Auflö­sung
Der letzte Bericht unserer Serie endete mit einem »Logogryph«, also einem Buchstabenrätsel:

Mit »D« triffst du’s bei Mädchen,
mit »R« steht es beim Rädchen,
mit »S« pflegt es den Fuß zu decken,
mit »P« gar leicht uns anzustecken.

Wahrschein­lich kennen Sie die Lösung des Rätsels schon längst, doch der Vollstän­dig­keit halber sei gesagt, dass Locken, Rocken, Socken, Pocken gemeint waren, wobei das letzte Stich­wort auch in unseren Tagen unange­neh­me Gefüh­le weckt.

Aber nun zum Jahr 1858, zu dessen Beginn die Natur Kaprio­len schlug.

WASSERNOT UND SCHNEE
Zunächst war der Winter recht moderat gewesen. Ende März jedoch schlug er nochmals zu: Alles erstarr­te in eisiger Kälte, »vor allem in höher gelege­nen Gebie­ten des Härts­felds und des Aalbuchs musste das Wasser für Mensch und Vieh oft stunden­weit auf Schlit­ten herbei trans­por­tiert werden«, so berich­te­te das Aalener »Amts- und Intel­li­genz Blatt«. Und weiter: »In vielen Häusern werden Kessel angefeu­ert, um Schnee für Haushal­te und Vieh zu schmel­zen. Ein Krug guten Wassers ist gegen­wär­tig ein kostba­res Geschenk«. Zwar scheint Oberko­chen dabei einiger­ma­ßen glimpf­lich davon gekom­men zu sein, jedoch das »König­li­che Hütten­werk Königs­bronn, das ganz allein auf Wasser­kraft angewie­sen ist, befin­det sich in schwe­rer Not«, denn für die Arbei­ter, die teilwei­se auch aus Oberko­chen kamen galt: Keine Wasser­kraft — keine Produk­ti­on und keine Arbeit — kein Verdienst. Mitte März setzte zu allem Unglück hin starker Schnee­fall ein: »Der Schnee liegt an manchen Orten 3 bis 4 Fuß hoch« (ca. 1 Meter), so wurde berich­tet, und »die Post hatte mehre­re Stunden Verspä­tung, auch mussten Postwa­gen aus dem Schnee ausge­schau­felt werden«.

Doch schließ­lich siegte der Frühling und es wurde, wie Pfarrer Desal­ler im Pfarr­be­richt schreibt, »ein sehr guter Sommer« mit aller­dings »mittel­mä­ßi­gen Früchten«.

SCHULMEISTER MORASSI
Bekannt­lich gab es in Oberko­chen nicht nur zwei Kirchen mit ihren Pfarrern, sondern auch zwei konfes­sio­nel­le Schulen. Bei der katho­li­schen Schule war im Jahr 1852 Schul­meis­ter Johann Konrad Balluff, der 1827 den katho­li­schen Kirchen­chor gegrün­det hatte, auf eigenen Wunsch nach Ödheim bei Neckar­sulm versetzt worden. Sein Nachfol­ger »starb am 30. Juli 1858 an der Wasser­sucht« (so der Pfarr­be­richt), für ihn kam als Amtsver­we­ser Gustav Sautter an die Oberko­che­ner katho­li­sche Schule.

Im Oktober 1958 wurde die Stelle zur Beset­zung ausge­schrie­ben: »Die Bewer­ber um den katho­li­schen Schul‑, Mesner- und Organis­ten­dienst in Oberko­chen, welcher neben freier Wohnung 273 fl. Einkom­men gewährt, haben ihre Gesuche binnen 4 Wochen beim katho­li­schen Kirchen­rat einzureichen«.

Ob die Oberko­che­ner Schul­meis­ter­stel­le mit ihrem dreifa­chen Dienst­auf­trag attrak­tiv war, mag bezwei­felt werden. (Zur Verdeut­li­chung: Bei der Währungs­um­stel­lung 1870 wurde der Gulden zu 1,71 Mark umgerech­net; 273 Gulden entspra­chen somit 467 Mark, und im Mai 1858 bezahl­te man auf dem Aalener Wochen­markt (in Oberko­chen gab es noch keinen solchen) einen Gulden für 5 Pfund Ochsen­fleisch oder 2,5 Pfund Butter.

