Immer wieder hört man, auch von Alt-Oberko­che­nern, dass das eigent­li­che Wolfert­s­tal nicht das Haupt­tal sei, das in Richtung Essin­gen führt; vielmehr sei das richti­ge Wolfert­s­tal das steile Seiten­tal, das beim Aussied­ler­hof Fischer durch die Klamm über die sogenann­te Märchen­wie­se zum Volkmars­berg hoch verläuft. Die Bezeich­nung Wolfert­s­tal für das Haupt­tal Richtung Essin­gen sei erst nach dem Krieg aufge­kom­men. Niemand hat aller­dings je konkret und genau erklä­ren können, wie dann das eigent­li­che Haupt­tal heißen solle.

In der Tat gibt es, wenn man dem zunächst die Wiesen­hän­ge durch­schnei­den­den Weg zum Waldrand Richtung Volkmars­berg folgt und in den Wald kommt, wo der Weg dann schnell steiler wird, ein altes Waldab­tei­lungs­schild, auf dem »Wolfert­s­tal« steht. Diese Waldab­tei­lungs­be­zeich­nung könnte die Ursache für obige Darstel­lung sein.

In Wirklich­keit aber ist mit dem Namen »Wolfert­s­tal« das Haupt­tal Richtung Essin­gen bis in die Zeit vor fast 150 Jahren beleg­bar, — in der Regel bis hin zur Wegga­be­lung beim Doppel­kreuz, mit anderen Worten bis zum Hunger­brun­nen der Gutenbachquellen.

Unsere ältes­te Karte stammt ungefähr aus dem Jahr 1862. Die Beschrif­tung »Wolfert­s­tal« reicht hier vom Spitz­tal bis mindes­tens zur Balle­scheu­er. Sich bis dorthin erstre­ckend ist die Beschrif­tung »Wolfert­s­tal« auch in einer Karte von 1908 einge­zeich­net. In einer Karte von 1894 reicht die Beschrif­tung bis hinaus zu den Hunger­brun­nen. In einer Karte von 1914 reicht die Beschrif­tung »Wolfert­s­tal« wieder­um fast bis hinaus zu den Hunger­brun­nen, desglei­chen in einer Karte von 1933 und einer von 1953. Über die Schreib­wei­se ist damit nichts ausge­sagt, denn selbst­ver­ständ­lich schrieb man »Tal« früher mit »th«, also »Thal«.

Oberkochen

Unser Karten­aus­schnitt stammt aus einer Karte 1:100000 von 1894, die 1912 und 1921 berich­tigt wurde, heraus­ge­ge­ben vom Württem­ber­gi­schen Statis­ti­schen Landes­amt. Wenn in sechs Karten über fast 150 Jahre hinweg mit der Bezeich­nung »Wolfert­s­tal« stets das Haupt­tal und nicht das Seiten­tal gemeint ist, darf man davon ausge­hen, dass die geogra­phi­sche Notie­rung stimmt.

Damit ist erwie­sen, dass mit der Bezeich­nung »Wolfert­s­tal« eindeu­tig das Haupt­tal und nicht das zum Volkmars­berg führen­de Seiten­tal gemeint ist.
Umgekehrt ist damit die Feststel­lung, derzu­fol­ge das oben beschrie­be­ne Seiten­tal über die Märchen­wie­se zum Volkmars­berg das eigent­li­che Wolfert­s­tal sei, dem Bereich der Märchen zugewiesen.

Wenn schon über das Wolfert­s­tal berich­tet wird, werden sich manche Leser fragen, wie es zu dieser Bezeich­nung kommt.
Richtung Essin­gen gibt es eine ganze Reihe von Waldbe­zeich­nun­gen, die mit »ert« enden: Wolfert, Langert, Eichert. Eichertbrünne­le zu Oberko­chen. Eicherthälde­le — die Hänge links und rechts im Wald unmit­tel­bar nach der Gemar­kungs­gren­ze — zu Essin­gen. Eichert zwischen Wolfertstal und Theus­sen­berg auf der Hochflä­che teils zu Essin­gen, teils zu Aalen gehörend.

Erneut wird man fündig in dem Buch von Walther Keinath »Orts- und Flurna­men in Württem­berg«, das 1926, und 1951 neu aufge­legt im Verlag des Schwä­bi­schen Albver­eins erschie­nen ist. Dort steht auf Seite 103:

Hardt (schwäb. das, der H., fränk. die H., vielleicht urver­wandt mit Hirte und Herde; Anklän­ge von hart = fest, von Harz und Herde) bezeich­net das große, ursprüng­lich die Feldmark umgeben­de Waldge­biet eines einzel­nen Dorfes, im beson­de­ren die dem Viehtrieb dienen­den Teile, oft auch die gemein­schaft­li­che Waldwei­de einer Hirten­ver­ei­ni­gung, die mehre­re Dörfer umschlie­ßen konnte. Da die Weide gerne auf wüst liegen­dem Gelän­de abgehal­ten wurde, findet sich auch Heide (schwäb. oi, oe) im Sinne eines Weide­walds. Die Mehrdör­fer­wei­de erstreckt sich meist über Wald und Weide­ge­bie­te, die seit alters zusam­men­hän­gen, oft über eine gemein­sa­me Allmend mehre­rer benach­bar­ter Orte, so das Münsin­ger Hart, die Feuer­ba­cher Heide. Große Teile der Hardt­wäl­der sind durch die Rodung in Anbau­land verwan­delt worden. Hierher Flurna­men wie: Äußerer Hart, Ochsen­hart, Kapfen­hart, Hardt­kel­ter; On. wie Platten­hardt, Mainhardt, Murrhardt (einst Mittel­punkt des Reichs­wal­des an der Murr). Verkürzt erscheint hart oft als ert, so in Eichert (aus Eich-hart), Rammert (d. i. Rabenwald).

Am Ende des Textes wird erwähnt, dass das Wort »Hardt« = Wald in verkürz­ter Form zu »hart« wird und oft zu »ert« weiter verkürzt vorkommt. Eichert = Eichen­wald, Rammert = Raben­wald.
Zwischen der Rodhal­de und Ochsen­berg ist in unserer Karte von 1862 beispiels­wei­se ein »Limmerhardt« ausge­wie­sen. Viele »Hardtstraßen« erinnern an die Alte Bezeich­nung »Hardt« für Wald.

Analog zu den Keinath’schen Abtei­lun­gen der Verstüm­me­lungs­for­men des Wortes »Hardt« kann geschlos­sen werden, dass Langert eine Verstüm­me­lung von Langhardt ist, was so viel bedeu­tet wie Lang-Wald, eine sehr logische Bezeich­nung für den langen bewal­de­ten Bergrü­cken.
Das Wolfertstal hieß früher Wolfhardtstal — und bedeu­tet demzu­fol­ge: Wolf-Wald-Tal. Dass es dort früher Wölfe gegeben hat, kann wohl angenom­men werden.

Heute kommen aller­dings nur noch Wildschwei­ne herun­ter ins Wolfert­s­tal. Die Jagdpäch­ter müssen im Sommer gegen sie elektri­sche Zäune um die Felder bauen, um die angebau­te Frucht zu schüt­zen. Es gibt auch Schwei­ne anderer Art, die ihren Abfall bis weit ins Tal hinaus­schlep­pen, zum Teil mit dem Fahrrad, um ihn dort irgend­wo zu entsorgen.

Dietrich Bantel

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