NOCHMALS: PFARRER DESALLER ALS ABGEORDNETER

In seinem Pfarr­be­richt bemerkt der evange­li­sche Pfarrer Oberko­chens, Fried­rich Römer im Jahr 1850: »Einige Bewegung brach­te in die Einför­mig­keit bürger­li­chen Lebens die Wahl eines Abgeord­ne­ten zum (zweiten) Verfas­sungs­re­vi­die­ren­den Landtag. Die Abstim­mung fand für den hiesi­gen Ort in Unter­ko­chen statt. Von 100 Wahlmän­nern hiesi­ger Gemein­de machten trotz der den Gang begüns­ti­gen­den Witte­rung (der erste Frühlings­tag nur 64 Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Am selben Tag wurde der hiesi­ge katho­li­sche Pfarrer Desal­ler zum Abgeord­ne­ten in Neres­heim gewählt mit der Mehrheit von 70 Stimmen gegen seinen Gegen­kan­di­da­ten Oberjus­tiz­rat Holzin­ger aus Stutt­gart« zwar ein knapper Sieg für Desal­ler, jedoch immer­hin 1639 Wähler hatten für ihn gestimmt.

Nun begann für den zum zweiten Mal Gewähl­ten wieder­um eine strapa­ziö­se Zeit. Wollte er sich in seinem Wahlbe­zirk zeigen, musste er eine Stunde lang mit der Kutsche fahren. Zu den Sitzun­gen in Stutt­gart konnte er den »Omnibus«, d. h. eine Pferde­kut­sche für alle benut­zen, die von Aalen nach Süßen im Filstal verkehr­te, um von dort mit der neuen Eisen­bahn nach Stutt­gart zu gelan­gen. Dieser Proze­dur musste sich Pfarrer Desal­ler während eines halben Jahres 36 mal unter­zie­hen. Dann wurde im Sommer 1850 nach der 37. Sitzung die Landes­ver­samm­lung wegen unüber­brück­ba­rer Meinungs­ver­schie­den­hei­ten zwischen Parla­ment und Regie­rung abermals ergeb­nis­los beendet.
Der im dritten Anlauf nur mit einer Wahlbe­tei­li­gung von 30 % gewähl­ten und am 5. Oktober 1850 eröff­ne­ten weite­ren Landes­ver­samm­lung gehör­te Desal­ler nicht mehr an. Jedoch war dieser Landes­ver­samm­lung dassel­be Schick­sal wie ihren Vorgän­ge­rin­nen beschie­den: Auch sie wurde nach kurzer Zeit ergeb­nis­los abgebrochen.

Als im Frühjahr 1851 die vierte Runde der Verfas­sungs­ver­samm­lun­gen anstand, meinten Neres­hei­mer Wähler: »Herr Desal­ler hat sich in den beiden ersten Landes­ver­samm­lun­gen als wahrer Volks­freund bewährt, er wird auch in der nächs­ten Kammer die Inter­es­sen des Volkes gewis­sen­haft zu wahren wissen«. Jedoch Carl Wilhelm Desal­ler winkte ab. Er zog sich aus der aktiven Politik zurück, zumal auch 1852 die demokra­ti­schen Volks­ver­ei­ne aufge­löst wurden und somit auch sein Amt als Vorsit­zen­der in Aalen erlosch.

Fünf Jahre später unter­nah­men seine frühe­ren Wähler in Neres­heim wieder­um einen Versuch, den Oberko­che­ner Pfarrer nochmals zu einer Kandi­da­tur zu bewegen. Doch er lehnte abermals ab und schrieb: » … Da ich als Geist­li­cher nicht gegen das Entschä­di­gungs­ge­setz stimmen kann (dieses Gesetz sollte Ansprü­che vor allem auch kirch­li­cher Einrich­tun­gen regulie­ren), erklä­re ich öffent­lich, weder eine solche Zuwen­dung zu wünschen, noch anzuneh­men… Ich habe den unerreich­ba­ren Forde­run­gen meiner politi­schen Freun­de gegen­über in der Kammer die Worte gespro­chen: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Ich sehe heute die Dinge noch gleich an. Aber mit Rücksicht darauf, dass ein kleiner Schaden jeden­falls besser ist, als ein großer, und ein ehrli­cher Vergleich ersprieß­li­cher als Zwang, bitte ich die Wähler von Stadt und Amt Neres­heim Herrn Obertri­bu­nal­rat Camerer ihre Stimme zu geben«.
Mit diesem Dokument mensch­li­cher Größe verab­schie­de­te sich Carl Wilhelm Desal­ler aus der aktiven Politik.

