Seit auf der letzten ORGA-Sitzung (22. März 2001) bekannt wurde, dass der Heimat­ver­ein sein diesjäh­ri­ges Mühlen­fest »am Nußbach« abhal­ten würde, geistert der Name »Nußbach« durch Oberko­chen. Die alten Oberko­che­ner wissen zum Teil noch ziemlich genau Bescheid, was die Bezeich­nung »Nußbach« alles beinhal­tet — die Jungen wissen es nicht mehr, oder es ist ihnen egal. Zugezo­ge­ne, wie ich, sind auf das angewie­sen, was ihnen zugetra­gen wird, und auf das, was alte Karten belegen.

Oberkochen

Deshalb sind Martin Gold und ich der Frage »Nußbach« nachge­gan­gen und kamen nun zu den folgen­den Erkenntnissen:

1) Den »Nußbach« gibt es heute nicht mehr. Seine Existenz war/ist eine markan­te Oberko­che­ner Merkwürdigkeit.

2) Bis weit in die zweite Hälfte des letzten Jahrhun­derts hinein nannte man nämlich den Unter­lauf des Guten­bachs ab dem Gebäu­de Rose/Weber (Gebäu­de Aalener Straße 56) »Nußbach«. Der Guten­bach verwan­del­te sich also in den »Nußbach«.

3) Der Guten­bach verläuft zunächst, vom Wolfert­s­tal kommend, zwischen den Gewan­nen Bühl einer­seits und Tierstein und Geissel­steig anderer­seits Richtung Schwörz und Kocher.

4) Etwa auf der Höhe der Villa Walter trifft der Guten­bach noch heute auf die Aalener Straße. Dort wurde er zwischen den Gebäu­den Villa Walter und Rose/ Weber (Gebäu­de 54) und Noll (Gebäu­de 56) unter der Aalener Straße hindurch bereits als »Nußbach« hinter den genann­ten Gebäu­den vorbei­ge­führt, um dann fast paral­lel zur Aalener Straße auf deren rechten Straßen­sei­te Richtung Kocher­brü­cke zu fließen und vor dersel­ben in den Kocher zu münden.

5) Die 1931 von Lehrer Günter gezeich­ne­te Karte mit Oberko­che­ner Flurna­men belegt diese Namens­wech­sel des Guten­bachs mit dem Wechsel der Straßen­sei­te Nußbach eindeutig.

6) Auf unserer neu entdeck­ten Luftauf­nah­me von 1945 lässt sich der Verlauf des Guten­bachs und der seines Unter­laufs, genannt »Nußbach«, hervor­ra­gend verfol­gen. Auch die Brücke auf der Höhe der Gebäu­de Rose/Weber und Villa Walter, unter der sich der Guten­bach in den »Nußbach« verwan­del­te, ist gut erkenn­bar. Die Brücke hatte ein Geländer.

7) Aus einem Kaufver­trag vom 8.11.1957 ist außer­dem klar belegt, dass die Bezeich­nung »Nußbach« nicht nur für den Unter­lauf des Guten­bachs galt, sondern für das gesam­te Gebiet um den »Nußbach«, diesseits und auch jenseits der Aalener Straße. In diesem Kaufver­trag heißt es eindeu­tig: »Acker im Nußbach«.

8) Selbst in einer Karte, die 1987 — 1989 im Zusam­men­hang mit der Regen­ent­las­tungs­kon­zep­ti­on für die Stadt Oberko­chen von der Ingenieur­ge­sell­schaft Nussbaum und Partner erstellt wurde, taucht die Bezeich­nung »Nußbach« unter­halb der Einmün­dung der Lenzhal­de (Goethe­stra­ße) noch rechts der Aalener Straße auf.

9) In der unter 8) genann­ten Karte ist unter dem Stich­wort »Bestehen­de Verdo­lung Guten­bach« aller­dings auch die wohl in den Fünfzi­ger­jah­ren des letzten Jahrhun­derts entstan­de­ne »Diret­tis­si­ma« des Guten­bachs aufgeführt.

10) Diese Verdohlung — so geht aus einem Bericht hervor, den Alt-Stadt­bau­meis­ter Helmut Kranz 1958 in »Bürger und Gemein­de« veröf­fent­licht hat, ist auf Grund der Tatsa­che gebaut worden, dass der Guten­bach bei Hochwas­ser die Aalener Straße überschwemm­te und den direk­ten Weg in den Kocher suchte.

