Beim letzten Mühlen­fest brach­te uns Franz Weber (Rose) das Oberko­che­ner Steuer­büch­lein seines Vaters Josef Weber zur Ansicht mit und schlug genüss­lich eine Doppel­sei­te des Jahres 1923 auf. In der zweiten Hälfte dieses Jahres hatte Josef Weber einige unglaub­li­che, ja astro­no­mi­sche Summen an Steuern an die Gemein­de Oberko­chen entrich­tet. War es im August 1923 ein Betrag, der noch knapp unter einer Milli­on Mark gelegen hatte, dann fielen im Septem­ber schon etwas mehr als 77 Millio­nen Mark an Steuern an, die Josef Weber als Einzel­per­son zu bezah­len hatte. (Das Gesamt­jah­res­haus­halts­vo­lu­men der Stadt Oberko­chen betrug im Jahr 2001 ca. 53 Millio­nen Mark).

Oberkochen
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Den Erhalt der gewal­ti­gen Summen bestä­tig­te in der Regel der Gemein­de-Steuer­ein­trei­ber Gold; aber auch mit den Namen Haas und Frank wird für den Empfang gezeich­net. Kein gerin­ge­rer als der damali­ge Schult­heiß Richard Frank persön­lich nahm von Josef Weber am 14. 9. 1923 die statt­li­che Summe von 24 Millio­nen und fünfhun­dert­zwan­zig­tau­send Mark entgegen.

Im Oktober 1923 quittier­ten die Herren Gold und Frank dem Josef Weber den Erhalt von fast 510 Milli­ar­den Mark. Am 10. 1. 1924 bezahl­te Josef Weber an einem einzi­gen Tag die unvor­stell­ba­re Summe von 5,6 Billio­nen Mark Steuern. (Eine Billi­on = 1000 Milli­ar­den = eine Ziffer mit 12 Nullen dahin­ter). Es muss sich bei diesem Betrag wohl um eine Steuer-Nach-Zahlung gehan­delt haben, die, wie auch jetzt die D‑Mark bei der Umstel­lung auf Euro noch in »alter Währung« angenom­men wurde, denn der Höhepunkt des »Rätsels« war bereits im Novem­ber 1923 erreicht. 5,6 Billio­nen Mark Steuern — ein Betrag, der nicht mehr vorstell­bar erscheint; man könnte dafür auch sagen: 5600 (fünftau­send­sechs­hun­dert) Milli­ar­den Mark.

Was geschah mit diesen Unsum­men von Geld, die einmal im Besitz der Stadt waren? Wie kommt es, dass heute wichti­ge städti­sche Aufga­ben nicht in Angriff genom­men werden können, weil nicht genügend Geld im Stadt­sä­ckel ist, nachdem es seiner­zeit doch so prall gefüllt war?
Man frägt doch, wenn man Logik hat, wer das Geld verlu­dert hat…

Des Rätsels Lösung:
Beim Bäcker musste man fürs Brot und beim Metzger für ein paar Würst­chen, wenn man überhaupt etwas bekam, mit ganzen Koffern voll Papier­geld, dessen Wert gegen Ende dieser Entwick­lung fast stünd­lich gerin­ger wurde, bezahlen.

Im Novem­ber des Jahres 1923 wurde das Geld, das durch die »Infla­ti­on« für Deutsch­land als Folge aus den Repara­ti­ons­for­de­run­gen der Alliier­ten aus dem verlo­re­nen Ersten Weltkrieg immer wertlo­ser gewor­den war, endgül­tig »entwer­tet«. Die alte Mark wurde im Verhält­nis »Eine Billi­on Mark zu einer neuen Mark« (Renten­mark) abgewer­tet. Das heißt, dass man für 20 solcher 50 Milli­ar­den Mark Schei­ne vom 10. Oktober 1923, (unsere Abbil­dung), im Umtausch eine einzi­ge neue Renten­mark bekam, und, dass die 5,6 Billio­nen Mark Steuern des Josef Weber im Oktober nach der Entwer­tung exakt 5 Mark und 60 Pfenni­gen entsprachen.

Es war eine schlim­me Zeit, die die Menschen in grenzen­lo­se Armut stürz­te, vor allem die, die sich Geld angespart hatten. Sie waren fast von heute auf morgen zu armen Leuten gewor­den. Auf der nächs­ten Doppel­sei­te im Steuer­büch­lein des Josef Weber lässt sich die gigan­ti­sche Abwer­tung ablesen: Er hatte im Febru­ar 1924 nur noch 15.90 Mark an Steuern zu bezah­len.
Erhal­ten: Gold.

Dietrich Bantel

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