Wir kennen natür­lich jede Menge berühm­te Trompe­ter, allein schon die beiden Trompe­ter von Säckin­gen. Über den älteren der beiden schrieb 1854 der 28 jähri­ge Joseph Viktor von Schef­fel seinen berühm­ten »Trompe­ter von Säckin­gen«, ein 370 Seiten dickes lyrisches Epos.
Und dann gibt es natür­lich den anderen, inzwi­schen fast genau­so berühm­ten Trompe­ter von Säckin­gen, der gebür­ti­ger Unter­ko­che­ner und seit nahezu 7 Jahren haupt­be­ruf­lich Bürger­meis­ter von Oberko­chen ist.

Oberkochen

Hier aber geht es weder um den einen noch um den anderen. Es geht hier um den Trompe­ter vom Kocher­tal. Zum Beweis, dass es den gegeben hat, drucken wir den Origi­nal­text, der am 5. Juli 1952 in der Aalener Volks­zei­tung erschien, in Klein­druck in diesem Bericht ab, vor allem wegen des Titels.

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Das Foto vom Trompe­ter vom Kocher­tal, das seiner­zeit von Foto Kristen gemacht wurde, existiert leider nicht mehr. Herr Stelzen­mül­ler war so freund­lich, es vom Origi­nal-Zeitungs-Ausschnitt heraus abzufo­to­gra­fie­ren und etwas aufzu­bü­geln, damit es überhaupt veröf­fent­licht werden kann.

Der demnächst ein halbes Jahrhun­dert alte Text stammt vermut­lich aus der Feder des damali­gen 1. Vorstands des Musik­ver­eins, Erich Günther. Von ihm stammt zumin­dest das Grußwort zum Tag der Musik in Oberko­chen, dem die Aalener Volks­zei­tung am 5. Juli 1952 anläss­lich des 25-jähri­gen Vereins­ju­bi­lä­ums des Musik­ver­eins Oberko­chen und des gleich­zei­tig in Oberko­chen abgehal­te­nen 8. Bezirks­mu­sik­fests eine Sonder­dop­pel­sei­te widme­te. Aus diesem Sonder Bericht stammt auch die Geschich­te vom »Trompe­ter vom Kochertal«.

Der Enkel des Trompe­ters, Micha­el Eisele, der dem Heimat­ver­ein draußen in der Bilz mit dem Sturm­holz ums Bilzhaus gehol­fen hatte, kam eines Tages mit dem fast 50 Jahre alten und total vergilb­ten Zeitungs­aus­schnitt mit dem Bildbe­richt über seinen Großva­ter zu mir. Siehe den (oben) auf der nächs­ten Seite abgedruck­ten Zeitungs­aus­schnitt vom 5. 7. 1952:

Diesem liebe­voll geschrie­be­nen Text ist eigent­lich nicht viel hinzu­zu­fü­gen. Paula Eisele, die Tochter des »Trompe­ters vom Kocher­tal«, wusste dennoch ein paar inter­es­san­te ergän­zen­de Details zu nennen:

Josef Tritt­ler war Gründungs­mit­glied und zuletzt Ehren­mit­glied beim Musik­ver­ein, wo man gleich von Anfang an auch das Instru­men­te-Spielen lernen konnte. Geübt wurde im »Hirsch«. Bis 1957, also ca. 30 Jahre lang, war ihr Vater aktiv beim Musik­ver­ein Oberko­chen. Musik bedeu­te­te ihm alles. In Oberko­chen nannte man ihn, um ihn von den vielen anderen Oberko­che­ner Tritt­lers zu unter­schei­den, einfach »dr Musiker« und jeder wusste, wer gemeint war.

Eine weite­re bemer­kens­wer­te Ergän­zung zur Geschich­te des »Trompe­ters vom Kocher­tal« wusste mir unlängst Helmut Gold (Marx) anzufü­gen. Ein Urahne Markus Gold war Namens­ge­ber für diesen Oberko­che­ner Hausna­men, denn den vielen Golds erging es nicht anders als den vielen Tritt­lers. Sie bekamen Hausna­men, damit man sie vonein­an­der unter­schei­den konnte.

