Markt­be­le­bung
»Schon längst — jedoch seit wann? — gab es in Oberko­chen zwei Vieh- und Krämer­märk­te«, so ließ Schult­heiß Sigmund Jonathan Maier, der 1830 das Amt vom frühe­ren württem­ber­gi­schen Schult­heiß Kaspar Schee­rer übernom­men hatte, in der Aalener Zeitung im Mai 1840 verlau­ten. Jedoch kümmer­ten die Märkte offen­sicht­lich matt und müde vor sich hin. Auf Abhil­fe sinnend kam dem Schult­heiß eine Idee. Er ließ den Oberko­che­ner Gemein­de­rat am 27. Mai 1840 beschlie­ßen, dass zur Belebung des Markt­ge­sche­hens »aus der dasigen Gemein­de­kas­se sechs Geldprä­mi­en ausge­setzt werden«. Weil aber im Gemein­de­rat Bauern das Sagen hatten, wurde nicht der Krämer­markt geför­dert, sondern der Viehmarkt. Und weil schon immer Geld zum Geld streb­te, wurden nicht etwa für ärmere Kunden Kaufan­rei­ze geschaf­fen, nein, Spitzen­er­lö­se bei Ochsen und Kühen sollten prämiert werden. Da Kühe einzeln gehan­delt wurden, das starke Geschlecht der Ochsen dagegen nur paarwei­se, gab’s bei den Milch­tie­ren im ersten Rang 4 fl. (Gulden) und für die Nächst­plat­zier­ten 3 fl. und 2 fl., während für das Paar Ochsen 8 fl., 6 fl. und 4 fl. ausge­setzt waren (siehe Abb.).

Oberkochen

Ob die Rechnung von Schult­heiß Maier aufging und die Märkte, insbe­son­de­re der Viehmarkt, stärker besucht wurden, ist nicht berich­tet. Tatsa­che ist jedoch, dass von einem Oberko­che­ner Viehmarkt schon lange nicht mehr die Rede ist, während der Krämer­markt als Oberko­che­ner Pflingst­markt bis zum heuti­gen Tage sich großer Beliebt­heit und Resonanz erfreut.

Brücken­bau
Die »Brücke der Staats­stra­ße über den Mühlka­nal zunächst Oberko­chen« war in den Vierzi­ger­jah­ren immer gebrech­li­cher gewor­den. Also musste sie erneu­ert werden. Ja sie war so marode, dass bei den am 13. Juli 1844 »auf dem Rathaus zu Oberko­chen verack­or­dier­ten Bauar­bei­ten« für den Abbruch nur 4 Gulden veran­schlagt wurden. (s. Abbil­dung Seite 294)

Obwohl es laut Ausschrei­bung um »eine neue hölzer­ne Brücke« ging, war der größte Brocken von 443 fl. für Stein­hau­er­ar­bei­ten angesetzt, gefolgt von 251 fl. für Arbei­ten der Zimmer­leu­te und schließ­lich fielen noch 49 fl. für Grabar­bei­ten und 7 fl. für den Schot­ter­be­lag, die »Überstei­nung«, an.

Ortsan­säs­si­ger Inter­es­sent für diese Arbei­ten war wohl Maurer­meis­ter Micha­el Wingert, der später von 1849 bis 1889 Oberko­che­ner Schult­heiß war. Ob er zum Zuge kam, ist nicht berich­tet, denn es wurden auch auswär­ti­ge Bieter zugelas­sen, die Ausschrei­bung nennt sie »Akkords­lieb­ha­ber«, die aber zum Verga­be­ter­min »beglau­big­te Zeugnis­se über Prädi­kat und Vermö­gen« mitbrin­gen mussten.

Ein Sozial­fall
Damals existier­te noch kein »sozia­les Netz«, das vor allem unschul­dig in Not gerate­ne Dorfbe­woh­ner hätte auffan­gen können. Zwar kümmer­ten sich die Kirchen­ge­mein­den um die Armen­für­sor­ge, aber — wie einmal zu lesen ist — waren beide »Heili­gen­kas­sen einan­der gleich«, d. h. meist leer und sie konnten in gravie­ren­den Fällen kaum unter­stüt­zend einsprin­gen. Deshalb blieb oft nur der Weg in die Öffent­lich­keit, zunächst inner­halb des Ortes, dann aber sich auch »an auswär­ti­ge edle Menschen­freun­de« wendend.

