Im März des Jahres 1848 waren die Wogen der franzö­si­schen Revolu­ti­on über den Rhein auch nach Württem­berg überge­schwappt. Um die Situa­ti­on Oberko­chens in jenem Jahr etwas zu beleuch­ten, machen wir uns zunächst einige Gedan­ken zum bekann­ten Bild von Oberko­chen, das ein leider in Verges­sen­heit gerate­ner Maler im Jahr 1847 malte.

Oberko­chen vor der Revolu­ti­on
Unüber­seh­bar ist die katho­li­sche Pfarr­kir­che St. Peter und Paul, deren Pfarrer seit 1846 Carl Wilhelm Desal­ler (1815 — 1867) war.

In den Kocher­auen findet sich die Wallfahrts­ka­pel­le des »Wiesen­herr­gotts« deren Schän­dung 1790 im Dorf Oberko­chen mit seinen rund 600 Einwoh­nern große Unruhe hervor­ge­ru­fen hatte (und die erst abflau­te, nachdem als Täter Unter­ko­che­ner Katho­li­ken dingfest gemacht waren).

Im Oberge­schoss der mit einem Dachrei­ter verse­he­nen evange­li­schen Kirche wohnte Desal­lers evange­li­scher Kolle­ge, der densel­ben Vorna­men trug wie er, Carl Wilhelm Valet, dem 1848 Pfarrer Fried­rich Römer folgte.

Das Oberko­che­ner Schult­hei­ßen­amt verwal­te­te Siegmund Jonathan Maier, seines Zeichens gleich­zei­tig Wundarzt und Chirurg, dem 1849 Maurer­meis­ter Micha­el Wingert als Ortsober­haupt folgte.

Als katho­li­scher Schul­meis­ter walte­te Johann Konrad Balluff, seines Amtes ein sehr musika­li­scher Mann, der zusam­men mit Pfarrer Valet einen katho­li­schen Kirchen­chor gegrün­det hatte. Neben dem Schul- und Organis­ten­dienst musste er das Mesner­amt verse­hen und auch landwirt­schaft­lich tätig sein.

Im evange­li­schen Schul­haus — es lag damals am Ende des Dorfes in Richtung Aalen — wechsel­ten die Lehrer häufig, offen­sicht­lich wegen des desola­ten Zustands des Hauses, von dem 1849 Lehrer Stöck­le sagte, es sei ihm unmög­lich dort zu wohnen, weshalb er den Dienst quittierte.

Oberkochen

Das Origi­nal dieses im Amtsblatt bereits mehrfach veröf­fent­lich­ten Bildes befin­det sich in Privat­be­sitz. In den Siebzi­ger­jah­ren wurde auf Veran­las­sung von Bürger­meis­ter Gustav Bosch eine kleine Aufla­ge hervor­ra­gen­der Kunst­dru­cke davon gefer­tigt, die zu bestimm­ten Anläs­sen verschenkt wurden. Mit dem Wegzug der Besit­zer des Origi­nals von Oberko­chen galt dieses als verschol­len. Vor kurzem konnte durch den Wortlaut einer persön­li­chen Widmung, die Bürger­meis­ter Bosch auf die Rücksei­te eines solchen Druckes schrieb, einwand­frei geklärt werden, dass sich das Origi­nal nach wie vor im gleichen Privat­be­sitz befin­den muss. Der entspre­chen­de Text vom 21. 2. 1978 lautet: »… Wir haben vor kurzem ein altes Bild von Oberko­chen, das vermut­lich einmal im Gasthaus »zum Ochsen« hing und von der Familie Trick bei deren Abzug mitge­nom­men wurde, als Farbdruck verviel­fäl­ti­gen lassen.

Zeichen der Zeit
War es früher selbst­ver­ständ­lich gewesen, dass das Einkom­men von Pfarrern und Schul­meis­tern teilwei­se auch aus Natura­li­en und Einnah­men aus sog. Pfrün­den bestand, setzte dem der Oberko­che­ner Pfarrer Desal­ler ein Ende. Er gab »den Selbst­be­trieb seiner Pfrün­de« auf und hielt am 14. Febru­ar 1848 im »Boten von Aalen« deshalb »zwei sehr schöne träch­ti­ge Kühe nebst zwei Kalbeln, einem Quantum Heu und Oehmd zum Verkauf feil«.

Wenig später zog der katho­li­sche Schul­meis­ter Balluff nach und schrieb »eine neumel­ken­de Kalben nebst einem von dersel­ben stammen­den Kuhkalb von vier Wochen« zum Verkauf aus.

Oberkochen

Ein Funke revolu­tio­nä­ren Geistes
Ganz so drama­tisch wie Pfarrer Desal­ler in seiner »Kleinen Pfarr­chro­nik« schreibt:
1848: Hoffnung der Völker auf endli­che Befrei­ung von ihrem Joche. Revolu­ti­on an allen Enden. Bürger­wehr in Oberko­chen« mag es dann doch in Oberko­chen nicht zugegan­gen sein, denn auf eine »Oberko­che­ner Bürger­wehr« gibt es keine Hinwei­se im »Boten von Aalen«.