So lautet diese Geschich­te von Helmut Gold/Marx:
Eine Zeitlang, noch vor und während des Zweiten Weltkriegs, hatte, so ist es überlie­fert, Karl Gold, der sogenann­te »Marxa-Karl«, Sohn des Marxa-Gärtners Johan­nes Gold, auf seiner Trompe­te vom Rodstein übers ganze Kocher­tal hinweg das Echo auf das Spiel des Trompe­ters Josef Tritt­ler zurück­ge­spielt, und auch andere Melodien auf die Musik, die vom Waldrand des Volkmars­bergs oder aus dem »Kessel« übers Tal zum Rodstein herüber­kam, zurück­ge­bla­sen. Der Marxa-Karl war ebenfalls Gründungs­mit­glied des 1927 im »Hirsch« gegrün­de­ten Musik­ver­eins. Die beiden Trompe­ter waren eng befreun­det und sprachen das Programm ihrer Übers-Tal-Musik immer vorher mitein­an­der ab.

Ein trauri­ges Verhäng­nis ereil­te den Vollblut­mu­si­ker und Trompe­ter Josef Tritt­ler vom Kocher­tal: Mitte der Fünfzi­ger­jah­re flatter­te ihm eines Tages ein Straf­zet­tel ins Haus. Ein paar »Neuzu­ge­zo­ge­ne, die heute nicht mehr leben«, wie es in der Verwandt­schaft des Trompe­ters formu­liert wurde, hatten sich durch das Sonntag­mor­gend­li­che Trompe­ten­spiel (ca. 1/2 7 Uhr) überm Tal beläs­tigt gefühlt und Josef Tritt­ler wegen Nacht­ru­he­stö­rung angezeigt.

Über die Anzei­ge zutiefst — heute würde man sagen »gefrus­tet«, — hörte »dr Musiker« Tritt­ler auf mit seinem Spiel, das so viele erfreut hatte. Der damali­ge Schul­tes von Oberko­chen, Bürger­meis­ter Gustav Bosch, hatte sich im Zusam­men­hang mit der Anzei­ge persön­lich beim Trompe­ter vom Kocher­tal gemel­det und ihm gesagt, dass es ihm arg leid täte um die Musik, aber wenn eine Anzei­ge vorlie­ge, dann könne man, auch er, halt nix machen.

Seit dem war übrigens auch die Mittag­essens­zeit im Dreißen­tal nicht mehr geregelt, denn es hatte sich einge­bür­gert, dass Josef Tritt­ler zusätz­lich zu seinem morgend­li­chen Spiel Punkt 12 Uhr am Sonntag­mit­tag vom Schlaf­zim­mer­fens­ter heraus ins Dorf trompe­te­te, was zumin­dest im Dreißen­tal den Start zum Mittag­essen bedeu­te­te. Wenn der Trompe­ter fertig war mit Blasen, dann hatte es gehei­ßen: »So, jetzt könnat mr essa«.

Ja, — das waren schwe­re Zeiten in Oberko­chen.
Inzwi­schen sind wir aller­dings schon so weit, dass selbst das Gebim­mel der bayeri­schen Kühe auf den Weiden des Allgäus wegen der Fremden, wenn überhaupt, nur noch »von — bis« dauern sollte, — und es ist abseh­bar, dass es bald verbo­ten ist, im eigenen Hause laut zu furzen…

Ja, — das war eine Welt im Wandel, dieses Oberko­chen vor 50 Jahren — sozusa­gen das Ende der »guten alten« Zeit, die es nie gegeben hat, und der Anfang einer neuen Zeit, die uns gebas­telt wurde, und die wir uns selbst gebas­telt haben.

Und nochmal war es eine völlig andere Welt vor 150 Jahren, als Victor von Schef­fel sein großes Lied vom »Trompe­ter von Säckin­gen« schrieb.

Zum Abschluss seien ein paar Zeilen daraus zitiert, die wie für unsere Oberko­che­ner Trompe­ter, die 100 Jahre später bliesen, geschrie­ben scheinen:

… Und begann auf der Trompe­te
Ein vergnüg­lich Stück zu blasen.
Grüßend klang es nach dem Rheine,
Grüßend klang es nach den Alpen,
Heiter bald, und bald beweg­lich
Ernst als wie ein frommes Beten,
Bald auch wieder scher­zend schalk­haft.
Und trari — trara — so hallte
Beifall­spen­dend ihm das Echo
Aus dem Waldes­grund herüber..

Dietrich Bantel

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