Pfarrer Desal­ler infor­miert
Auch in Oberko­chen entschlos­sen sich immer wieder Leute zur Auswan­de­rung nach Ameri­ka. Um diesen Infor­ma­tio­nen zu geben über das, was sie im Land der »unbegrenz­ten Möglich­kei­ten« erwar­te­te, veröf­fent­lich­te Pfarrer Desal­ler im Januar 1853 im Aalener »Amts- und Intel­li­genz-Blatt« einen Brief seines Schwa­gers Dr. Erath, »der eine Farm in der Nähe von New York sein eigen nannte«, in dem er ein anschau­li­ches Bild ameri­ka­ni­scher Verhält­nis­se darstellte.

Zunächst nennt der Brief zwei Möglich­kei­ten zur Existenz­grün­dung im neuen Land. Der sichers­te, wenn auch beschwer­lichs­te Weg ist, sich durch »harte Arbeit und Entbeh­rung aller Genüs­se eine freie und siche­re Existenz auf einem passen­den Stück Land zu verschaf­fen«. Ein zweiter sei, so der Brief weiter, sich in Handel und Gewer­be zu versu­chen. Aber dies »erfor­dert ein größe­res Kapital und genaue Bekannt­schaft mit der engli­schen Sprache und den Gewohn­hei­ten des Landes«.

Weite­re Infor­ma­tio­nen werden zu Schulen und Kirchen gegeben. Letzte­re sind »Sache freier Überzeu­gung« und jedem steht offen, sich einer der zahlrei­chen kirch­li­chen Gemein­schaf­ten oder Sekten anzuschlie­ßen. Überhaupt mischt sich der Staat nicht in alles ein und gewährt dem Einzel­nen »persön­li­che Freiheit, welche die Menschen ungemein kräftigt und stärkt«.
Soweit einige Gedan­ken, die Pfarrer Carl Wilhelm Desal­ler, der ja seine politi­sche Tätig­keit inzwi­schen aufge­ge­ben hatte, seinen Pfarr­kin­dern mitteilte.

Da im Archiv die Zwischen­jahr­gän­ge nicht vollstän­dig erhal­ten sind und Nachrich­ten über Oberko­chen fehlen, greifen wir eine Meldung aus dem Jahre 1855 auf, bei der zwar kein eindeu­ti­ger Bezug aus Oberko­chen gegeben ist, die aber zeigt, wie man früher einiges »durch die Blume« zu sagen verstand.

Knochen­lie­fe­rung
Bekannt­lich haben 1980 Hüttlin­ger Kinder den Anstoß gegeben zur Entde­ckung eines alaman­ni­schen Gräber­felds in Oberko­chen, denn sie spiel­ten Fußball mit einem Toten­schä­del, der aus einem Oberko­che­ner Erdaus­hub stamm­te. Als man in Oberko­chen nachforsch­te, fand man zahlrei­che wertvol­le Grabbei­ga­ben, und natür­lich auch Knochen. Dass nun Knochen früher auch Handels­gut waren, lässt sich aus einer Zeitungs­an­zei­ge vom Febru­ar 1855 entneh­men, derzu­fol­ge »die Liefe­rung von mehre­ren tausend Zentnern Knochen im Wege des Akkords« vorge­nom­men werden sollte. Wer aber, so ist zu fragen, sollte »mehre­re tausend Zentner Knochen« benöti­gen (man stelle sich nur einmal diesen Knochen­berg vor!), zumal außer dem Verhand­lungs­da­tum 23. Febru­ar genaue­re Angaben zum Käufer in der Anzei­ge nicht gemacht wurden?

Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage fiel auf, dass der 25. Febru­ar 1855 als Bußtag began­gen wurde, weshalb der Aalener Oberamt­mann »an den vorher­ge­hen­den und nachfol­gen­den Tagen keine Erlaub­nis zum Tanz ertei­len« wollte. Sollte also der (vermeint­li­che) »Knochen Akkord« etwas mit Buße und Fasten zu tun haben? Der 23. Febru­ar war im Jahr 1855 der erste Freitag nach Beginn der Fasten­zeit und somit in Erinne­rung an den Karfrei­tag ein heraus­ge­ho­be­ner Tag. Anlass, sich von »alten Knochen«, sprich Tolle­rei und ausge­las­se­ner Freude zu verab­schie­den, worauf die Aalener Zeitung diskret und wie gesagt »durch die Blume« hinwei­sen wollte.

