Unser heuti­ger Bericht stammt wieder aus der Feder von Frau Luitgard Hügle aus Itali­en. Sie sandte uns nieder­ge­schrie­be­ne Erinne­run­gen zum Thema Kinder­gar­ten in Oberko­chen. Die Zeit, in die der Bericht verweist, ist die unmit­tel­ba­re Nachkriegs­zeit. Der im Bericht erwähn­te Sommer­kin­der­gar­ten befand sich bis 1948/49 hinter dem Schul­haus in der Dreißen­tal­stra­ße, ungefähr dort, wo sich heute die hinte­ren Parkplät­ze befin­den. Unmit­tel­bar im Anschluß daran befan­den sich die Gärten der Lehrer Leo Klotz­bü­cher u. a. Ab 1949 war der Sommer­kin­der­gar­ten dann im Jäger­gäß­le hinter dem frühe­ren Forst­haus — heute Feuerwehrhaus.

Das von uns zu diesem Bericht veröf­fent­lich­te Foto stammt nach überein­stim­men­der Auskunft mehre­rer von Frau S. Zweig befrag­ter Bürger aus der Zeit vor 1930. Es ist angeb­lich 1927 anläß­lich des ersten Kinder­fes­tes in Oberko­chen entstan­den. Für diese Datie­rung spricht, daß sich links im Erdge­schoß des »Hirsch« noch die Stallun­gen befin­den. Später befand sich dort der »Konsum« (heute Aalener Volks­bank), rechts, in den Räumen der Scheu­er, die Firma Krok. (Siehe dazu unser Foto Nr. 2, das uns freund­li­cher­wei­se von Frau E. Nagel zur Verfü­gung gestellt wurde.)

Oberkochen

Für das Jahr 1927 kommen als Schwes­tern (in unserem Bild sind 4 Schwes­tern erkenn­bar) laut einer Auflis­tung einer im Jahre 1981 anläß­lich des 75jährigen Bestehens des Katho­li­schen Kranken­pfle­ge­ver­eins Oberko­chen erschie­ne­nen kleinen Denkschrift nur in Frage:

Schwes­ter Maria Dorothea (5.7.1924 — 1.4.1930)
Schwes­ter Maria Lina (6.8.1924 — 16.5.1946)
Schwes­ter Maria Ostinia­na (7.5.1925 — 6.9.1934)
Schwes­ter Maria Arial­da (25.10.1926 — 20.9.1929)

Bezüg­lich Schwes­ter Lina, die mit 22 Jahren einen außer­ge­wöhn­lich langen Dienst geleis­tet hat, ist überlie­fert, daß sie als Kinder­schul­schwes­ter für die größe­ren Kinder sehr beliebt war und von den Kindern nahezu »vergöt­tert« wurde.

Dem im Anschluß an diese Zeilen veröf­fent­lich­ten Bericht von Frau Hügle darf noch angefügt werden, daß es tatsäch­lich zutrifft, daß das Schwes­tern­haus neben der katho­li­schen Kirche bis 1944 Anlauf­sta­ti­on für Erste Hilfe war. Erster Arzt in Oberko­chen war Dr. Sußmann, der, wie er im Heimat­buch selbst schreibt, 1944 »nach seinem Dienst­schluß im Heiden­hei­mer Wehrmachts­la­za­rett bei den hiesi­gen Einwoh­nern eine wohl für alle Teile erfreu­li­che »Rauch­fleisch- und Eierpra­xis« betrieb.« Ergän­zend darf auch aus der erwähn­ten Festschrift ein kleiner Ausschnitt aus dem von Pfarrer Snoeren verfaß­ten Bericht zur Geschich­te des Kranken­pfle­ge­ver­eins zitiert werden (1981): »75 Jahre also sind Schwes­tern, dem Franzis­ka­ne­rin­nen­klos­ter Reute zugehö­rig, im Dienst an den Menschen in Oberko­chen. Wieviel stilles, gütiges und gekonn­tes Helfen an jung und alt, in gesun­den und kranken lägen ist darin beschlossen.«