GYPS UND OELMÜHLE
Am 12. Febru­ar 1851 schrei­ben Jakob und Anne Marie Kopp den »Verkauf eines Wohnhau­ses samt Gyps- und Oelmüh­le« zum Verkauf aus. Das Anwesen war 1845 erbaut worden und »steht am Kocher« unweit des Ortes Oberko­chen, befin­det sich in bestem Zustand und leidet nie unter Wasser­man­gel. Leider ist weder über Gründe, die zum Verkauf führten, noch über die Verkaufs­ver­hand­lun­gen selbst berich­tet. Aus anderen Quellen (z. B. BuG Bericht 12 aus dem Jahr 1988) geht jedoch hervor, dass das Verkaufs­ob­jekt ein Vorgän­ger der 1865 erbau­ten Kreuz­müh­le war, denn die Aalener Oberamts­be­schrei­bung von 1854 weist »am Kocher, eine Viertel­stun­de unter­halb des Dorfes eine 1845 auf dem Kreuz­wa­sen erbau­te Mühle mit Oel- und Gypswerk« aus.

Offen­sicht­lich hatte im Lauf des Sommers ein Micha­el Pfand­er, »Oelmül­ler früher ansäs­sig in Schnait­heim« das Anwesen am Kocher übernom­men und »nach hollän­di­scher Art eine Oelmüh­le neu einge­rich­tet, die durch das Wasser getrie­ben wird«. Sie empfahl er am 14. Septem­ber 1851 »einem geehr­ten Publi­kum zur fleißi­gen Benüt­zung«, wobei er »promp­te, reelle Bedie­nung und billigs­te Behand­lung zusicher­te«. Auch »Winter Repsoel zu billi­gem Preis« bot er an. Im Oktober offerier­te er, »bis zum 31. Oktober Oelmag­sa­men schla­gen« zu wollen.

EINEN BOCK GESCHOSSEN
In Oberko­chen gab es in der Mitte des 19. Jahrhun­derts einen Vorläu­fer der heuti­gen »Schüt­zen­gil­de Oberko­chen 1955« der sich »Schüt­zen­ge­sell­schaft« nannte und von Zeit zu Zeit Schieß­wett­be­wer­be durchführte.

Dass nun bei einem Schüt­zen­fest ein Bock geschos­sen wird, ist wohl nicht ganz außer der Weise, wenn aber in der Zeitung derar­ti­ges passiert, ist dies für die Betrof­fe­nen weniger amüsant. So traf es die »Oberko­che­ner Schüt­zen­ge­sell­schaft« im Herbst 1851. Sie hatte durch eine Zeitungs­an­zei­ge zu einem »Schei­ben­schie­ßen« auf Sonntag, den 14. Septem­ber einge­la­den. Bemer­kens­wert dabei ist nicht so sehr die Ankün­di­gung, dass das Schie­ßen in »zwei Abtei­lun­gen statt­fin­den und aus freier Hand und aufge­legt« geschos­sen werden sollte, auch nicht die Durch­füh­rung »bei jeder Witte­rung«, wobei der Schieß­platz ungenannt blieb. Beach­tens­wert dagegen, waren die ausge­setz­ten Preise, denn der Sieger konnte »einen zahmen Hirsch« mit nach Hause nehmen, während sich die Nächst­plat­zier­ten mit »10 Enten« begnü­gen mussten. Soweit, so gut.

