Rosskur zum Volkmars­berg
Der Volkmars­berg war nicht nur Oberko­chens »Hausberg«, er war auch immer wieder Ziel auswär­ti­ger Wande­rer. So schrieb der Aalener Lieder­kranz »Harmo­nie« für den Himmel­fahrts­tag am 29. Mai 1851 eine »Frühpar­tie auf den Volkmars­berg bei Oberko­chen« aus, zu der »Mitglie­der und sonsti­ge Lusttra­gen­de« einge­la­den waren. Wievie­le Sanges­ge­nos­sen samt Anhang sich aufmach­ten und an der Frühwan­de­rung teilnah­men, wird nicht gemel­det. Vermut­lich war aber die Sache nicht nur, weil der »Sammel­platz beim Gasthaus zum »Ross« in Aalen« lag, eine Art Rosskur, sondern vor allem deshalb, weil »morgens um 4 Uhr (kein Druck­feh­ler!) abmar­schiert« wurde« und auf dem Berg damals weder Turm noch Hütte existierten.

NOTHILFE
Wenn irgend­wo im Land eine Überschwem­mungs­ka­ta­stro­phe ganze Landstri­che heimge­sucht oder eine Feuers­brunst nahezu einen ganzen Ort einge­äschert hatte, wurde meist in der Zeitung zur Linde­rung der Not aufge­ru­fen. So auch 1851 als in der Nacht vom 31. Juli auf 1. August hefti­ge Gewit­ter und Wolken­brü­che vor allem im mittle­ren Neckar­raum »furcht­ba­re Verhee­run­gen« angerich­tet hatten: Straßen und Eisen­bahn­li­ni­en waren überschwemmt, Brücken fortge­ris­sen, aus vielen Landes­tei­len kamen Hiobs­bot­schaf­ten (siehe Zeitungsausschnitt).

Volkmar Schrenk

Durch die schwe­ren Schäden veran­lasst, rief das König­li­che Consis­to­ri­um in Stutt­gart zu einer Geldsamm­lung zuguns­ten der Katastro­phen­ge­schä­dig­ten auf. Darauf­hin beschloss der Oberko­che­ner Kirchen­kon­vent nach einer Kanzel­ab­kün­di­gung am Sonntag drei Männer mit der Einsamm­lung von Geldspen­den bei den Gemein­de­glie­dern zu beauf­tra­gen. Also machten sich Stiftungs­pfle­ger Wirth und die beiden Pfarr­ge­mein­de­rä­te Micha­el Bäuerle und Johann Georg Koppe auf den Weg zu den (laut Pfarr­be­richt des Jahres 1850) »424 evange­li­schen Seelen«, von denen aber 214 Kinder waren (ganz Oberko­chen zählte damals 1183 Einwoh­ner, 582 männli­chen, 597 weibli­chen Geschlechts).

Nach Abschluss der Aktion veröf­fent­lich­te die evange­li­sche Gemein­de das Ergeb­nis der Sammlung in der Aalener Zeitung: 24 Gulden waren zusam­men gekom­men.
Ob dies wenig oder viel war? Gewiss, angesichts der immensen Schäden ein Tropfen auf den heißen Stein. Jedoch gilt es zu beden­ken, die Gaben Oberko­che­ner Bürger entstamm­ten nicht etwa vorhan­de­nem Reich­tum, sondern waren dem bibli­schen Scherf­lein der armen Witwe gleich zu setzen. Diese Einschät­zung bestä­tigt auch ein Vergleich mit Aalen. Dort kamen bei 3500 Einwoh­nern 67 Gulden zusam­men. Also konnte sich das Oberko­che­ner Ergeb­nis sehen lassen.

