Bericht 4

Frage zu Bild 4:

Wie bezeich­ne­te man die gepflas­ter­te Zone zwischen Straße und Vorplatz des linken Hauses?

Oberkochen

Lösung zu Bild 4:

Das gesuch­te Wort heißt »Kandel«

Kath. Schul­haus — untere Dreißentalstraße

Vor 2 Wochen erhielt der Heimat­ver­ein eine Zuschrift von Herrn Engel­bert Mager, Sohn des fast schon legen­dä­ren Oberleh­rers Alfons Mager (gest. 1946), der mit seinen heimat­kund­li­chen Arbei­ten einen guten Grund­stein für uns gelegt hat.

Er schreibt unter anderem: »In der Anlage übersen­de ich Ihnen eine kath. Schul­stel­len­be­schrei­bung aus dem Realka­ta­log von 1908, die vielleicht für die Bürger und den Heimat­ver­ein von Inter­es­se ist, nachdem in dem Bau verschie­de­ne Verän­de­run­gen vorge­nom­men wurden, und nur noch auf der Bühne eine nachträg­lich einge­bau­te Wohnung vorhan­den ist.«

Unser »Kandel«-Foto passt zu dieser Beschrei­bung so gut, dass wir zunächst die Beschrei­bung des katho­li­schen Schul­ge­bäu­des zur Kennt­nis geben.

Beschrei­bung der katho­li­schen Schul­stel­len von Oberko­chen vor 80 Jahren (1908)

1139 (913 kath.) Einwoh­ner, 496 m hochge­le­gen, Gesamt­ge­mein­de 1168 (922 kath.) Einwoh­ner, Pfarr­dorf mit Markt­ge­rech­tig­keit, 8,7 km südlich von Aalen, im Tal des schwar­zen Kochers, nahe seinem Ursprung, von reich­be­wal­de­ten Höhen umschlossen.

Bahnsta­ti­on, Postagen­tur mit Telegraf und Telefon, werktags 2mal, sonntags einmal Postzu­stel­lung, Arzt in Unter­ko­chen (4 km) und Königs­bronn (5 km), Apothe­ke in Königs­bronn, gute Wirtschaf­ten, 7 Kauflä­den, alles im Ort zu haben.

Schul­haus, freie lufti­ge Lage, etwas abseits von der Haupt­stra­ße, präch­ti­ger Bau mit drei Stock­wer­ken, 1900 erstellt. Im 1. Stock 2, im 2. Stock 2 weite­re (darun­ter ein leeres) Schul­zim­mer, je 11,7 m lang, 7,4 m breit, 3,15 m hoch, Licht­ver­hält­nis­se günstig. Heizung: Gemein­de — Beide Wohnun­gen im 3. Stock des Schul­hau­ses (linke und rechte Hälfte), vollstän­dig gleich: 4 inein­an­der­ge­hen­de, schöne Zimmer, wovon 2 heizbar. (25, 17, 14, 12 qm) Höhe 2,8 m, Küche schön, Herd neu und gut, Speise­kam­mer klein, im Erdge­schoß große Wasch­kü­che mit Wasser­lei­tung (die Fortset­zung der letzte­ren in die Wohnun­gen steht in Aussicht), Keller gut. Auf der Bühne 2 schöne gegips­te Kammern. Bei der 1. Stelle 2 ar Hausgar­ten, für Gemüse­land sehr geeig­net, keine Obstbäu­me — Unter­leh­rer schönes Zimmer im 2. Stock.

Schule 3klassig: 2 ständi­ge, 1 unstän­di­ge Stelle, Schüler­zahl einer Klasse durch­schnitt­lich 50 — 60, Schul­fond 2.500 M. Normal­ge­halt; Sonntags­schu­le 40 M und Zeichen­un­ter­richt 80 M (2. Stelle) — Unter­leh­rer gesetzl. Gehalt, Holz (20 M), Fortbil­dungs­schu­le 80 M — Kirchensteuer.

Kirche neu und schön, etwa 400 m vom Schul­haus. Organist (1. Stelle) 150 M, 2 Maian­dach­ten in der Woche; Chordi­ri­gent (2. Stelle) 150 M, gemisch­ter Chor, 34 Mitglieder.

Gesang­ver­ein für sich. Pfarr­cä­ci­li­en­ver­ein mit Cäcili­en­fei­er, weltli­che Auffüh­rung am Fronleich­nams­fest — Orgel neu und gut; Sänger­raum groß.

Stellen­in­ha­ber:

  1. Ulsamer Johan­nes, Aufsichts­leh­rer, geb. 3. März 1871 zu Höttin­gen in Unterfranken
  2. Rink Hermann, geb. 24. April 1876 in Donzdorf

Ergän­zun­gen von E. Mager

  1. 1918 war die Wasser­lei­tung in den Wohnungen.
  2. Auf der Bühne in der Mitte hatte die Schul­keh­re­rin ein kleines Zimmer.
  3. Für beide Wohnun­gen waren die Klosetts außer­halb eine Treppe tiefer.