1842 musste »der Ehefrau des hiesi­gen Schrei­ners Joseph H. der Fuß abgenom­men werden« und sie benötig­te danach »ärztli­che Hilfe und Behand­lung«, die sie durch Schult­heiß Sigmund Jonathan Maier erfah­ren konnte, denn er war im Haupt­be­ruf Chirurg. Aber auch »kräfti­gen­de und stärken­de Mittel« waren notwen­dig, und diese mussten in der Oberamts­stadt besorgt werden. Obwohl Schrei­ner H. fleißig war und sparsam wirtschaf­te­te, konnte er, der »schon seit Jahren seinen Arbeits­ver­dienst zur Rettung seiner Frau freiwil­lig aufge­op­fert hatte« die wachsen­den Kosten nicht mehr bestrei­ten. Deshalb baten Pfarrer Heinz­mann und Schult­heiß Maier in der Zeitung bei den Oberko­che­nern »um milde Gaben«, aber auch der Aalener Oberamts­arzt Dr. Baumann forder­te zu Spenden auf, die Schrei­ner Gottfried Simon sammel­te und nach Oberko­chen weiter­lei­te­te: »Wahrlich ein Akt sozia­ler Hilfsbereitschaft«.

Handwerk — ohne golde­nen Boden
Bekannt­lich waren es Handwerks­meis­ter wie Jakob Chris­toph Bäuerle, Albert Leitz, Jakob Schmid, Wilhelm Grupp, August Oppold und zuletzt auch Karl Wannen­wetsch, die in den »Gründer­jah­ren« ihre Handwerks­be­trie­be ins Leben riefen und damit den Grund­stein zu Oberko­chens Indus­trie legten. Aber es gab auch Beispie­le, für die das Handwerk ohne golde­nen Boden blieb.

Am 14. Septem­ber 1840 hatte Schlei­fer­meis­ter Jakob Dik »einem verehr­li­chen Publi­kum ergebenst Anzei­ge gemacht, dass er auf hiesi­gem Platz eine Feinschlei­fe­rei errich­tet« habe und anbot, »Fleischer- und Wirtschafts­mes­ser, Fleischwie­gen etc. gut und billig zu schlei­fen«. Zunächst schei­nen die Geschäf­te ordent­lich gelau­fen zu sein, denn Dik kam zu einem »Besitz­tum bestehend aus zwei Gebäu­den nebst geräu­mi­ger Wohnung mit neu einge­rich­te­ter Schleif‑, Gips- und hollän­di­scher Ölmühle«.

Vielleicht hatte sich aber der Schlei­fer­meis­ter mit seinen verschie­den­ar­ti­gen Mühlen verkal­ku­liert, denn im Sommer 1842 teilte er plötz­lich in der Zeitung mit, er habe sich entschlos­sen, seinen Besitz in Oberko­chen zu verkau­fen. Da er keine Käufer fand, wurde ein zweiter Verkaufs­ter­min angesetzt. Aber auch dieser verstrich ergeb­nis­los. Darüber kam Schlei­fer­meis­ter Dik vollends in finan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten, zumal im März 1843 seine Frau Johan­na Friede­ri­ke starb, den Mann und vier kleine Kinder hinter­las­send. Deshalb nahm am 24. April 1843 Schult­heiß Maier die Sache »im Wege der Hilfs­voll­stre­ckung« in die Hand, was keinen freien Verkauf bedeu­te­te, sondern Veräu­ße­rung an den Meist­bie­ten­den im »Aufstreich«, d. h. durch Verstei­ge­rung. Endlich ging der Verkauf vor sich und Dik verließ Oberko­chen. Allzu­viel Geld scheint aber für Jakob Dik nicht heraus­ge­kom­men zu sein. Im Dezem­ber 1843 veröf­fent­lich­te Schult­heiß Maier einen »Gläubi­ge­r­auf­ruf« in dem Dik als »Bürger von Geislin­gen« genannt ist und der auffor­dert, finan­zi­el­le Ansprü­che gegen ihn inner­halb von 21 Tagen anzumel­den, »damit alle seine Gläubi­ger befrie­digt werden können«. (Weite­re Einzel­hei­ten zum Fall Dik enthält der BuG-Bericht 157 aus dem Jahr 1991 (BuG Seite 949).