ZWANGSVERKÄUFE
Der evange­li­sche Geist­li­che Oberko­chens, Pfarrer Römer, berich­tet, Gewit­ter und Hagel­schlag hätten im Jahr 1850 zwar in der Umgebung Oberko­chens beträcht­li­che Schäden verur­sacht, der Ort selbst sei aber glimpf­lich davon gekom­men. Dennoch war die Landwirt­schaft — und sie stell­te damals die Haupt­ein­nah­me­quel­le der Oberko­che­ner dar — äußerst anfäl­lig gegen Unwet­ter, Feuer, Seuchen, wie z. B. Milzbrand, über dessen Auftre­ten in Oberko­chen Pfarrer Römer auch berich­tet. Zumal kein Versi­che­rungs­schutz bestand, waren Armut und Hunger Folge solcher Missstän­de, denen oft auch Zahlungs­un­fä­hig­keit folgte. War dieses Stadi­um erreicht, wurde das Eigen­tum der Betrof­fe­nen im »Gant« verstei­gert. Die Unglück­li­chen mussten dann mit dem Armen­haus Vorlieb nehmen (es lag in der Gegend der heuti­gen Mühlstra­ße rechts des Kochers und war bis zum Bau einer Brücke im Jahr 1769 nur durch eine Fort im Kocher zu errei­chen), oder sie konnten sich zur Auswan­de­rung entschließen.

Gantver­fah­ren, also »Verstei­ge­run­gen im öffent­li­chen Aufstreich« wurden in der Zeitung bekannt gegeben. So wurde z. B. am 20. Mai 1851 die »zur Gantmas­se der Eheleu­te Franz F. gehöri­ge Liegen­schaft ausge­bo­ten, bestehend in der Hälfte von einem einstö­cki­gen Wohnhaus mit 9 Ruthen Gemüse­gar­ten dabei«.

Eine andere Anzei­ge fiel etwas aus dem üblichen Rahmen und eröff­net Einsicht in die damals übliche Praxis der Alters­für­sor­ge. Denn dabei sollten nicht Haus und Grund­stück verkauft werden, sondern »der zur Gantmas­se des Gottlieb S. gehöri­ge Ausge­ding«, d. h. ein Alten­teil »bestehend in Wohnungs­recht, Früch­ten, Schmalz, Fleisch, Kraut und Holz«, also aus allem, was wohl damals zum Leben gehör­te. Ein weite­rer Aspekt, der in der Anzei­ge genannt wird, ist noch inter­es­sant. Ein Gläubi­ger hatte bereits 150 Gulden geboten. Jedoch Schult­heiß Wingert war der Ansicht, dies sei zu wenig. Er führte einen Gerichts­be­schluss herbei, nach dem am 1. Dezem­ber 1851 erneut ein »öffent­li­cher Aufstreich« angesetzt wurde, um das Ausding­recht noch Gewinn bringen­der zu verstei­gern. Ob dies gelang, wird jedoch nicht gesagt.

1852 — EIN RUHIGES JAHR
Im Jahr 1852 berich­tet der Aalener »Verkün­di­ger« sehr spärlich aus Oberko­chen. Nur drei Ereig­nis­se werden erwähnt. Für den 6. Mai 1852 war durch das »Forst­amt Heiden­heim, Revier Oberko­chen« ein Holzver­kauf angekün­digt, der an Ort und Stelle »im öffent­li­chen Aufstrichs« vor sich gehen sollte, d. h. das Holz wurde an den Meist­bie­ten­den verstei­gert und zwar:

1) Im Staats­wald Stein­obst: 10 Klafter Abfall­holz und 10550 Stück buchene, ungebun­de­ne Wellen,
2) Im Staats­wald Kloster­abts: 7 Klafter aspene Schei­ter und Prügel und 10375 Stück buchene unauf­ge­mach­te Grüzelreiswellen.

Bemer­kens­wert an dieser Verstei­ge­rung sind die gegen 21000 »Wellen« und die angege­be­nen Flurna­men, die in gängi­gen Verzeich­nis­sen Oberko­che­ner Flurna­men nicht auftauchen.

