In dieser und der nächs­ten Ausga­be von BuG möchte der Heimat­ver­ein Oberko­chen eine 1953 geschrie­be­ne Zusam­men­fas­sung von Franz Balle zum »Aalener Proto­koll« von 1749 veröf­fent­li­chen. Die in diesem Zusam­men­hang abgedruck­ten Origi­nal­tex­te stammen von einer notari­ell beglau­big­ten Abschrift aus dem Jahr 1750. Herr Dr. Christ­hard Schrenk schreibt dazu: »Dieses Vertrags­werk wurde zum Meilen­stein der seit der Refor­ma­ti­ons­zeit konfes­sio­nell geteil­ten Gemein­de Oberko­chen auf ihrem Weg zu einem gut nachbar­schaft­li­chen Zusam­men­le­ben zwischen den katho­li­schen Bewoh­nern des ellwan­gi­schen und den evange­li­schen Bewoh­nern des königs­bron­ni­schen Ortsteils. Dieser Weg verlief freilich nicht gleich­mä­ßig. Höhen und Tiefen wechsel­ten einan­der ab. Das Aalener Proto­koll erwies sich insge­samt jedoch als tragfä­hi­ge juris­ti­sche Grund­la­ge des Alltags­le­bens in der Doppel­ge­mein­de am Fuße des Volkmarsberges.«

Dietrich Bantel

Erste Seite des Aalener Proto­kolls von 1749

Oberkochen

Das Aalener Proto­koll
Das sogenann­te Aalener Proto­koll aus dem Jahre 1749 beginnt mit einer umfang­rei­chen Nennung der Titel Würden der beiden Herrschaf­ten und bekun­det in seiner Einlei­tung mit großem Ernst und ehrli­chem Willen, die in dem gemein­sa­men Flecken Oberko­chen vorhan­de­nen Strei­tig­kei­ten beizu­le­gen und eine gottge­fäl­li­ge dauer­haf­te Einig­keit zu schaf­fen zum Besten der beider­sei­ti­gen Lande und Unter­ta­nen. Der Inhalt des Proto­kolls ist in 12 Artikeln gefaßt. Artikel 1 spricht von der Befrie­dung des konfes­sio­nel­len Zusam­men­le­bens. Als Grund­la­ge ist der Westfä­li­sche Friedens­ver­trag zitiert. Oft ist die Rede einer­seits von den ellwan­gi­schen und anderer­seits von den Königs­bron­ner Häusern. Die Bewoh­ner sind angespro­chen als Bürger Beisas­sen, Hausge­nos­sen und Dienst­bo­ten. Was uns dieser Artikel in seinem Haupt­teil zeigt, ist die dunkle Wolke des Religi­ons­strei­tes, die viele, viele Jahre über unserem Heimat­dorf einmal geschwebt hat. Einer stand gegen den andern, und der Liebe zuein­an­der war wenig Raum gegeben. Es gab Leute, die auswärts den Gottes­dienst besuch­ten und sich oft nicht trauten, ihre Kinder in der eigenen Kirche taufen zu lassen. Geist­li­che, die im Ornat über die Straßen zu Kranken gingen, wurden beläs­tigt und am Betre­ten der Häuser gehin­dert. Wo Leute beider Konfes­sio­nen in ein und demsel­ben Haus wohnten, muß es manch­mal schlimm gewesen sein. Einige, heißt es, haben sich wohl vertra­gen. Die Verstor­be­nen wurden in aller Stille ohne jegli­che Beglei­tung zum Fried­hof getra­gen. Hier wurde der Sarg dann vom Geist­li­chen und den Verwand­ten in Empfang genom­men und bestat­tet. Das Zwölfuhr­läu­ten durfte nicht zu gleicher Zeit gesche­hen. Die Katho­li­ken läute­ten um 3/4 12 Uhr und die evange­li­sche Seite um 12 Uhr.

Die Vertre­ter der Ellwan­ger Herrschaft wie die der Königs­bron­ner ordne­ten einmü­tig an und mahnten mit besten Worten, doch diesen Zustand zu beenden und im Frieden mitein­an­der zu leben. Jeder soll in Freiheit seine Religi­on ausüben. Den Geist­li­chen und Gemein­de­vor­ste­hern wurde eindring­lich ans Herz gelegt, alles zu tun, um ein fried­li­ches Leben im Flecken zu errei­chen. Für die Geist­li­chen wurden Stolge­büh­ren geregelt und für ihre Amtshand­lun­gen außer­halb der Kirche beson­de­re Anwei­sun­gen gegeben. Zum Schlus­se dieses Artikels heißt es, daß der von alters­her gefei­er­te Hagel­tag gemein­sam began­gen werden soll und beide Geist­li­che sollen dabei predi­gen. Wir können anneh­men, daß von dieser Zeit ab eine Beruhi­gung in das Dorf einge­kehrt ist.