Aufbes­se­rung des Einkom­mens
Das Einkom­men von Pfarrern und Lehrern setzte sich aus drei Kompo­nen­ten zusam­men. Einer­seits kam Geld vom König­li­chen Cameral­amt (wenig genug!), zum zweiten warfen Tätig­kei­ten am Ort etwas ab (Gebüh­ren für Taufen, Hochzei­ten, Beerdi­gun­gen), drittens gab es Einnah­men aus dem »Güter­ge­nuss«, d. h. aus Pacht­erlö­sen, aber auch Verkauf zuste­hen­den Holzes und des Weins aus der »Weinbe­sol­dung«. So versuch­te der katho­li­sche Pfarrer Heinz­mann 1842 sein Budget etwas aufzu­bes­sern durch eine »Aukti­on in seinem Hause«, bei der er anbot: »Vier Klafter Holz, größten­teils schon aufge­macht, drei Klafter abgesäg­te Prügel, 600 Stück ausge­prü­gel­te Wellen«. Und weil der Pfarrer schon beim Ausbie­ten war, gab er auch noch »einige Hausge­rät­schaf­ten wie Sekre­tär, Kommo­de, Mange und Mehltru­he« dazu.

Noch weniger lukra­tiv war das Einkom­men des Schul­meis­ters, musste er doch Organis­ten- und Mesner­dienst ohne zusätz­li­che Vergü­tung verse­hen (nur für das Aufzie­hen der Kirch­turm­uhr fielen einige Gulden ab). Zwar bekam er Brenn­holz zugeteilt, musste es aber selbst sägen und spalten und dazu die Heizkos­ten für die Schule aus eigenem Beutel bestrei­ten. Deshalb ist erstaun­lich, dass Lehrer Balluff, Vater des später berühmt gewor­de­nen König­li­chen Kammer­sän­gers Anton Balluff und Mitbe­grün­der des katho­li­schen Kirchen­chors, im August 1844 im »Boten von Aalen« inserie­ren kann: »Schul­meis­ter Balluff hat noch 6 Klafter Holz zu verkau­fen. Liebha­ber sind dazu eingeladen«.

Kinds­va­ter gesucht
Bis 1800 war an der Tages­ord­nung, Mütter unehe­lich gebore­ner Kinder vor dem Kirchen­con­vent zu verhö­ren (»wer der Vater sei?«, »wo und wann gesche­hen?«, »ob und wieviel Einkom­men vorhan­den?«) und entspre­chend zu bestra­fen. 1844 waren solche hochnot­pein­li­chen Verhö­re nicht mehr üblich. Doch auch damals gab es Väter, die sich ihrer Unter­halts­pflicht entzo­gen. Deshalb verklag­te Catha­ri­na H. aus Obermünk­heim bei Hall den »Bergmann Johann Sch. von Oberko­chen als vermeint­li­chen Vater ihres Kindes« vor dem Aalener Amtsge­richt. Deshalb erließ der Amtsrich­ter in der Zeitung die Auffor­de­rung »der Beklag­te möge binnen 30 Tagen seinen gegen­wär­ti­gen Aufent­halts­ort anzei­gen und der Vorla­dung Folge leisten«. Ob der vermeint­li­che Kinds­va­ter dies gelesen und reuevoll zurück­kehr­te, lässt sich aus der Zeitung nicht entnehmen.

Beschlie­ßen wir damit die »Presse­rund­schau« zu Ereig­nis­sen aus Oberko­chen in den Jahren 1840 bis 1844 mit dem Hinweis, auf das Zahnber­ger Gruben­un­glück vom Januar 1844 in der Fortset­zung einzugehen.

Volkmar Schrenk

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