Am 18. Juni 1852 taucht der Name Oberko­chen wieder­um im Aalener »Verkün­di­ger« auf, diesmal in einer »Amtli­chen Bekannt­ma­chung«. Jedoch ist der Anlass weder eine staat­li­che Anord­nung, noch ein mensch­li­ches Schick­sal, nein, es ging um einen »einge­stell­ten Hund«, der dem Oberko­che­ner Müller Lindner zugelau­fen war. Das Tier wird als »großer Tiger­hund weibli­chen Geschlechts, von grauer Farbe mit schwar­zen Platten« beschrie­ben, dessen »eine Klaue am hinte­ren linken Fuß abgedrückt« ist. Der Eigen­tü­mer des Hundes wird aufge­for­dert, das Tier inner­halb von 14 Tagen abzuho­len gegen Erstat­tung von Futte­rungs­kos­ten und der »Einrü­ckungs­ge­bühr, widri­gen­falls ander­wei­tig über das Tier verfügt wird«.

Als drittes Ereig­nis im Jahr 1852 überschat­te­te am 15.November ein tragi­scher Unglücks­fall das Jahres­en­de. Diesem fiel der Sohn des Oberko­che­ner Revier­förs­ters Kuhnle zum Opfer: »Heute Nachmit­tag um 2 Uhr wurde dem Leben meines lieben Sohnes Wilhelm im 15. Jahr seines Lebens durch einen unglück­li­chen Schuss ein unver­mu­tet, schnel­les Ende gemacht. Groß ist der Schmerz!« so setzten die Eltern, »der König­li­che Revier­förs­ter Kuhnle mit seiner Gattin Verwand­te und teilneh­men­de Freun­de von dem gräss­li­chen Ereig­nis in Kennt­nis«. Was genau passiert war wird in der Zeitung nicht näher beschrie­ben. Nur einige Tage nach der Beerdi­gung bedank­ten sich die Eltern bei »all denje­ni­gen, die unserem lieben Sohn Wilhelm die letzte Ehre gaben und ihn zu seiner Ruhestät­te begleiteten«.

Obwohl also das Jahr 1852 in Oberko­chen keine großen Schlag­zei­len machte, soll noch auf zwei auch für Oberko­chen bedeut­sa­me überre­gio­na­le Nachrich­ten einge­gan­gen werden.

FALSCHGELD
Schon im Jahr 1807 waren in Württem­berg »alle auslän­di­schen Kreuzer­stü­cke verbo­ten worden« — dazu zählten z. B. bayeri­sche, badische, hessi­sche Münzen. Nun »kursier­ten« nach einer Verlaut­ba­rung des Aalener Oberamts­manns Bohnen­ber­ger »seit einiger Zeit hier in der Gegend Bayern’sche Heller in auffal­len­der Weise als Pfenni­ge«. Dies sei, so der Oberamt­mann weiter, haupt­säch­lich der Gewinn­sucht Einzel­ner zuzuschrei­ben, denn diese »machen sich ein Gewer­be daraus, solche Heller in Bayern aufzu­kau­fen und sie mit ansehn­li­chem Vorteil in Württem­berg in Umlauf zu setzen«. Diesen Handel mit Schwarz­geld galt es zu unter­bin­den und diesem Treiben nun mit Hinweis auf Artikel 13 des Polizei­straf­ge­set­zes ein Ende zu berei­ten. Deshalb wurden Perso­nen, die außer Kurs gesetz­te Münzen, »selbst wenn sie echt wären«, ins König­reich einführ­ten oder mit ihnen bezah­len wollen, angedroht: a) die Münzen zu »confis­zie­ren« b) die Händler zwei bis vier Wochen in Arrest zu nehmen oder c) sie mit einer Geldstra­fe von bis zu 50 Gulden zu belegen. Gemes­sen an den 24 Gulden, die in Oberko­chen (wie eingangs berich­tet) für die Opfer der Unwet­ter­ka­ta­stro­phe gesam­melt wurden, waren 50 Gulden Geldstra­fe sicher­lich kein Pappenstiel.