Im weite­ren ist davon die Rede, daß ein wider­spens­ti­ger Unter­tan, Heinrich Vetzer, das an seinem Haus nächst­ge­le­ge­ne Gäßlein unnötig versper­re, damit niemand durch­lau­fen und durch­fah­ren könne. Auch der Fronleich­nams­pro­zes­si­on versper­re er den Durch­gang. Leider ist der Name des Gäßleins nicht genannt. Das Hirten­haus am Kocher, später Armen­haus, gab ebenfalls Anlaß zur Befrie­dung von Strei­tig­kei­ten. Königs­bron­ni­sche und ellwan­gi­sche Unter­ta­nen sollen künftig dort unwei­ger­lich aufge­nom­men werden, und wo Ellwan­ger im Wohnteil der Königs­bron­ner wohnten, durften künftig keine katho­li­schen Religi­ons­hand­lun­gen vorge­nom­men werden. Des weite­ren wurde bestimmt, daß der seit einiger Zeit einge­führ­te gemein­schaft­li­che Nacht­wäch­ter aus der Kommun­kas­se zu entloh­nen sei. Die auf beide Dorftei­le entfal­len­den Antei­le sollen wieder ausge­gli­chen werden. Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß Oberko­chen damals drei Gemein­de­kas­sen geführt hat.

Dem evange­li­schen Pfarrer soll ein mit einer Gemein­de­ge­rech­tig­keit begab­tes Sold zugeteilt werden, so wie es der katho­li­sche Geist­li­che schon hatte. Beide Pfarrer wurden von der Entrich­tung eines Burggel­des beim Aufzie­hen befreit. Die Schul­meis­ter, die bis dahin mit Wachen, Boten­lau­fen und anderen Handfro­nen belas­tet waren, mußten davon befreit werden, weil sie, wie das Proto­koll sagt, Gemein­de­die­ner seien und nun auch künftig den Schult­hei­ßen und den Vierleu­ten ebenmä­ßig zu stellen sind.

Der zweite und dritte Artikel behan­delt das Gerichts­we­sen. Das Hochfürst­li­che Stift Ellwan­gen übernimmt die hohe und niede­re Gerichts­bar­keit bezüg­lich all dem, was dem gemein­schaft­li­chen Flecken gehört, wie Wege, Weiden, Wälder usw. Für alles andere, was in den beiden Dorftei­len zu richten war, hatte die Gerichts­bar­keit die zustän­di­ge Obrig­keit. Eine Sonder­heit war, wenn Ellwan­gen einen Königs­bron­ner Unter­ta­nen in seiner Zustän­dig­keit abgestraft hatte, konnte dieser nachträg­lich noch von der Königs­bron­ner Herrschaft nachbe­straft werden. Von den von Ellwan­gen einge­zo­ge­nen Strafen in Geld war die Hälfte an Königs­bronn abzuliefern.

Nach Artikel 4 war von jedem Dorfteil ein Schult­heiß zu wählen, auch an Bürger­meis­tern und Vierleu­ten hatten die beiden Dorftei­le ihre gleiche Zahl zu wählen. Diese hatten alle Beschlüs­se und Bekannt­ma­chun­gen mitein­an­der zu verab­re­den, damit nichts gesche­he, das der Gesamt­ge­mein­de zum Nachteil hätte sein können. Der alten Dorford­nung wurde eine Bettel­ord­nung einge­fügt, ebenso einer Unter­gangs- und Flurord­nung. Die Gemeins. Gemein­de­rech­nung hatte d. Herrschaft Ellwan­gen zu stellen und mit dem Amt Königs­bronn zu verglei­chen. Beide Schult­hei­ßen hatten sie zu unter­schrei­ben. Man spürt beim Lesen dieses Artikels keinen kleinen Bürokra­tis­mus. An einer Stelle ist noch davon die Rede, daß im Ellwan­ger Dorfteil zwei Wirts­häu­ser vorhan­den gewesen seien. Es kann vermu­tet werden, daß eines davon bestimmt der Hirsch gewesen ist.

Wieder­um wurde bestimmt, daß alle gemein­sa­men Gemein­de­ver­samm­lun­gen bei der Dorflin­de abzuhal­ten seien. Wir sehen, welche Bedeu­tung dieser Platz bei der Linde bei unseren Vorfah­ren gehabt hat. Wenn dersel­be Platz nun heute das Ehren­mal für unsere gefal­le­nen Heimat­söh­ne trägt, dann ist der histo­ri­schen Vergan­gen­heit in würdi­ger Weise Rechnung getra­gen worden.

(Fortset­zung folgt)

Dr. Christ­hard Schrenk

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