und Schrei­ben, die deutsche Sprache, das Rechnen und das Singen. Den Unter­richt erteil­te in allen Fächern dersel­be Lehrer, nur für die Religi­ons­stun­den war der Pfarrer — unter angemes­se­ner Betei­li­gung des Schul­leh­rers — zustän­dig. Als Fortset­zung der Volks­schu­len wurden in den Sonntags­schu­len dieje­ni­gen Unter­richts­ge­gen­stän­de einge­übt, die »für das bürger­li­che Leben vorzugs­wei­se von Nutzen sind«. So formu­lier­te es Artikel 3 des württem­ber­gi­schen Schul­ge­set­zes von 1836.

Oberkochen
Oberkochen
Oberkochen

Die Schul­pflicht begann für jedes Kind mit dem 6. und endete mit dem 14. Lebens­jahr, die Sonntags­schu­le mußte bis zum Alter von 18 Jahren besucht werden. Für die Einhal­tung der Schul­pflicht und den damit verbun­de­nen gesetz­li­chen Regelun­gen waren die Eltern bzw. deren Stell­ver­tre­ter (Vormün­der, Erzie­her, Lehr- oder Dienst­her­ren) verant­wort­lich. Sie mußten deshalb bei Schul­ver­säum­nis­sen der Kinder — je nach dem Grad ihrer Schuld — mit Geld- und im Extrem­fall mit Gefäng­nis­stra­fen rechnen. Wurde ein Kind für länge­re Zeit von der Schule ausge­schlos­sen, so oblag den Eltern die Pflicht, für einen entspre­chen­den Privat­un­ter­richt zu sorgen.

Die Gemein­den waren befugt, von den Eltern der Schüler oder deren Vertre­tern Schul­geld zu kassie­ren, das der Kirchen­kon­vent bei Kindern unbemit­tel­ter Eltern ganz oder teilwei­se erlas­sen konnte. Den Volks­schu­len jedes Ortes flossen beson­de­re Einnah­men für Lehrmit­tel und andere Erfor­der­nis­se der Schule zu. Dabei handel­te es sich insbe­son­de­re um einen jährli­chen Betrag von mindes­tens 6 Kreuzer aus der Gemein­de­kas­se für jeden Schüler der Werktags- oder Sonntags­schu­le. Außer­dem erhielt die Schul­klas­se das Kirchen­op­fer am Konfir­ma­ti­ons- bzw. am Erstkom­mu­ni­ons­tag, darüber hinaus auch die Straf­gel­der bei Schul­ver­säum­nis­sen und die gespar­ten Gelder bei Vakanz der Lehrer­stel­le bzw. bei der Beschäf­ti­gung von Amtsverwesern.

An Volks­schu­len arbei­te­ten Haupt­leh­rer (Schul­meis­ter), Unter­leh­rer und Lehrer­ge­hil­fen. Nur die Haupt­leh­rer erhiel­ten eine unwider­ruf­li­che Anstel­lung. Unter­leh­rer führten eine Schul­klas­se in eigener Verant­wor­tung, während Lehrer­ge­hil­fen die ihnen anver­trau­ten Klassen nur unter der Verant­wort­lich­keit und Leitung eines Haupt­leh­rers unter­rich­ten durften. Für das Gehalt des Gehil­fen sowie für dessen freie Kost und Logis mußte der Haupt­leh­rer aufkom­men. Bei mehr als 90 Schülern waren zwei, bei mehr als 180 drei, bei mehr als 270 vier Lehrer usw. einzu­stel­len. Ausnahms­wei­se und wider­ruf­lich konnte jedoch bei beson­ders schlech­ter ökono­mi­scher Lage einer Gemein­de oder bei nur vorüber­ge­hen­der Erhöhung der Schüler­zah­len einem tüchti­gen Lehrer auch das Unter­rich­ten von bis zu 120 Schülern zugemu­tet werden. Der Lehrer war von der Übernah­me sämtli­cher öffent­li­cher Ämter, persön­li­cher Dienst­leis­tun­gen und von jeder Abgabe für Gemein­de­zwe­cke befreit. Ohne Geneh­mi­gung der Ober-Schul­be­hör­de durfte er jedoch kein Neben­amt ausüben oder ein Gewer­be betreiben.

