Heute müssen wir ein wenig »fremd« gehen und uns im »Neresheimer Amtsblatt« umsehen. Der Grund dafür ist, dass der Oberkochener Pfarrer Carl Wilhelm Desaller 1849 als Kandidat für die württembergische verfassungsrevidierende Landesversammlung nominiert wurde, jedoch nicht in Aalen, sondern für den Bezirk Neresheim.
WAHLKAMPF
Als im Sommer 1849 die Wahl zur verfassungsrevidierenden Landesversammlung anstand, war eine Kandidatur des inzwischen weit über die engere Heimat hinaus bekannt gewordenen Oberkochener Pfarrers eigentlich selbstverständlich. Jedoch lag der Aalener Bezirk schon jahrelang fest in Moriz Mohls Hand, eine Kandidatur Desallers kam somit in Aalen nicht in Frage. Also wurde er den Wählern im Neresheimer Bezirk präsentiert: »Wählt nicht einen Anhänger des Ministeriums, den Stuttgarter Oberjustizrat Holzinger, der nicht auf der Seite des Volkes steht, sondern einen Mann aus dem Volk, Pfarrer Desaller aus Oberkochen. Dieser ist von echt deutschem, bewährtem Charakter und fleckenloser Sittenreinheit. Mit dem redlichen Willen, der Not des Volkes abzuhelfen, verbindet er Fähigkeiten und Rednergabe, welche zu diesem wichtigen Amte notwendig sind«.
Nun musste sich Carl Wilhelm Desaller in den Wahlkampf stürzen. Am 20. Mai 1849 z. B. wanderte er von Oberkochen zu Fuß über den alten Ochsentrieb nach Ebnat hinauf. Als er aus dem Wald heraustrat, sah er schon eine »große Volksmenge, die mit Musik unter Absingen der »Marseillaise« zum Keller des Adlerwirts zogen«. Dort war eine Tribüne aufgebaut, auf der Desaller vom Ortspfarrer begrüßt und vorgestellt wurde, worauf der Oberkochener Pfarrer sogleich zum Vorsitzenden der Versammlung gewählt wurde. In seiner Ansprache ermunterte er »zum Festhalten an den Grundrechten und forderte zur Gründung eines Märzvereins auf«.
Nahziel des Wahlkampfs war jedoch, dem bisherigen Volksvertreter das Wasser abzugraben. Volksversammlungen in Neresheim, Dischingen, Großkuchen, Bopfingen, bei denen Pfarrer Desaller als Kandidat vorgestellt und zur Wahl empfohlen wurde, sollten dazu beitragen. Doch auf dem Härtsfeld unterschied sich das politische Klima mitunter kaum vom meteorologischen: Beide waren rauh. So braute sich einmal in Dischingen eine recht »brenzlige« Situation zusammen. Gegner Desallers hatten beschlossen, seine Anhänger »die Stiege vom zweiten Stock der Ochsenwirtschaft hinabzuwerfen und aus dem Haus prügeln zu lassen«, ein Plan, der aber von beherzten Männern vereitelt wurde.

Auch Desaller selbst wurde angegriffen. Einem Widersacher der ihn, den Pfarrer mit der Bibelstelle »Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun… (Joh. 8,44) attacktierte, erwidert er in der Neresheimer Zeitung: »…ich sage nur so viel, dass mir die Bibeltexte zu heilig sind, um selbe auf ihn anzuwenden. Für solche Leute taugt nur das Strafgesetzbuch…«.
Selbst in Oberkochen zeigte sich Widerstand gegen die politischen Aktivitäten des katholischen Pfarrers. Besonders einige Evangelische regten sich darüber auf. Nachdem im Juni 1849 der Hauptausschuss des Aalener Volksvereins unter seinem Vorsitzenden Pfarrer Desaller im »Hirsch« zu Oberkochen getagt hatte, schrieben sie an den Aalener »Boten«, allerdings anonym, so dass die Sache gar nicht an die Öffentlichkeit gedrungen wäre, wenn der Text nicht aus Versehen in einige Zeitungsexemplare gelangt wäre. Deshalb gab die Redaktion am 15. Februar 1849 eine Erklärung ab, in der sie sagt, »die von mehreren evangelischen Bürgern Oberkochens gegen den katholischen Pfarrer dort erlassene anonyme Einsendung, die nur in wenigen Exemplaren verbreitet wurde, wird hiermit zurückgenommen, weil Artikel ohne Unterschrift nicht aufgenommen werden können«.