Dagegen erschien mit Datum vom 12. März 1848 im »Boten« folgen­de Notiz aus Oberko­chen:
»Wie wir hören, soll in der Oberamts­stadt Aalen nicht nur der Herr Stadt­schult­heiß, sondern auch die auf Lebens­dau­er gewähl­ten Stadt­rä­te ihre Entlas­sung genom­men haben«, worauf den Oberko­che­ner Gemein­de­rä­ten samt Schult­heiß nahe gelegt wurde, »ähnli­ches zu tun, da sie schon längst das Zutrau­en der Gemein­de gänzlich verlo­ren haben«. Damit war auch in Oberko­chen ein Funke revolu­tio­nä­ren Geistes spürbar geworden.

Doch die Angegrif­fe­nen setzten sich zur Wehr und erklär­ten vier Tage später im »Boten«: »Privat­ra­che und religiö­ser Fanatis­mus ist die Trieb­fe­der jenes aus ganz unrei­ner Quelle geflos­se­nen Artikels«, der wohl dazu dienen solle, den evange­li­schen Schult­hei­ßen und evange­li­sche Gemein­de­rä­te aus dem Amt zu heben. Deshalb würden sie »keines­wegs auf Verdäch­ti­gun­gen eines Böswil­li­gen ihre Ämter niederlegen«.

Schul­meis­ter als enfant terri­ble
Nun war also nicht nur politi­sches Geran­gel im Gange, mit dem Angriff auf die evange­lisch besetz­te Ortsver­wal­tung geriet auch der in jenen Jahren durch­aus existie­ren­de konfes­sio­nel­le Friede in Gefahr. Als Beweis dafür mag gelten, dass z.B. bei der Inves­ti­tur von Pfarrer Desal­ler im Jahr 1846 auch der evange­li­sche Amtskol­le­ge zum Festessen im »Hirsch« geladen war und dieser dabei einen freund­li­chen Toast ausbrach­te und feststell­te »das Verhält­nis beider Konfes­sio­nen ist seit einer Reihe von Jahren ein äußerst friedliches«.

Um dieses gute Verhält­nis nicht zu stören, gab Schult­heiß Maler am 18. März im »Boten« eine Erklä­rung ab, der zufol­ge »es durch­aus nicht in seiner Absicht lag, die hiesi­ge katho­li­sche Gemein­de zu belei­di­gen«. Seine Absicht sei dagegen gewesen, den »intri­gan­ten Verfas­ser jenes Artikels, den man wohl kennt, zurecht zu weisen«.

Wer aber war dieser?
Am 19. März »outete« er sich als Verfas­ser des gegen »Schult­heiß Maler und Consor­ten« gerich­te­ten Artikels: Es war zum Erstau­nen nicht weniger Oberko­che­ner der katho­li­sche Schul­meis­ter Johann Konrad Balluff.

Was diesen zu seiner Attacke verlei­tet hatte, bleibt zumin­dest in der Zeitung unklar. War es Verär­ge­rung über schlech­te bauli­che Schul- und Wohnver­hält­nis­se und die Weige­rung, diese zu verbessern?

War es der Frust darüber, dass ihm wegen wieder­holt zu späten Läutens der Betglo­cke — er hatte als Schul­meis­ter auch Mesner­diens­te zu verse­hen — eine Strafe von einem Gulden aufge­brummt worden war?

Hatte es damit zu tun, dass er gerügt worden war, weil er »als Direk­tor des Königs­bron­ner Gesang­ver­eins« angeb­lich seine Oberko­che­ner Pflich­ten nicht genügend nachge­kom­men war, weshalb »die Schul­prü­fung ganz mittel­mä­ßig ausfiel«?

War es wegen der unlieb­sa­men Kirch­hofs­ge­schich­te, bei der er gerügt worden war, weil seine Kühe zur Verein­fa­chung seiner Arbeit als Fried­hofs­wär­ter auf dem unmit­tel­bar neben dem Schul­haus gelege­nen Kirch­hof grasten?

Vielleicht war es auch ein Funke revolu­tio­nä­ren Geistes, der den Oberko­che­ner Schul­meis­ter dazu verführt hatte, wider den obrig­keit­li­chen Stachel zu löcken.

Lassen wir’s dahin­ge­stellt. Die Folge von Balluffs Artikel war jedoch, dass der Oberko­che­ner Schult­heiß Maier im Amt blieb samt seinen Gemein­de­rä­ten, während in Aalen Stadt­rä­te samt Stadt­schult­heiß Ehmann den Hut nahmen, obwohl sich einige Stadt­rats­gat­tin­nen heftig dagegen wehrten mit dem Argument, sie hätten einst einen Stadt­rat auf Lebens­zeit gehei­ra­tet, deshalb solle es auch so bleiben.

Die nächs­te Folge der »Presse­schau« wird dem Oberko­che­ner Pfarrer Carl Wilhelm Desal­ler und seinem politi­schen Wirken gewid­met sein.

Volkmar Schrenk

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