Teil 2 der Lebens­be­schrei­bung von Emma Baumann

1908 war Wilhelm Grupps Betrieb schon so gewach­sen, dass er mit 20 Arbei­tern in das sogenann­te »Wasser­werk«, seinem heuti­gen Sitz in der Nähe des Kocher­ur­sprungs, umzog.

Dass aus einer Werkstatt eine kleine Fabrik und aus einem Handwerks­meis­ter ein Unter­neh­mer wird, fällt um die Zeit der Jahrhun­dert­wen­de nicht beson­ders auf. Wilhelm Grupp musste sich vergrö­ßern, um ordnungs­ge­mäß arbei­ten zu können.

Über ein Viertel­jahr­hun­dert war der Betrieb alt gewor­den. Eine so lange Zeit geht an keinem spurlos vorüber. Wilhelm Grupps erste Frau Johan­na war 42jährig im Jahre 1911 gestor­ben. Sie hinter­ließ drei Söhne und drei Töchter. Diese Kinder wuchsen heran. Der ältes­te Sohn Wilhelm war bei Kriegs­en­de 23 Jahre, Chris­ti­an war 19, Heinrich 12 Jahre alt.

1912 heira­te­te er zum zweiten Mal, und zwar Katha­ri­na Baumgärt­ner. Trotz der vielen Sorgen, Arbeit und Mühe führte er mit ihr ein vorbild­li­ches Famili­en­le­ben, was ebenfalls mit dazu beitrug, die Firma rasch zu vergrö­ßern. Seine Kinder mussten schon in jungen Jahren mitein­sprin­gen, sei es im Betrieb, sei es im Büro. Nur wenige Pfenni­ge für eine warme Suppe erhiel­ten seine Söhne und Töchter, wenn sie zur Schule nach Aalen fuhren.

Die Firma Wilhelm Grupp ist ein echtes Famili­en­un­ter­neh­men. Die Mutter Wilhelm Grupps arbei­te­te mehre­re Jahre in der Fabrik an der Bohrer­schleif­ma­schi­ne und seine Schwes­ter an der Fräsma­schi­ne. Von dem Bruder des Chefs, dem »Vetter« Chris­ti­an Grupp, wird gesagt, dass er am Tage seiner Hochzeit bis um 11 Uhr vormit­tags am Schmie­de­am­boss stand und dann erst nach Hause ging, um sich zu rasie­ren und festli­che Kleidung anzuklei­den. Um 1 Uhr war die Hochzeit.

Die Büroar­beit wurde viele Jahre von den Famili­en­mit­glie­dern besorgt. Erstmals im Jahr 1913 wurde ein Fräulein aus Ulm als Büroge­hil­fin angestellt. Im Jahre 1915 wurde zusätz­lich zu der bestehen­den Wasser­kraft­an­la­ge eine elektri­sche Kraft­ma­schi­ne einge­baut, die Petro­le­um­lam­pen wurden durch das elektri­sche Licht ersetzt.

Oberkochen

Die ältes­ten Mitar­bei­ter des Betriebs erinnern sich noch, wie am Zahltag der ältes­te Sohn Wilhelm, einer der heuti­gen Chefs, durch den Betrieb ging und jeden fragte, wie viel Stunden er gearbei­tet habe, die Angaben der einzel­nen an Ort und Stelle aufschrieb und jedem eine halbe Stunde später den Arbeits­lohn auszahl­te. Dieses Verfah­ren wirft ein Schlag­licht auf das Vertrau­ens­ver­hält­nis zwischen dem Betriebs­her­ren und seiner Arbei­ter­schaft. Die Arbei­ter­schaft von Oberko­chen stell­te am 6. Dezem­ber 1909 dem Fabri­kan­ten Wilhelm Grupp sen. als Kandi­da­ten für den Gemein­de­rat auf, und von da an gehör­te er bis zum 30. Dezem­ber 1922 ununter­bro­chen dem Gemein­de­rat an.

Die ältes­ten Leute in Oberko­chen erzäh­len, dass der Grupp(a) Schmied in den 90er Jahren seine Bohrer persön­lich im Rucksack den Kunden ins Haus brach­te und dass er einmal in Lauin­gen auf der Donau­brü­cke gestan­den sei und in grimmi­gem Selbst­ge­spräch gesagt habe, er würde am liebs­ten den ganzen Bettel in die Donau »keien« und das Handwerk an den Nagel hängen, so sehr war später nach dem Weltkrieg die schöne Zeit vorbei.

Im Jahre 1911, dem Todes­jahr seiner ersten Gattin, sehen wir Wilhelm Grupp bei der neuen Höheren Handels­schu­le und Handels­aka­der­nie Calw einen syste­ma­ti­schen Lehrgang in doppel­ter Buchfüh­rung und Handels­kor­re­spon­denz durch­lau­fen. Für die aufstre­ben­den Oberko­che­ner Bohrer­fa­bri­ken war es nicht einfach, den Konkur­renz­kampf gegen die alten Werkzeug­in­dus­trien des Rhein­lan­des durch­zu­hal­ten, denn die Fachleu­te in Remscheid usw. hatten im Vergleich mit den schwä­bi­schen Betrie­ben viel gerin­ge­re Fracht­kos­ten und konnten sich den besten Stall an Ort und Stelle aussu­chen. Dazu kam noch der Wettbe­werb unter den Oberko­che­ner Firmen selbst, der sich verschärfte.

Eine nette Einzel­heit, die den Konkur­renz­kampf beleuch­tet: Wenn die Pakete zur Post gebracht wurden, und man sich dort mit den anderen Austrä­gern der Konkur­renz traf, dann legt man die Pakete umgekehrt, d. h. die Adres­se nach unten, damit der neugie­ri­ge Blick des anderen nicht darauf fallen konnte. Denn man musste sofort mit der Gefahr rechnen, dass einem auf diese Weise der Kunde wegge­schnappt wurde. Dieses Verfah­ren wurde gegen­sei­tig geübt.

Immer stärker machte sich die Nachfra­ge nach hochwer­ti­gen Maschi­nen­werk­zeu­gen für die Holzbe­ar­bei­tung geltend. Bereits im Jahre 1914 hat Wilhelm Grupp Hobel­köp­fe und Messer­köp­fe der verschie­dens­ten Art an fast alle Länder in Europa versandt. Aus den sich steigern­den Anfor­de­run­gen wuchsen neue große Aufga­ben sowohl in techni­scher wie in kaufmän­ni­scher Bezie­hung. Vor diesen Aufga­ben wollte und durfte Wilhelm Grupp nicht die Flinte ins Korn werfen.

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Mit einer Beweg­lich­keit und Zähig­keit, die ebenso den wagemu­ti­gen Mann wie den klar denken­den und nüchter­nen Geschäfts­mann verra­ten, stell­te er seinen Betrieb auf die neue Situa­ti­on um. Er war schon immer bereit gewesen, allen Sonder­wün­schen und persön­li­chen Sorgen seiner Kunden abzuhel­fen. Das blieb auch in Zukunft sein Grund­satz, und damit begrün­de­te er den guten Namen seines Hauses.

Am 28. März 1925 wurde der Firma Wilhelm Grupp das erste Reichs-Patent 464 430 für eine Fräser­vor­rich­tung erteilt, aus der sich die Zinken­fräs- Nut- und Gratma­schi­ne »WIGO NORMAL 1000« entwi­ckelt hat. Die Wigo-Normal 1006 wurde 1928 und 1929 in der Schweiz, in Belgi­en, Frank­reich und Großbri­tan­ni­en patentiert.

Dietrich Bantel

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