Dietrich Bantel

Kinder­gar­ten in Oberko­chen
Das erste Mal war ich im Kinder­gar­ten im alten Schwes­tern­haus, bevor ich überhaupt in den Kinder­gar­ten ging. Ich hatte mir einen großen Spälter (Spreis­sen) ins Knie gesto­ßen, den meine Mutter nicht heraus­zie­hen konnte. Also lud man mich aufs Leiter­wä­ge­le und ab ging’s ins Schwes­tern­haus. Es war am Spätnach­mit­tag nach einem Gewit­ter. Es hatte mächtig gereg­net und vor dem »Lamm« ström­te das Wasser zu einem See zusam­men. Im Kinder­gar­ten waren die Stühl­chen auf die Tische gestellt und man mußte erst Platz machen, bevor die Kranken­schwes­ter mein Knie versor­gen konnte. In diesem Raum haben wir, dann im Winter unter Anlei­tung der Schwes­ter gespielt, gebas­telt und gemalt. Aber richtig schön wurde es im Frühjahr, als man raus durfte auf den Hof hinter dem Schwes­tern­haus. Als es auf Ostern zuging, warte­ten wir alle auf den Oster­ha­sen. Als er dann am oberen Fenster des Schwes­tern­hau­ses sicht­bar wurde, war die Freude bei allen Kindern groß. Zuerst sah man nur manch­mal die großen Ohren hinter den Fenstern, kurz vor Ostern jedoch wurde der große Oster­ha­sen­kopf sicht­bar. In diesen Tagen mußte dann auch jedes Kind ein paar Eier, etwas Mehl und Zucker mitbrin­gen, damit es nicht nur papier­ne Häschen im Oster­nest gab.

Von diesem Hof aus ging hinten raus ein Türchen: man kam ganz unten am Mühlber­ge­le raus. Norma­ler­wei­se war es geschlos­sen, aber beim Ausflug aufs Bildstöck­le ging man am frühen Morgen durch diese Tür. Natür­lich konnten nur die größe­ren Kinder mitkom­men, denn es war ganz schön weit durchs Langen­teich bis zum Bildstöck­le und zurück. Aber man hatte den ganzen Tag zur Verfü­gung und auch ein Vesper und einen Tee dabei. So ein Wander­tag durch den Wald mit Heidel­beer­stau­den, Pilzen und was es sonst noch im Hochwald zu sehen gab, war ein großes Erlebnis.

Wenn dann der Sommer kam, zog der Kinder­gar­ten um. Hinter dem Schul­haus war der Sommer­kin­der­gar­ten, eine Spiel­wie­se und eine offene Holzhüt­te, die Schutz vor Regen und zuviel Sonnen­schein bot. Um dahin zu gelan­gen, mußte man um das »Schul­scheiß­häus­le« rumge­hen. Da stank es mächtig raus und soweit man reinse­hen konnte, war es auch nur mit Gummi­stie­feln zu betre­ten. Außer­dem wurden die Kinder­schü­ler natür­lich von den großen Schülern aufge­zo­gen und ausge­lacht. Aber das Schlimms­te war das letzte, eng einge­zäun­te Stück Weg bis zum Garten­tor. Da war der Boden fast immer feucht und weich und es hatte Schne­cken: Rote und schwar­ze, dünne und dicke und alle eklig.

Aber drin war es dann meist sehr lustig. Man sang und machte einen Kreis mit dem weinen­den Marie­chen in der Mitte oder alle setzten sich neben­ein­an­der auf die Bank zum »Ringlen, Ringlein, du mußt wandern …«. Einmal hat meine sonst beste Freun­din mich sehr aufgezogen.

Ich bat meinen Vetter Hansjörg, sie in die Brennes­seln zu schucken (stoßen). Kaum war sie wieder da und saß auf der Bank neben mir, als sie wieder anfing mit »Litsche, Pritsche .. .« Ich wußte mir nicht mehr zu helfen, nahm ihren Arm und biß kräftig hinein. Alle Zähne hat man gesehen und alle Kinder haben sich das bemit­lei­dend angese­hen. Ihre Mutter hat später zu meiner Mutter gesagt, man wüßte ja nicht, ob ich nicht vielleicht tollwü­tig sei und sie waren darauf­hin lange nicht gut mitein­an­der. Die sonst so gute Schwes­ter Lina hat mich natür­lich gleich mächtig ausgeschimpft.

Im Herbst ging es dann wieder ins Schwes­tern­haus. Diesmal hatte ich meinen Bruder an der Hand. Auf unserem Weg durch die Feigen­gas­se staun­ten wir über die vielen Schwal­ben, die sich zwischen Balle, Seitz und Hommel­bau­er versam­mel­ten, um den Weg in den Süden anzutre­ten. Dort auf dem Hof, wo der Guten­bach verdohlt war, und man auf der rechten Seite das Wasser wieder heraus­spru­deln sah, war es auch, daß mich eine der zischen­den Gänse mit ihren langen Hälsen mit dem Schna­bel am Rockge­packt und in den Dreck gezogen hat. Ich kam mit dem Schre­cken davon, doch traue ich den Gänsen bis heute nicht. Doch an die schöne Zeit des Kinder­gar­tens denke ich gerne zurück und wenn ich etwas suche, fällt mir automa­tisch ein, was uns die Schwes­tern vorge­sagt haben: »Heili­ger Antoni­us guter Ma, führ mi an mein Schlüs­sel na«.

Luitgard Hügle, Italien

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