Jüngst erhielt der Heimat­ver­ein von Josef Frech eine ca. 140 Jahre alte Karte (ca. 1862?) zur Archi­vie­rung übereig­net. Sie ist, wie man das früher in einer nicht so schnell­le­bi­gen Zeit machte, in recht­ecki­ge Teile geschnit­ten und liebe­voll mit Faltfu­gen auf Leinwand aufge­zo­gen, damit sie gut gefal­tet werden kann und beim Falten keinen Schaden leidet. Sie ist tatsäch­lich hervor­ra­gend erhal­ten und sieht nach über 140 Jahren wesent­lich besser aus, als eine moder­ne Papier­kar­te, auf der man nur einmal eine Wande­rung auf der Schwä­bi­schen Alb gemacht hat.

Die näheren Angaben zur Karte wie Titel, Maßstab und Jahr des Drucks wurden früher vom Papier-Karten­rand abgeschnit­ten und außen auf die Leinwand aufge­klebt, so dass bei richti­gem Zusam­men­fal­ten eine Art Titel­sei­te entstand. So auch bei dieser Karte.
Überra­schen­der­wei­se steht unter den Maßstab­s­an­ga­ben der Karte die Jahres­zahl 1838. Das ist ihrem Inhalt nach unmög­lich. Vermut­lich handelt es sich um eine »fortge­schrie­be­ne« und »fortge­zeich­ne­te« Karte.

Außer­dem gibt es ein aufge­kleb­tes Schild­chen, auf dem »Aalen Bl. XXIII« steht. Handschrift­lich ergänzt; Gmünd, Ellwan­gen, Heiden­heim. Eine Maßstab­s­an­ga­be im heuti­gen Sinn gibt es noch nicht. Dagegen ist eine Länge von 17,3 cm angege­ben, die einer geogra­phi­schen Meile, die lt. diesen Angaben 25599 würt. Fuß = 7418 Meter entspricht.

Ferner ist angege­ben:
1 Reise­stun­de = 16000 Fuß = 4583 Meter. Mit »Reise­stun­de« kann nur eine in einer Stunde zu Fuß zurück­ge­leg­te Strecke gemeint sein, denn 4,5 km entspre­chen heute noch einer mittle­ren Zu-Fuß-Wegstre­cke in der Stunde.

Wenn 17,3 cm 7418 Metern entspre­chen, hat die Karte einen Maßstab von 1 : 42878 — entspricht also ganz ungefähr unserem heuti­gen Maßstab von 1 : 50000.

Oberkochen

Wesent­lich inter­es­san­ter ist aber das Innen­le­ben dieser Karte. Den für uns inter­es­san­tes­ten Teil zeigen wir hier. Zunächst fällt auf, dass die Bahnli­nie bereits in die Karte aufge­nom­men ist. Sie wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhun­derts detail­liert geplant. Aalen — Heiden­heim und damit Oberko­chen wurden 1864 ans Eisen­bahn-Netz angeschlossen.

Dem sorgfäl­ti­gen Beobach­ter fällt auf, dass es überra­schen­der­wei­se zwar die Bahnli­nie gibt, aber noch nicht den Bahnhof an seinem heuti­gen Platz. Aus diesem Grund kommt als Druck­jahr der Karte fast nur das Jahr 1862 in Frage. Eine »Stati­on« ist am damals südli­chen Ortsen­de dort einge­zeich­net, wo die Bahnfüh­rung am nächs­ten an die Straße heran­kommt, also etwa da, wo heute Günther und Schramm stehen, und wo die Wachol­der­stei­ge abzweigt. Ein »Irrtum« in der Ortsan­ga­be ist ausge­schlos­sen, weil a) die Straße zum Bahnhof noch fehlt, und b) an der Stelle, wo der Bahnhof später hinkam, genügend Platz gewesen wäre, das Wort »Stati­on« unter­zu­brin­gen, wenn es den Plan für den Bahnhof schon gegeben hätte. Dieser entstand 1863.

Die Bahnli­nie ist da, die Bahnhof­stra­ße aber, wie gesagt, noch gar nicht geplant. Das heißt auch, dass das Gebäu­de Staud, in welchem sich ein Krämer­la­den befand, noch nicht abgebro­chen ist. Dieses Gebäu­de musste, wie in Bericht 106 vom 30. 3. 1990 beschrie­ben, spätes­tens 1864 (Planung 1863) im Zuge des Aufbruchs der Langgass (Heiden­hei­mer Straße) zur Anlegung der Bahnhof­stra­ße zum heuti­gen Bahnhof weichen.

Näheres ist in Bericht 106 nachzu­le­sen, in dem auch erwähnt ist, dass das an das Gebäu­de Staud nach Süden anschlie­ßen­de Haus das Gebäu­de Gold/Schmidjörgle war, (heute Kreis­spar­kas­se). Martin Gold wusste noch, dass der Krämer­la­den nach Abbruch des Gebäu­des Staud unten im Gebäu­de Schmid­jörg­le unter­ge­bracht wurde und von der Familie Gold betrie­ben wurde. Später kam dort ein Uhrma­cher rein, dann ein Konsum, und hernach eine »Einka« Filia­le (Grieser).

Die Witwe Staud übrigens errich­te­te mit dem Geld aus dem Verkauf ihres Gebäu­des und wohl mit ein wenig Drauf­geld die »Schell« = Bahnhofs­re­stau­ra­ti­on in der Bahnhof­stra­ße. An dieser Stelle errich­te­te knapp 100 Jahre später die Firma Bäuerle ein Fabri­ka­ti­ons­ge­bäu­de. Dieses wurde Mitte der Siebzi­ger­jah­re von Privat erwor­ben. Lange Jahre war dann Kaiser’s drin.

Dietrich Bantel

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