ERFOLG
»Bei der Wahl eines Abgeordneten zur verfassungsrevidierenden Landesversammlung der Landstände sind von 3800 Wählern 2717 erschienen und von diesen ist der Pfarrer Desaller in Oberkochen mit 1588 Stimmen gewählt worden«, so lautete das mit einiger Spannung erwartete Ergebnis der Wahl vom 3. August 1849. Bei einer Wahlbeteiligung von 71 % hatte Desaller seinen Konkurrenten und bisherigen Mandatsträger um 444 Stimmen übertroffen.
Kehren wir nun wieder in kommunale Gefilde zurück.
GEGEN NACHTSCHWÄRMER und »HOCKER«
Wir erinnern uns, wie 1845 in Oberkochen einige Burschen wegen »Zechens und Saufens während des Gottesdienstes« auf Grund einer königlichen Verordnung bestraft worden waren. Als Gegenstück dazu passt die Aalener Verordnung, die sich »auf die Stadt und ihre nächste Umgebung« bezieht. Sie verbietet »Schreien und Lärmen« und sieht für Zuwiderhandelnde eine Strafe von 1 Gulden 30 Kreuzer vor (um dieses Geld konnte man laut »Tabelle der taxierten Lebensbedürfnisse« 60 Pfund Roggenbrot kaufen). Falls dem »Abbieten« in den Wirtshäusern nicht augenblicklich Folge geleistet wurde, musste der Polizist die »Hocker« sofort aufschreiben und zur Bestrafung melden. »Weibspersonen, welche um 10 Uhr nachts ohne brennende Laterne angetroffen werden, sind um 30 Kreuzer zu bestrafen (Gegenwert von 3 Pfund Schweinefleisch). Schließlich werden »Eltern, Vormünder und Meister dringend aufgefordert, ihren jungen Leuten das Herumschwärmen bei Nacht zu untersagen«.
VERKÄUFE
Holzverkäufe waren in Oberkochen keine Seltenheit. So schrieb das Forstamt Heidenheim, dem zu jener Zeit das Revier Oberkochen unterstand, am 13. März 1849 »im öffentlichen Aufstreich zum Verkauf« aus: Im Staatswald Wagrain: 8650 buchene und 500 hartgemischte Wellen, Staatswälder Falchenhäule/Frauenhau: 5 bzw. 8 Klafter Abfallholz, aus dem Staatswald Klosterbüchle: 500 aufgebundene und 700 unaufgebundene buchene Wellen, Staatswald Ellwangerbüchle: 4400 neu aufgemachte buchene Wellen.
Bemerkenswert dabei war, dass es sich um eine abermalige Ausschreibung handelte, weil »bei dem am 1. März stattgehabten Holzverkauf nur bei wenigen Losen ein annehmbares Angebot gemacht worden war«.
Weniger angenehm als Holzverkäufe waren »Liegenschaftsverkäufe« aus »Gantmassen«, insbesondere für die Betroffenen. Im Jahr 1849 werden für Oberkochen zwei derartige Zwangsverkäufe im »Boten« ausgeschrieben. Im einen Fall soll auf dem Rathaus zu Oberkochen das »einstöckige Wohnhaus samt Gärtchen des …« an den Meistbietenden verkauft werden, im zweiten Fall handelt es sich um ein »Wohnhaus mit Scheuer samt 1 Tagewerk Wiesen« (47 ar), »3 Jauchen Acker« (ca. 142 ar) und »ein halb Viertel Krautgarten« (knapp 4 ar) »aus der Gantmasse des Taglöhners H.« (wobei die Namen stets voll ausgeschrieben waren).
Und weil wir schon bei Rechtsgeschäften sind, sollen noch aus der im »Boten« veröffentlichten Liste der »Geschworenen für den Gerichtsbezirk Aalen« mit ihren 48 Namen, die für Oberkochen bestimmten Geschworenen genannt werden: »Hirschwirt Fuchs, Ochsenwirt Braun, Wagner Josef Holz«.
Volkmar Schrenk