Soweit die uns von Herrn Mager zugesand­te Schul­stel­len­be­schrei­bung aus dem Realka­ta­log von 1908. Wahrschein­lich sind auch Sie über die am Anfang des Berichts genann­ten zweier­lei Einwoh­ner­zah­len gestol­pert, — 1139 Einwoh­ner, — 1168 Gesamt­ge­mein­de. Hierzu möchte ich folgen­des ergänzen:

In der fast gleich­zei­tig erstell­ten Beschrei­bung von Kreisen, Oberäm­tern und Gemein­den, »Das König­reich Württem­berg« von 1906, befin­det sich des Rätsels Lösung, und zwar in Band 3, wo unter »Jagst­kreis« bei Oberko­chen zu lesen steht:

Oberkochen

Entschei­dend für die zweier­lei Einwoh­ner­zah­len ist die getrenn­te Auffüh­rung von

1) Kreuz­müh­le, Häuser, erbaut 1845 10 Einwohner
2) Schla­cken­wä­sche, Haus, erbaut 1745 5 Einwohner
3) Schleif­müh­le, Häuser, erbaut 1725 11 Einwohner
4) Ziegel­hüt­te, Häuser, im 19. Jahrhun­dert 8 Einwohner

Die Gesamt­zahl von 34 Einwoh­nern entspricht ziemlich genau der im Realka­ta­log genann­ten Diffe­renz von 29 Einwoh­nern. Da der Unter­schied von 5 Einwoh­nern zwischen 1906 (König­reich Württem­berg) und 1908 (Realka­ta­log) der bei dem Haus Schla­cken­wä­sche genann­ten Zahl 5 entspricht, steht zu vermu­ten an, dass die Schla­cken­wä­sche als Wohnhaus irgend­wann zwischen 1906 und 1908 aufge­ge­ben wurde. Dem müsste jedoch noch nachge­gan­gen werden.

Nun zur Beant­wor­tung der Frage zu Bild 4: Wie bezeich­ne­te man die gepflas­ter­te Zone zwischen Straße und Vorplatz des linken Hauses? (Dreißen­tal­stra­ße)

Antwort: Kandel. (Hochschwä­bisch: die Kandel, schwä­bisch: der Kandel).

Nach dem Motto »Alles schon mal da gewesen« taucht »der Kandel« in dieser Form nach ca. 75 Jahren (das Foto mag, den Bäumen im Schul­hof nach gerech­net, ca. 10 Jahre nach Errich­tung des Schul­hau­ses (Spitz­na­me: »Fuchs­bau«) entstan­den sein) als der neues­te Schrei in den verkehrs­be­ru­hig­ten Zonen deutscher Städte und Dörfer wieder auf, — so auch hier bei uns in Oberko­chen, — eine Renais­sance der »guten alten Zeit«?

Das Gebäu­de links im Bild ist das Gebäu­de Jooß, vielen auch jünge­ren Oberko­chern noch als »Café Muh« bekannt. Dahin­ter ist der Giebel des Gebäu­des Schmied zu sehen, in dem noch in den 60-er Jahren Werkzeu­ge verkauft wurden. Das Gebäu­de im rechten Bildrand ist das Gebäu­de Mahler/Vollmer. Obwohl harte Arbeit dahin­ter steckt, wirken die großen Leiter­wa­gen auf uns heute heime­lig und gemüt­lich, und dies selbst die Misten (das Wort »Dungle­ge« ist eine unwür­di­ge Umschrei­bung) samt ihren »Soich­bom­ba« (zu hochdeutsch »Gülle — oder Jauch­e­pum­pe«). Ein Fass zum Trans­port der damit erpump­ten Flüssig­keit, das sogenann­te »Soich­faaß«, ist auf einem der beiden Loitra­wä­ga« zu erken­nen. Die Kränze an der Giebel­front des Mahler’schen Hauses deuten auf Fronleich­nam hin.

Frau Gretel Bleib­ler schil­der­te in sehr anschau­li­cher Weise — sie stammt aus dem Haus Jooß — diese soeben beschrie­be­nen feinen Unter­schie­de zwischen Gillen- und Soich­fass, zwischen Miste und Dungle­ge, und wußte auch noch zu berich­ten, dass die Aufbrin­gung eines Soich­fas­ses auf einen Leiter­wa­gen nicht gerade typisch fürs »Soich­fah­ren« gewesen sei. Norma­ler­wei­se sei das Faß auf einen Pritschen­wa­gen gekom­men, seitlich mit abnehm­ba­ren Brettern gesichert, weil man das Fass so habe wesent­lich besser auf den Wagen lupfen (heben) können, als von hinten wie beim Leiter­wa­gen auf unserem Bild gesche­hen. Der Kandel habe ihrer Erinne­rung nach noch bis in den zweiten Weltkrieg hinein bestan­den. Das Badwas­ser aus dem Blech­zu­ber und das Wasser von der »Wasch« habe man halt in den Kandel geleert, — Kanali­sa­ti­on habe es in ihrer Jugend noch nicht gegeben. Hierüber wird später berich­tet werden.

Nachtrag zu Bild 4 (Kandel)

Es haben sich Oberko­che­ner gemel­det, die dem Wort »Kandel« die Männlich­keit ab- und die Weiblich­keit zuspre­chen. So kann es also der und die Kandel heißen. Die Mehrheit neigt offen­bar zu die Kandel.

Dietrich Bantel

Frage zu Bild 5:

Wie bezeich­ne­ten die Einhei­mi­schen die Bahnhofrestauration?

Oberkochen

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