Als aber in der nächst­fol­gen­den Zeitung die Anzei­ge zum Schei­ben­schie­ßen nochmals erschien, rieb sich mancher verwun­dert die Augen, denn auf den ersten Blick war sie nur eine Wieder­ho­lung der voran­ge­hen­den Ankün­di­gung. Jedoch ein kleiner Unter­schied war doch vorhan­den, denn bei der Beschrei­bung des Haupt­prei­ses hieß es im Sperr­druck: »Als erster Gewinn ist ein ZAHMER HIRSCH MIT ZEHN ENDEN ausge­setzt, nicht Enten, wie irrtüm­lich im letzten Blatt angezeigt ist!«

Wer nun diesen Bock geschos­sen hatte, ist nicht gesagt, auch nicht, wer als Schüt­zen­kö­nig den Hirsch mit zehn Enden nach Hause nehmen durfte, eine Schüt­zen­kö­ni­gin war es aber nicht, denn nur Männer durften ein Gewehr zur Hand nehmen.

Oberkochen

SCHULHAUSERWEITERUNG
Aus histo­ri­schen Gründen besaß Oberko­chen nicht nur zwei Kirchen, sondern auch zwei Schul­häu­ser mit ein oder zwei Unter­richts­räu­men und der Wohnung für den Schul­meis­ter und seine oft mit zahlrei­chen Kindern geseg­ne­te Familie. Das evange­li­sche Schul­haus lag 1851 »am äußers­ten Rande des Dorfes Aalen zu« (heute Ecke Aalener — Bürger­meis­ter Bosch Straße). Es war baulich in einem so schlech­ten Zustand, dass es wenig später der Amtsarzt für gesund­heits­schäd­lich erklär­te. Dennoch mussten Lehrer und Schüler darin noch weite­re 7 Jahre aushar­ren, ehe ein neues evange­li­sches Schul­haus erbaut wurde (heuti­ges Schillerhaus).

Auf katho­li­scher Seite war das Schul­haus (Vorgän­ger des Edith Stein Hauses) zwar in etwas besse­rem Zustand, jedoch musste auch an ihm laufend repariert und umgebaut werden. Im Jahr 1837 war die Schule durch wachsen­de Schüler­zah­len zweit­klas­sig gewor­den. Um zusätz­li­chen Schul­raum zu gewin­nen, hatte man Lehrer Balluff (Mitbe­grün­der des katho­li­schen Kirchen­chors) nahe gelegt, »er möchte die Schul in seinem Wohnzim­mer abhal­ten« wofür ihm monat­lich ein Gulden verspro­chen wurde. Bei Balluffs großer Familie das jüngs­te von 11 Kindern, der später berühm­te Helden­te­nor und Kammer­sän­ger Anton Balluff, war 1846 geboren worden war dies aber kein haltba­rer Zustand. Deshalb entschloss sich der Oberko­che­ner Gemein­de­rat im Septem­ber 1851 »Bauar­bei­ten über die Einrich­tung eines neuen Schul­zim­mers im katho­li­schen Schul­haus dahier« auszu­schrei­ben. Es waren zwar keine allzu großen Beträ­ge, die ausge­ge­ben werden sollten, immer­hin aber doch 215 Gulden, die angesichts perma­nen­ter Ebbe in der Gemein­de­kas­se einen beacht­li­chen Brocken darstellten.

Doch damit waren die Raumpro­ble­me der katho­li­schen Schule nicht endgül­tig gelöst. Sie musste bis ins Jahr 1900 auf einen Neubau warten (heuti­ger »Fuchs­bau« der Dreißen­tal­schu­le). In der Zwischen­zeit, so wurde offizi­ell gesagt, »haben Lehrer und Kinder ja Gelegen­heit, sich am Nachmit­tag durch Mithil­fe in der Landwirt­schaft von der Schul­ar­beit in unzuläng­li­chen Räumen zu erholen«.
(Fortset­zung folgt)

Volkmar Schrenk

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