Wenden wir uns nun einer Meldung aus dem Jahr 1858 zu, bei der nicht verbürgt ist, ob sie tatsäch­lich aus Oberko­chen stammt, die aber in der Zeitung aus dem »Dorf O.….« berich­tet wird. Da es um die Frage
luthe­risch oder kathoilsch?
geht, könnte sie aus Oberko­chen stammen, da nicht allzu­vie­le Dörfer konfes­sio­nell gemischt waren. Anderer­seits wird in ihr der örtli­che Schult­heiß, von dem anschlie­ßend die Rede ist, als etwas einfäl­tig darge­stellt, was vom damali­gen Oberko­che­ner Schult­heiß Micha­el Wingert nicht behaup­tet werden kann. Doch entschei­den Sie selbst! Im August 1858 berich­tet ein Einsen­der »aus dem Dorf O.…« folgendes:

»Bei der Verlo­bung eines evange­li­schen Bräuti­gams mit einer katho­li­schen Braut nahm der Schult­heiß in den Verlo­bungs­ver­trag hinsicht­lich der konfes­sio­nel­len Stellung der später dieser Ehe entstam­men­den Kinder folgen­den Passus auf: »Ist der erste Knabe ein Sohn, so werden die Kinder luthe­risch, ist er aber ein Mädle, so werden sie katholisch«.

Kreis­ober­forst­meis­ter?
Natür­lich gab es Titel und Stellung eines »Kreis­ober­forst­meis­ters« nicht, und schon gar nicht in Oberko­chen. Dennoch lesen wir diesen Titel im Febru­ar 1858 in der Aalener Zeitung bei einer Nachricht aus Oberko­chen. Ein Einsen­der berich­tet dort von einer Neuig­keit, die darin bestehe, »dass vor einigen Tagen ein neuer Waldmeis­ter gewählt wurde, dem man wegen seiner Befähi­gung zu dieser Stelle alsbald den Titel »Kreis­ober­forst­meis­ter« beigelegt hat«. War es der Neid eines nicht zum Zuge gekom­me­nen Bewer­bers, war es Furcht, neue Besen könnten besser kehren, oder war es einfach Lust am Löcken wider den Stachel? Wie dem auch sei, der Gewähl­te griff ebenfalls zur Feder und nannte im Aalener »Amts- und Intel­li­genz-Blatt« den anony­men Einsen­der einen, der ihn wohl verhöh­nen wolle, wenngleich nach Ansicht vieler Bürger wegen der »bekann­ten mangel­haf­ten Bewirt­schaf­tung der Oberko­che­ner Gemein­de­wal­dun­gen schon längst die Aufsicht eines Kreis­ober­forst­meis­ters sehr nötig und wünschens­wert gewesen wäre«. Dennoch, so der neue Waldauf­se­her weiter, lehne er den Titel für seine Person ab, überlas­se ihn aber gerne denen, »die ihn notwen­dig haben, um ihre Blöße und Unbedarft­heit dahin­ter zu verber­gen«. Er selbst wolle nur Waldmeis­ter sein und verspre­che dieses Amt gewis­sen­haft zu führen.

Was ist die Ehre eines Gemein­de­rats wert?
Um was es genau gegan­gen war, sagt die Zeitungs­mel­dung vom 23. Febru­ar 1858 nicht. Nur soviel wurde deutlich, dass ein Oberko­che­ner Bürger sich wegen eines Brunnens mit einem Gemein­de­rat angelegt hatte. Dabei war es zwar wie in Oberko­chen durch­aus immer wieder passie­rend nicht zu tätli­cher Ausein­an­der­set­zung gekom­men, doch hatte man sich Schimpf­wor­te an den Kopf und mit unflä­ti­gen Ausdrü­cken um sich gewor­fen, so dass der Gemein­de­rat beim Aalener K. Amtsge­richt gegen den Bürger eine »Ehren­be­lei­di­gungs­kla­ge« einreichte.

Doch ehe es zur Verhand­lung kam, machte der Gemein­de­rat in Form eines Vergleichs­ver­suchs einen Rückzie­her. Sein Angebot war, die Klage zurück­zu­neh­men, wenn »der Gegner 1 Kronen­ta­ler an ihn, 2 an seine Frau und weiter zwei Kronen­ta­ler an seine Kinder zahlen« würde. Diesen Handel griff ein Einsen­der auf und fragte in der Zeitung, wieviel die Ehre eines Gemein­de­rats wert sei und ob »man um Geld die Ehre eines Gemein­de­rats verun­glimp­fen darf?«

Leider ist in der Zeitung keine Antwort auf diese Frage zu finden, weshalb wir uns bis zur nächs­ten Folge verta­gen und den Lesern neben­bei anheim stellen, beim Bild, das die Einsen­dung zum Waldmeis­ter­ti­tel zeigt, das unmit­tel­bar über dem »Einge­sen­det« abgedruck­te Rätsel zu lösen.

Oberkochen
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Volkmar Schrenk

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