GEGEN MISSSTÄNDE BEI DER KIRCHWEIH
Aus dem »Aalener Proto­koll« von 1749 wissen wir, dass Kirch­weih unter dem Festen des Jahrkrei­ses auch in Oberko­chen sozusa­gen Königin unter den Festen war, und zwar was die Beliebt­heit anging, als wegen verschie­den­ar­tigs­ter Auswüch­se, die von Zeit zu Zeit überhand nahmen und dann von der Obrig­keit bekämpft wurden. So heißt es im Aalener Proto­koll: »Weil missfäl­lig wahrge­nom­men, dass bei der jährli­chen Kirch­weih mittels des oft ganzer acht Tage lang währen­den Zechens und Tanzens sich ein nicht gerin­ger Missbrauch ereig­net, so wird die Dauer derglei­chen Kirch­weih­lust­bar­kei­ten in Zukunft auf nur drei Tage reduzieret«.

Um 1850 war wohl das Pendel der Festi­vi­tä­ten wieder einmal ins Negati­ve ausge­schla­gen. Deshalb erschien am 1. Oktober 1852 im Aalener »Verkün­di­ger« ein Dekret der König­lich Württem­ber­gi­schen Regie­rung, das befahl, »Kirch­weih­fei­ern in sämtli­chen evange­li­schen Gemein­den des Landes sollen künftig nur am 3. Sonntag des Monats Oktober statt­fin­den«. Aber nicht nur der Termin wurde festge­schrie­ben, sondern auch verfügt:

1) »Inner­halb von sechs Tagen vor dem Fest und sechs Tage danach darf keine Tanzerlaub­nis erteilt werden.
2) Der Tanz am Kirch­weih­fest darf erst nach Beendi­gung des Sonntags­got­tes­diens­tes begin­nen, falls Tanzen am Sonntag überhaupt erlaubt ist. In Gemein­den, in denen ein Sonntags Tanzver­bot besteht darf erst am folgen­den Montag nachmit­tags getanzt werden, auf alle Fälle muss der Tanz spätes­tens um Mitter­nacht geendet sein.
3) Schul­kin­der dürfen nicht allein, zur Nacht­zeit auch nicht in Beglei­tung auf dem Tanzplatz anwesend sein,
4) Mitglie­der des Gemein­de­rats haben über die Einhal­tung der Anord­nun­gen zu wachen«.

Wohlge­merkt, dies war eine Anord­nung der evange­li­schen Kirchen­be­hör­de, die aber als amtli­che Verlaut­ba­rung von der »Regie­rung des Jagxt­krei­ses in Ellwan­gen an sämtli­che Oberäm­ter des Kreises (also Aalen, Crails­heim, Ellwan­gen, Gaildorf, Gerabronn, Gmünd, Hall, Heiden­heim, Künzels­au, Mergen­theim, Neres­heim, Oehrin­gen, Schorn­dorf, Welzheim) weiter­ge­ge­ben wurde. Am 30. Septem­ber 1852 eröff­ne­te demnach der Aalener Oberamt­mann Bohnen­ber­ger diese Anord­nung allen Ortsbe­hör­den des Oberamts »zur genau­en Beach­tung«, wobei kein Unter­schied zwischen den Konfes­sio­nen gemacht wurde.

In Oberko­chen war man deshalb bestrebt, Auswüch­se des Kirch­weih­fes­tes möglichst klein zu halten. So wurde später z. B. der Pfarr­ge­mein­de­rat »im Blick auf die Kirch­wei­he daran erinnert, dass es für eine würdi­ge Feier des Tages in der Gemein­de Sorge zu tragen habe und der unwür­di­gen Art dieser Feier, wie sie in der Regel üblich ist, beson­ders bei der erwach­se­nen Jugend entge­gen zu steuern«.

Dennoch wurde Jahr für Jahr Kirch­weih gefei­ert, mal mehr, mal weniger als Fest des Tanzes und der drei »K«: Kuchen, Knack­wurst und Kartof­fel­sa­lat«. Und so lebt sie bis in unsere Zeit weiter, denn für die »Königin unter den Festen« galt trotz aller Auswüch­se und Regle­men­tie­rung schon immer: »Die Kirch­weih ist tot — es lebe die Kirchweih«.

(Fortset­zung folgt)

Oberkochen

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