Obwohl frühe­re Veröf­fent­li­chun­gen sich schon mit der Materie befasst haben (Oberko­che­ri­er Heimat­buch Seite 120, BuG 157/1992, Seite 188), können wir das Jahr 1844 nicht verlas­sen, ohne kurz auf das Zahnber­ger Gruben­un­glück einzugehen.

GRUBENUNGLÜCK
Im Januar 1844 berich­tet der »Bote von Aalen«: »Das schwe­re Unglück auf der Zahnber­ger Grube erregt seit Tagen die Gemüter«. Zahnber­ger Grube? Heute gibt keine Flurkar­te mehr Auskunft zur Lage dieser Grube nordöst­lich von Königs­bronn. Aber in den vierzi­ger Jahren des 19. Jahrhun­derts wurde dort in staat­li­cher Regie Lehm abgebaut, aus dem die Hafner der Umgebung — allein in Oberko­chen gab es 40 Hafner­meis­ter — ihre Töpfer­wa­ren herstellten.

Die Zahnber­ger Grube war kein unter­ir­di­sches Bergwerk, sondern im Tagebau wurde nach Toner­de gegra­ben und diese in Kübeln aus Tiefen von bis zu 50 Meter an Seilen hochge­zo­gen oder auch auf Kopf oder Rücken über serpen­ti­nen­ar­ti­ge Trampel­pfa­de geschleppt.

Stangen­höl­zer sicher­ten zwar die Gruben­wän­de ab, jedoch im Winter war der Abbau bei teils gefro­re­nem, teils tauen­dem Unter­grund beson­ders gefähr­lich, zumal keine profes­sio­nel­len Bergleu­te am Werk waren, sondern die Hafner selbst nach Ton gruben.

So geschah es am 15. Januar 1844: Die Gruben­wän­de began­nen zu wanken, zwei Hafner aus Oberko­chen wurden in ca. 43 Meter Tiefe verschüt­tet und konnten trotz inten­si­ver Rettungs­ver­su­che nicht befreit werden. »Fieber­haft wurde ein Ersatz­schacht gegra­ben und ausge­zim­mert, da erfolg­te ein neuer, viel größe­rer Bruch, der auch einen jungen Rettungs­hel­fer mit in den Tod riss« (so schreibt der Königs­bron­ner Pfarrer). Da das Erdreich immer weiter nachgab, konnten die drei Leichen nicht gebor­gen werden.

Darauf­hin baten die Pfarrer von Königs­bronn und Oberko­chen sowie der Aalener Dekan Hartmann und Buchdru­cker Carl Wagner im »Boten« um »Gaben des regen Mitleids« für die Hinter­blie­be­nen. Dies löste eine Welle der Hilfs­be­reit­schaft aus: »Beamte, Berg- und Hütten­leu­te der König­li­chen Hütten­wer­ke Wasser­al­fin­gen sammel­ten 200 Gulden«, von Essin­gen, Aalen und bis weit ins württem­ber­gi­sche Land gingen Spenden ein, so aus Tübin­gen, Ulm und Freuden­stadt. Carl Wagner, Heraus­ge­ber des »Boten«, veröf­fent­li­che eine Beschrei­bung der am Ort des Unglücks gehal­te­nen Trauer­fei­er als kleines Heft, dessen Verkaufs­er­lös (3 Kreuzer pro Stück) den Hinter­blie­be­nen zu Gute kam, Menschen, die nicht mit materi­el­len Gütern geseg­net auch keine Unfall­ver­si­che­rung kannten: Eine Familie, die plötz­lich den Ernäh­rer verlo­ren oder eine Mutter, deren Sohn sie und noch unmün­di­ge Geschwis­ter versorgt hatte.

HOLZ IN HÜLLE UND FÜLLE
Auch im Jahr 1845 taucht »Oberko­chen« im Aalener »Boten« vor allem bei Holzver­käu­fen, aber auch bei »Gantver­fah­ren«, d. h. Zwangs­ver­stei­ge­run­gen auf. Lassen wir letzte­re auf sich beruhen und wenden uns dem Holz zu. Im Mai 1845 bietet das Forst­amt Heiden­heim »für das Revier Oberko­chen« an: »Buchene und birkene Schei­ter und Prügel, Eichen und Nadel­holz­stäm­me« zusam­men über 100 Klafter (1 Klafter umfasst 3,38 Kubik­me­ter) und dazu 28000 »unauf­ge­bun­de­ne Wellen«. Außer­dem offerier­te Schult­heiß Maier im Auftrag »mehre­re Bürger 300 Klafter Holz in der Eßhal­de und im Zweren­berg«. Der Verkauf soll im »Hirsch« erfol­gen, doch das Holz kann am Tag zuvor im Wald einge­se­hen werden, wozu sich der Holzwart dort aufhal­ten wird«.