11) Helmut Kranz schreibt zu der Situa­ti­on um den Guten­bach- und Nußbach-Verdohlun­gen (ohne den Nußbach zu erwäh­nen) im Amtsblatt »Bürger und Gemein­de« vom 21. Febru­ar 1958 anläss­lich eines Hochwas­sers wörtlich:

»…Dass der die Bundes­stra­ße kreuzen­de, flach abgedeck­te Kanal und der anschlie­ßen­de Beton­ka­nal, (Guten­bach­ab­fluss), der unter den Gebäu­den Aalener Straße 54 und 56 (Rose/Weber und Noll) durch­führt, zu klein bemes­sen und nicht einwand­frei ausge­führt sind, ist eine Tatsa­che, die schon seit ehe und je bekannt ist. Dass beim Auftre­ten des nun abgelau­fe­nen Hochwas­sers die Bundes­stra­ße nicht wie früher hoch überflu­tet wurde, ist nur der Tatsa­che zuzuschrei­ben, dass bei der Ausfüh­rung der Kanali­sa­ti­on in der Aalener Straße ein weite­rer Graben angelegt wurde, der das meiste Wasser bei dem Gebäu­de Aalener Straße 57 (Wurst) dem die Bundes­stra­ße kreuzen­den Rohrka­nal zuführ­te. Durch den Rückstau vor dem zu kleinen Kanal unter den Gebäu­den 54 und 56 trat der Guten­bach auch diesmal wieder weiter oberhalb aus seinem Bett, jedoch war die Überflu­tung des Gelän­des etwa nördlich Gebäu­de Aalener Straße 57 unerheblich … «

12) Früher ist also, so geht aus dem genann­ten Kranz’schen Bericht von 1958 hervor, der Guten­bach mögli­cher­wei­se noch in dieser später gebau­ten Art Entlas­tungs-Graben weiter ein Stück links der Straße entlang gelau­fen und erst auf der Höhe des Gebäu­des Wurst (Gebäu­de 57) unter der Straße auf die andere Seite dersel­ben geführt worden.

Soweit die fürs 20 Jahrhun­dert nachvoll­zieh­ba­ren Fakten.
Über die Stadt waren leider keine Angaben zum Stich­wort »Nußbach« zu erhalten.

Oberkochen

Was ist aus dem 19. Jahrhun­dert vom »Nußbach« überliefert?

13) Auf Anfra­ge erhiel­ten wir vom Staat­li­chen Vermes­sungs­amt Aalen (Herr Hersa­cher) einen Auszug aus der Urkar­te von 1830, in die der »Nußbach« als »Gewäs­ser Nr. 4« aufge­nom­men ist.

14) Im entspre­chen­den Primär­ka­tas­ter von 1830 ist belegt, dass der »Nußbach« vor 170 Jahren auch den Namen »Schwörz­bach« führte.

15) Als Besit­ze­rin dieses Bachs namens »Nußbach« oder »Schwörz­bach«, (amtlich: Gewäs­ser Nr. 4) weist der Primär­ka­tas­ter die Gemein­de aus.

16) Dieser »Nußbach« verlief von etwa auf der Höhe des heuti­gen Abzweigs Schwörz­stra­ße oberhalb EDEKA ab und lief spitz­wink­lig rückwärts Richtung Schwörz, um dort in den Kocher zu münden.

17) Bei dem uns vom Vermes­sungs­amt genann­ten »Nußbach« handelt es sich also zum einen überhaupt nicht um den Nußbach, der uns aus dem 20. Jahrhun­dert überlie­fert ist, und zum andern um einen »unech­ten Bach«, genau genom­men um einen Verbin­dungs­ka­nal vom etwas höher gelege­nen Unter­laufs des Guten­bachs zurück zum Kocher.

18) Im Primär­ka­tas­ter von 1830 ist das Gewäs­ser Nr. 4 wie folgt beschrieben:

»Der Nuß- oder Schwörz­bach: Von dem Guten­bach aus durch Parzel­le Nr. 1394 und durch Parzel­le 1409 bis zu seinem Ausfluss in den schwar­zen Kocher..”

19) Aus dieser Beschrei­bung ist sowohl klar ersicht­lich, dass der »unech­te Nußbach« »rückwärts« floss, als auch dass es sich bei diesem »Nußbach« um keinen echten Bach handel­te. Ferner ist ersicht­lich, dass der Unter­lauf des Guten­bachs, der später »Nußbach« hieß, vor 170 Jahren in den Urkun­den noch als »Guten­bach« läuft.

20) Mögli­cher­wei­se ist die Bezeich­nung »Nußbach« also erst im 20. Jahrhun­dert entstan­den, in der Zeit nach Aufga­be des Nußbach­ka­nals nach der Jahrhun­dert­wen­de. Ferner ist ersicht­lich, dass die Parzel­le 1394 damals der Katho­li­schen Kirchen­ge­mein­de, die Parzel­le 1409 dem Hafner Micha­el Hug, das Gewäs­ser selbst wie gesagt der Gemein­de gehörte.

21) Laut durch Karte beleg­ter Auskunft des Landes­ver­mes­sungs­amts fiel der unech­te Nußbach, der wohl Bewäs­se­rungs­zwe­cken gedient hatte, 1909 aus dem Messurkun­den­heft dieses Jahres heraus, d. h., für das Landes­ver­mes­sungs­amt gibt es einen Nußbach, ob echt oder unecht, ab diesem Jahr auf dem Papier nicht mehr.

Guten­bach hin und Nußbach her — fest steht, dass der Heimat­ver­ein sein diesjäh­ri­ges Mühlen­fest am 1. und 2. Septem­ber dem noch in den Sternen stehen­den Mühlen­schick­sal zum Trotz »am und im alten Nußbach« in der Aalener Straße bei Rose/Weber abhält.

Dietrich Bantel

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