»Beim Mühlen­fest am Nußbach«, das der Heimat­ver­ein am 1. und 2. Septem­ber 2001 in der Aalener-Straße auf dem Grund­stück Rose/Weber abhielt, erzähl­te mir der damals 89 jähri­ge Paul Gold, den man in Oberko­chen unter seines Vaters Hausna­men »Englän­ders Paul« kennt, eine Geschich­te vom Nußbach, die mit unserer nunmehr abgeschlos­se­nen WIGO Serie zu tun hat:

Paul Gold arbei­te­te früher beim WIGO (Wi lhelm G rupp O berko­chen).
In den 20er-Jahren kamen einmal sein Chef, der Herr Zeller, mit seinem Fahrer, dem Herrn Stock, im Auto von einer Geschäfts­fahrt von Aalen herauf nach Oberko­chen zurück.

Autos konnten sich damals in Oberko­chen nur die wenigen Indus­tri­el­len, die man »Fabri­kan­ten« nannte, leisten.

Das Auto war ein störri­scher, aber zu dieser Zeit natür­lich hochmo­der­ner Kasten. Die Räder hatten noch Holzspei­chen, sagte der Englän­ders Paul. Aber man konnte damit schon ganz schön schnell fahren für damali­ge Zeiten.

Nach der Links­kur­ve hinter der Kocher-Brücke bog das Fahrzeug mit einem solch dynami­schen Schwung in die gerade Straße ein, die vollends nach Oberko­chen hinein­führt, dass der Fahrer Stock das Gerät nicht mehr so richtig auf die gerade Strecke brach­te und weiter nach links den »Roinen« hinab Richtung Nußbach schoss und in densel­ben hinein.

Der Chef Zeller sagte, als das Auto von der Straße abhob und den Abhang hinun­ter bachwärts holper­te, furztro­cken: »Gud Naacht, Schdoog«.

Alsbald blieb das Gefährt in einer so außer­ge­wöhn­li­chen Positi­on stecken, dass es sich in Windes­ei­le im ganzen Ort herum­sprach: Front­rä­der und Motor­block befan­den sich jenseits vom Nußbach im Gewann Schwörz, Hinter­rä­der und Heck diesseits im Gewann Nußbach. Unter den Sitzen im Führer­haus rausch­ten drohend die Fluten des gewal­ti­gen Nußbachs.

Chef, Fahrer und Automo­bil sollen den »Ausflug«, das heißt in diesem Fall: den Flug, der im Aus endete, sowie den abrup­ten Halt soweit gut überstan­den haben.

DB 21. 9. 2001

Am 12. 7. 2002 veröf­fent­lich­ten wir im Rahmen unserer heimat­kund­li­chen Bericht­erstat­tung in Bericht 422 das Foto eines Pritschen­wa­gens der Firma WlGO und baten unsere Leser, uns mögli­cher­wei­se Näheres über das alte Fahrzeug zu berichten.

Vor kurzem erhiel­ten wir nun einen Anruf von Paul Gold. Er bezog sich auf seine Erzäh­lung vom letzten Jahr (»Gud Naacht, Schdoog«) und auf das in jenem Bericht erwähn­te Automo­bil. Das in dem WIGO-Bericht gezeig­te Fahrzeug sei ohne jeden Zweifel identisch mit dem, das damals im Nußbach gelan­det ist.

Das Fahrzeug sei ursprüng­lich ein NSU-Perso­nen­wa­gen mit Holzspei­chen gewesen, der zum Zwecke der Beför­de­rung von Auslie­fe­rungs­wa­re und Geschäfts­fahr­ten in einen Pritschen­wa­gen umgebaut worden sei.

Ergän­zend teilte Herr Gold mir mit, dass der erwähn­te Fahrer Stock aus Hofen gestammt habe; der ebenfalls erwähn­te Chef Zeller sei aus Unter­ko­chen gewesen.

Paul Gold erinner­te sich an eine weite­re Episo­de, die sich mit diesem »hochmo­der­nen Kasten« ereig­net hatte: Und zwar sei der Chris­ti­an Grupp, Sohn des Firmen­grün­ders Wilhelm Grupp, zusam­men mit dem Marksa Sepp des öfteren irgend­wo hinter Heiden­heim an einem Weiher zum Angeln und Schwim­men gefah­ren — letzte­res konnten damals nur wenige Oberko­che­ner. Auf der Heimfahrt sei einmal auf der Höhe der heuti­gen Großbau­stel­le von Zeiss bei der Wasser­schei­de das linke Vorder­rad wegge­sprun­gen und in der langge­zo­ge­nen Kurve in die Felder gerollt. Auch bei diesem Malheur sei aber nichts weiter passiert. Zeitlich ordne­te Herr Gold das Foto auf Ende der Zwanzi­ger, oder, wie von uns vermu­tet, Anfang der Dreißi­ger Jahre ein. 1932 hatte Herr Gold ausge­lernt und kam zur Marine.

Uns wollte das Führer­haus (usw.) des in Bericht 422 abgebil­de­ten NSU-Klein­las­ters (»Pritschen­wa­gen«) der Firma WIGO für einen umgebau­ten PKW doch etwas sehr groß erschei­nen. Auch die Holzspei­chen konnten wir nicht erken­nen. Um heraus­zu­fin­den, ob das fragli­che Fahrzeug nicht doch eher ein gebore­ner Klein­las­ter und kein umgebau­ter PKW war, fertig­te uns PC-Spezia­list Frieder Ruoff eine Ausschnitt-Vergrö­ße­rung des Fahrzeugs, und so wurde schnell klar, dass es ein Lastwa­gen mit der Aufschrift »Magirus-Diesel« mit Metall­fel­gen ist. Die Firmen­be­zeich­nung »Wilhelm Grupp, Oberko­chen, Werkzeug und Maschi­nen­fa­brik« ist klar lesbar.

Oberkochen

Die beiden alten Geschich­ten von Paul Gold indes, dem wir seitens des Heimat­ver­eins herzlich zu seinem 90. Geburts­tag gratu­lie­ren, sind dennoch Gold wert.

Zu der in Bericht 422 v. 12. 7. 2002 gestell­ten Frage zu dem Stereo-Dia-Betrach­tungs­ge­rät des Wilhelm Grupp teilte uns Eugen Tritt­ler, Unter­schneid­heim, mit, dass es sich nach einem ihm vorlie­gen­den Katalog­buch des Jahres 1942 um ein Gerät der Firma Schöns­tem KG München handelt, mit dem Zusatz »Reichs­ge­brauchs­mus­ter Raumbild­ge­rät«, das es in dieser Form und in einer Varian­te zum Einle­gen von Positiv-Fotos mindes­tens bis zum Jahr 1942 gegeben hat.

Dietrich Bantel

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