LEBEN — NICHT VOM HOLZ ALLEIN
Ob die alte Mönchs­re­gel »ora et labora« auch für Nicht­kut­ten­trä­ger galt? Dem Augen­schein nach scheint es so gewesen zu sein, denn in der Zeitung finden sich keine Berich­te über Veran­stal­tun­gen, was aber noch lange nicht heißt, dass gar nichts an Vergnü­gun­gen geboten war. Doch erlau­ben Ankün­di­gun­gen gewis­se Rückschlüs­se. So hatte Hirsch­wirt Fuchs anfangs August 1846 zu einer »Abend­un­ter­hal­tung« einge­la­den. Doch sie fiel dem Wetter zum Opfer, »drohen­de schwe­re Gewit­ter waren aufge­zo­gen« und hatten die wenigen Gäste verscheucht. Doch am Sonntag, 16. August, schien das Wetter stabil, da sollte das Vergnü­gen nachge­holt werden, und zwar »auf mehrsei­ti­ges Verlan­gen«, was zeigt, dass die Oberko­che­ner nicht nur »beten und arbei­ten« wollten, sondern auch an Gesel­lig­kei­ten inter­es­siert waren.

PRAKTISCHE ÖKUMENE
Jedoch scheint die Grenze zwischen Vergnü­gen und Laster nicht immer klar gewesen zu sein. So ist bekannt, dass als 1749 das »Aalener Proto­koll« die Spiel­re­geln im geteil­ten Oberko­chen neu festzu­le­gen versuch­te, etwa beim Kirch­weih­fest »oft ganze acht Tage und mehr gezecht und getanzt wurde«, was im Proto­koll auf drei Tage begrenzt wurde und sogar »der Schult­heiß auf das ihm früher zu Festbe­ginn spendier­te Maß Wein verzich­ten musste«.

Im Jahr 1832 waren wohl die frühe­ren Verein­ba­run­gen etwas in Verges­sen­heit geraten. Deshalb »befan­den es die beiden Ortspfar­rer für gut, einen gemein­sa­men (heute würde man sagen »ökume­ni­schen«) Kirchen­con­vent einzu­be­ru­fen, der dann auch beschloss, »dass alles Nacht­schwär­men, Schrei­en, Singen und Lärmen auf den Straßen, ferner das Stehen lediger Leute vor den Wirts­häu­sern bei stren­ger Ahndung verbo­ten sein solle«.

Die Kehrsei­te der Medail­le war, um sich zu treffen suchten junge Leute andere Möglich­kei­ten. Aus dem Jahr 1846 wird berich­tet, »die ledige Anna Maria R. habe ledigen Leuten bei Nacht Aufent­halt in ihrer Stube gestat­tet«, weshalb sie abgemahnt, »streng verwarnt und zu einem sittli­chen Lebens­wan­del kräftig ermahnt wurde«.

ZECHEN UND SAUFEN
Am 5. Januar 1847 gab Metzger Caspar S. im »Boten« eine »Ehren­er­klä­rung« ab, in der er sich für Unwahr­hei­ten entschul­digt und erklärt, sich »in Zukunft vor derar­ti­gen leiden­schaft­li­chen Ausbrü­chen hüten« zu wollen.

Was war gesche­hen?
An einem frosti­gen Sonntag­vor­mit­tag im Januar hatten der Metzger Kaspar und die Brüder Chris­toph und Micha­el die Wärme des benach­bar­ten Wirts­hau­ses der kalten Kirche vorge­zo­gen. Und wie es manch­mal zu gehen pfleg­te, die Unter­hal­tung wurde lebhaf­ter und lauter bis man sich, bildlich gespro­chen, in die Haare geriet und der Kaspar »in der Folge eines starken Wortwech­sels gräss­li­che Flüche und Verwün­schun­gen ausstieß«. Nicht, dass der Pfarrer dies in der Kirche neben­an tatsäch­lich gehört hätte, dennoch reich­ten seine Ohren weit und der Läste­rer wurde vom Kirchen­con­vent »vorge­for­dert«. Dieser erinner­te sich an einen Erlass des Aalener Oberamt­manns vom 26. April 1845 an Kirchen­con­ven­te und Gemein­de­rä­te, wo es heißt: »Den oben genann­ten Ortsbe­hör­den dient zur Nachricht, dass die Strafen wegen Zechens und Saufens während des Gottes­diens­tes, wenn sie vom Kirchen­con­vent angesetzt wurden, der Ortsar­men­kas­se, wenn aber vom weltli­chen Ortsvor­ste­her oder Gemein­de­rat erkannt wurde, der Gemein­de­pfle­ge zur Verrech­nung zu überge­ben sind (siehe Abbildung).

Oberkochen

Also machte der Kirchen­con­vent wohl auch im Blick auf die Lage der »Heili­gen Kasse« kurzen Prozess, sah den Tatbe­stand »Zechen und Saufen während des Gottes­diens­tes« für gegeben, erteil­te dem Schrei­er wegen »irreli­giö­sem und unsitt­li­chem Betra­gen einen stren­gen Verweis« und »beleg­te ihn wegen Sonntags­en­t­hei­li­gung und Ärger­nis­ses mit einer Geldstra­fe von 3 Gulden«.

Da der Verur­teil­te seinen Unfug bereu­te, nahm er die Einspruchs­frist von »zweimal 24 Stunden« nicht in Anspruch, bezahl­te die Strafe, die ja den Ortsar­men zu Gute kam, und entschul­dig­te sich im »Boten« durch die eingangs erwähn­te »Ehren­er­klä­rung”.

Volkmar Schrenk

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