Zur Einstu­fung der Oberko­che­ner Lehrer­stel­le ist noch zu bemer­ken, dass zur selben Zeit auch die »katho­li­sche Schul‑, Mesner und Organis­ten­stel­le zu Schöne­berg bei Ellwan­gen« zur Beset­zung ausge­schrie­ben war, aller­dings mit dem kleinen Unter­schied, dass neben freier Wohnung ein Einkom­men von 321 Golden geboten wurde.

Auf die freie Oberko­che­ner Stelle wurde Schul­meis­ter Moras­si ernannt, der von Draken­stein bei Geislin­gen kommend sein Amt am 3. Dezem­ber 1858 antrat und fortan 90 katho­li­sche Schul­kin­der zu unter­rich­ten hatte. Moras­si war damals 35 Jahre alt, ob er verhei­ra­tet war und Familie besaß, wird nicht berichtet.

Da er auch Mesner und Organist war und diese Tätig­kei­ten zuwei­len auch während der Schul­zeit ausüben musste, bestimm­te er während seiner Abwesen­heit meist eine Schüle­rin als »Aufschrei­be­rin«, was ihn teilwei­se auch mit Eltern in Konflikt brach­te. Bei der Leitung des Kirchen­chor erwies er sich als tüchtig: »Unter Schul­leh­rer Moras­si kam der Katho­li­sche Kirchen­chor zu hohem Ansehen« (Festschrift »175 Jahre Kath. Kirchen­chor«). Im Winter musste er vor Unter­richts­be­ginn den Schul­raum heizen, blieb etwas vom »Schul­holz« übrig, durfte er es privat verwen­den, musste aber die Kosten fürs Holzma­chen bezah­len. Auch scheint er umfang­rei­ches Noten­ma­te­ri­al beses­sen bzw. zur Aufbes­se­rung seiner Haushalt­kas­se mit Noten gehan­delt zu haben. Denn am 26. Juli 1861 hatte er »Musika­li­en für Kirchen­mu­sik, Orches­ter, Streich­in­stru­men­te, Gesang, Gitar­re ect.« äußerst billig zu verkaufen.

Im Jahr 1878 wurde Moras­si als »Aufsichts­leh­rer« nach Unter­ko­chen versetzt. Dort unter­rich­te­te er wie im Aalener »Amts- und Intel­li­genz Blatt« zu lesen ist bis zu seinem 70. Lebens­jahr und feier­te am 16. Septem­ber 1893 sein fünfzig­jäh­ri­ges Dienst­ju­bi­lä­um. Am 3. Dezem­ber dessel­ben Jahres wurde er in den Ruhestand verab­schie­det. Mit der »Wehrdienst­me­dail­le des Fried­richs­or­dens« ausge­zeich­net, dirigier­te er bei diesem Anlass letzt­mals den Kirchen­chor bei der Auffüh­rung der F‑Dur-Messe von Schüt­ky in der Unter­ko­che­ner Marienkirche.

REPARATURARBEITEN
»In der katho­li­schen Kirche dahier ist eine Repara­ti­on vorzu­neh­men«, so lautet der Anfang einer Bekannt­ma­chung des Oberko­che­ner Schult­hei­ßen Wingert vom 24. Juli 1858 zur »Verak­kor­die­rung von Bauar­bei­ten«. Auffäl­lig dabei ist, dass die Ausschrei­bung von der bürger­li­chen Gemein­de ausgeht, offen­sicht­lich weil der Großteil der Arbei­ten sich auf den Außen­be­reich der Kirche bezog. Auch ging es (noch) nicht um die in jenen Jahren von Pfarrer Desal­ler angestreb­te Erneue­rung der wie Rudolf Heite­le im Heimat­buch schrieb »zu eng und baufäl­lig gewor­de­nen Barock­kir­che«, sondern um kleine­re Arbei­ten im Kirchen­in­ne­ren, die mit rund 187 Golden veran­schlagt waren.

Haupt­an­lie­gen war aber Abbruch der Umfas­sungs­mau­er und Eineb­nung des einge­schlos­se­nen Platzes, wofür 425 Gulden ausge­ge­ben werden sollten. Welcher »mit den nötigen Zeugnis­sen verse­he­ner Akkords Liebha­ben« den Auftrag erhielt, ist nicht berichtet.

Volkmar Schrenk

Oberkochen

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