Teil 3 der Lebens­be­schrei­bung von Emma Baumann

Wilhelm Grupp hatte auch einen urwüch­si­gen Humor. Dies zeigt die folgen­de köstli­che Geschichte:

Eines Tages um die Mittags­zeit befand sich der Chef auf dem Weg vom Dorf zur Fabrik. Auf der sich lang hinzie­hen­den Heiden­hei­mer-Straße holte er am Dorfen­de einen betteln­den Handwerks­bur­schen ein, der eben aus der Fabrik Oppold kam und der den in seinem schlich­ten Arbeits­kleid daher­kom­men­den Wilhelm Grupp offen­bar auch für einen Wander­ge­sel­len hielt. Jeden­falls machte er sofort seinem Herzen Luft und sagte zu dem vermeint­li­chen Schick­sals­ge­nos­sen: »Geh nur da nicht hinein. Alle Fabri­kan­ten sind Lumpen«. »So, so,« sagte Wilhelm Grupp ruhig »Es gibt aber doch auch solche, die keine Lumpen sind«. »Nein«, entgeg­ne­te der Landstrei­cher entschie­den, »unter den Fabri­kan­ten nicht«. »Wenn Du auf die Fabri­kan­ten so schlecht zu sprechen bist, dann kommst du erst einmal mit mir: Weiter da draußen ist mein Haus. Dort wollen wir sehen, dass wir noch etwas zu Essen bekom­men«. Mit diesen Worten lud er den hungri­gen Zugvo­gel zu sich zum Essen ein und der merkte bald, dass er bei einem Fabri­kan­ten zu Gast sei, und ließ es sich bei ihm gut schme­cken. Dann soll ihm Wilhelm Grupp seine Fabrik gezeigt haben, um ihn zum Abschied zu fragen, ob er noch immer der Meinung sei, alle Fabri­kan­ten seien Lumpen. »Nein«, sagte der Handwerks­bur­sche, »alle nicht, aber doch fast alle«! Diese Antwort belus­tig­te Wilhelm Grupp so, dass er lachend in die Tasche griff und dem Bruder von der Landstra­ße einen blanken Taler als Zehrgeld mit auf die Reise gab.

Oberkochen

Am 1.1.1937 übernah­men seine drei Söhne Wilhelm, Chris­ti­an und Heinrich Grupp den Betrieb als Teilha­ber. Der Betrieb hatte in diesem Jahr bereits 120 Mitar­bei­ter. Wilhelm Grupp wollte nicht, dass man von seiner Persön­lich­keit viel Aufhe­bens machte. Man kann eher behaup­ten, dass er alles unter­nom­men hat, um die Neugier­de energisch abzuweh­ren, die seinem persön­li­chen Wesen und seinen priva­ten Verhält­nis­sen galt.

Ausge­stat­tet mit einem warmen Herzen, einem klaren, kühlen Verstand und einer ungewöhn­li­chen Schaf­fens­kraft, lebte er seinem Werk und seiner Familie. Er lebte aus einem tief veran­ker­ten christ­li­chen Glauben. Sein Konfir­ma­ti­ons­spruch hat ihn in seinem arbeits­rei­chen Leben Halt und Richtung gegeben:

»Ist mein Wort nicht wie Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?« (Jes. 23,29) Im Sinn dieses Wortes blieb er ableh­nend gegen Träume­rei­en falscher Prophe­ten und war gewapp­net gegen lebens­frem­de Theorien und Speku­la­tio­nen. Der Ortsgeist­li­che sagte von ihm in seiner Grabre­de am 12. April 1943:

»Wie treuher­zig konnte er seine urwüch­si­gen Ansich­ten über Welt und Leben sagen und wie treuher­zig konnte er fragen! Und er hatte viele Fragen auf dem Herzen. Es gab viele Rätsel, die ihn drück­ten… (Hier fehlt ein Teil des Origi­nal Textes)… Die Anlage seiner Werkstatt­gärt­ne­rei und in die in Württem­berg heimi­sche gemisch­te Form der Landwirt­schaft gab ihm eine tiefe Befrie­di­gung und war zugleich seine Erholung«.

Das Werk ist heute aus der Wirtschaft Oberko­chens nicht mehr wegzu­den­ken. Es ist das ehrli­che Bestre­ben aller in ihm Schaf­fen­den, es fortzu­füh­ren im Geiste seines Gründers.
Hier endet der Bericht von Emma Baumann.

Oberkochen

Quellen­an­ga­be:
1) Aus dem Entwurf für eine Festschrift
2) Ein Heimat­buch Schwäb. Gmünd — Heiden­heim, Verlag Dochter­mann Stutt­gart.
Zusätz­lich:
3) Heimat­buch Oberko­chen
4) Pers. Infor­ma­tio­nen Hans Grupp, Enkel des Wilhelm Grupp

Anmer­kun­gen:
Zur Vervoll­stän­di­gung dieses sehr persön­li­chen Berichts verwei­sen wir auf die Seiten 144 — 146 im Heimat­buch. Dort heißt es: »Es ist bedau­er­lich, dass die Firma Wilhelm Grupp mit dem Marken­zei­chen WIGO in der dritten Genera­ti­on 1984, zwei Jahre vor dem Erschei­nen des Heimat­buchs, ihre Tore für immer schlie­ßen musste. Nahezu hundert Jahre hat sie für Oberko­chen eine wichti­ge Rolle gespielt. Ihr Gründer, Wilhelm Grupp, gehört zu den Pionie­ren der hiesi­gen Werkzeugindustrie«.

Ferner ist im Heimat­buch ausführ­lich über den eingangs erwähn­ten Jakob Chris­toph Bäuerle, dem Begrün­der der Oberko­che­ner Holzbe­ar­bei­tungs­werk­zeug­in­dus­trie, nachzulesen.

Der »Burrasch­mied«
Der etwas in Verges­sen­heit gerate­ne Hausna­me der WIGO-Grupps geht auf den Ort der Werkstatt des Firmen­grün­der Wilhelm Grupp zurück. Das Gebäu­de in der »Kirch­gass« befand sich am nordöst­li­chen Ende einer Anhöhe zwischen Katzen­bach und Guten­bach, deren eine Seite Richtung Ortsmit­te man »Bühl«, die andere Richtung Aalen »Burren« nennt. Sowohl »Bühl« als auch »Burren«, sind sehr alte Wörter, die auf eine höher gelege­ne aber in der Regel flache Erhebung hinweisen.

Gasthof »Zur Sonne«
Das in dem vorste­hen­den Bericht erwähn­te Gasthaus »Zur Sonne« auf dem Burren im Grambohl ist nur noch den ganz Alten bekannt. Das Gebäu­de steht noch heute oben links in der Mühlstra­ße, ehe es den steilen Buckel hinab geht.

Reichs­kanz­ler Dr. W. Marx
In Bericht 426 berich­ten wir ergän­zend über ein inter­es­san­tes Schrei­ben, das Wilhelm Grupps Sohn Chris­ti­an mit Datum vom 24. Oktober 1945 von Dr. Wilhelm Marx, Reichs­kanz­ler im Ruhestand, erhielt.

Dietrich Bantel

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