Ihre Ausbil­dung zum Volks­schul­leh­rer konnten die sogenann­ten Schul­amts­zög­lin­ge auf drei verschie­de­ne Arten erhal­ten. Die erste Möglich­keit bestand darin, daß sie von spezi­ell zu diesem Zweck ermäch­tig­ten Schul­meis­tern, den Muster­leh­rern, auf ihren Beruf vorbe­rei­tet wurden. Die zweite Möglich­keit waren die Berufs-Bildungs­an­stal­ten, die Geist­li­che oder Schul­leh­rer einrich­ten konnten, wenn ihnen dafür eine Geneh­mi­gung der Ober-Schul­be­hör­de vorlag. Die Ausbil­dung bei einem Muster­leh­rer oder in einer Berufs-Bildungs­an­stalt unter­stand der Aufsicht der Ober-Schul­be­hör­de. Die dritte Ausbil­dungs­mög­lich­keit lag im Besuch von Staats­an­stal­ten für die Bildung von Schul­leh­rern, die das Bedürf­nis nach Lehrern befrie­di­gen sollen, soweit dieses nicht durch die Privat­aus­bil­dungs­gän­ge gedeckt wurde.

Als Lehrer konnte nur einge­stellt werden, wer einen untade­li­gen Lebens­wan­del und eine muster­gül­ti­ge Amtsfüh­rung vorwies und wer außer­dem nach dem Ergeb­nis seiner Dienst­prü­fung, nach den Regeln der Anstel­lungs- und Beför­de­rungs-Ordnung sowie nach seinem Glaubens­be­kennt­nis den Anfor­de­run­gen der zu beset­zen­den Stelle entsprach.

Konnte ein Schul­meis­ter infol­ge von Krank­heit oder Alter seinen Dienst nur noch teilwei­se ausfül­len, so war die Ober-Schul­be­hör­de befugt, ihm für die Dauer seiner einge­schränk­ten Dienst­fä­hig­keit einen Hilfs­leh­rer beizu­ge­ben. Das Gehalt dieses Hilfs­leh­rers hatte der Schul­meis­ter selbst zu tragen, aller­dings nur bis zu einem Viertel seines eigenen Gehalts. Außer­dem durfte das Einkom­men des Schul­meis­ters durch eine solche Regelung nicht unter das Ruhege­halt sinken.

Ein Schul­meis­ter besaß keinen Anspruch auf Pensio­nie­rung mit Ruhege­halt. Dagegen konnte die Ober-Schul­be­hör­de einen Schul­meis­ter in Pensi­on zu schicken, der mindes­tens neun Jahre als solcher gedient hatte und der zusätz­lich entwe­der über 70 Jahre alt, oder unver­schul­det dienst­un­taug­lich gewor­den war oder krank­heits­hal­ber mehr als zwei Jahre seinen Beruf nicht ausüben konnte. Wer krank­heits­hal­ber pensio­niert worden war, mußte im Falle einer völli­gen Genesung seinen Dienst wieder aufnehmen.

Bezog ein pensio­nier­ter Lehrer durch eine öffent­li­che Neben­tä­tig­keit zusätz­li­che Einkünf­te, dann wurde ihm die Hälfte davon am Ruhege­halt abgezo­gen. Während eines länger dauern­den Auslands­auf­ent­hal­tes, der in jedem Fall geneh­mi­gungs­pflich­tig war, wurde das Ruhege­halt um 100 % gekürzt. Eine gericht­lich verhäng­te Strafe, die den Verlust der Stelle nach sich gezogen hätte, führte auch zum Verlust des Ruhegehalts.

Die Volks­schu­len standen unter der Aufsicht des Ortspfar­rers. Das änder­te sich erst im 20. Jahrh., genau­er gesagt im Jahre 1910, als die Ortsschul­auf­sicht dem ersten Lehrer am Ort übertra­gen wurde.

Litera­tur­an­ga­be zum Oberko­che­ner Schul­we­sen: Volkmar Schrenk: Geschich­te der Oberko­che­ner Schulen. In Dietrich Bantel / Christ­hard Schrenk: Oberko­chen. Geschich­te — Landschaft — Alltag. Oberko­chen 1986, S. 84 — 107.

Dr. Christ­hard Schrenk
Nov. 1988

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