Viele heimat­kund­lich inter­es­sier­te Oberko­che­ner sind dankbar, dass diese bislang von nieman­dem verbind­lich beant­wor­te­te Frage einmal mehr gestellt wurde. Es ist an der Zeit, diese uralte Frage endlich schlüs­sig zu beantworten:

Es gab vor 170 Jahren noch keinen »Duden« (Ersterschei­nen 1880), mit der Idee, verbind­li­che Schreib­wei­sen vorzu­ge­ben oder festzu­le­gen. Man denke nur an die 7 oder 8 verschie­de­nen histo­ri­schen Schreib­wei­sen des heute nur noch in einer Form geschrie­be­nen Namens »Bilz«.

Für eine sinnvol­le Festle­gung einer Schreib­wei­se »Rod-« oder »Rot-« ist es wirklich Zeit, auch wenn die »Duden­idee« derzeit durch weniger kompe­ten­te Nachfol­ger bereits verwäs­sert wird.
Eine einleuch­ten­de Antwort und durch­aus für die Zukunft verbind­li­che Antwort auf die Frage »Rotstein« oder »Rodstein« konnte gefun­den werden.

• Zunächst wurde die Gelegen­heit genutzt, eine Reihe von Alt-Oberko­che­nern zu befra­gen. Unter ihnen war kein einzi­ger, der die Schreib­wei­se »Rotstein« mit »t« begrün­den konnte. Alle bis auf einen der Befrag­ten waren sich einig darin, dass man Rodstein mit »d« schreibt, weil das Wort, wie alle bestä­tig­ten oder zumin­dest vermu­te­ten, von »roden« = »urbar machen« kommt.

Dabei liegt nahe, dass anläss­lich der Erstauf­nah­me des Namens »Rot« (»das Rot« = Flurna­me) in die Urkar­te vor 170 Jahren durch­aus Einhei­mi­sche befragt wurden, wie man das »Rot« schreibt. Hypothe­se: Die Auskunft laute­te: »Ha, des isch s’Road«. Der fremde Geome­ter glaub­te, ohne das weiter zu überprü­fen, dass der Name mit der Farbe »rot« zu tun hat, ersetz­te deshalb das gespro­che­ne »d« durch ein schrift­deutsch geschrie­be­nes »t« und legte »Rot« statt »Rod« fest. Wohlwol­lend wird einge­räumt, dass er »Rot« auch mit »reuten« in Zusam­men­hang gebracht haben könnte.
Und das war’s dann.

• Nur eine Person mutmaß­te, dass eine Schreib­wei­se »Rotstein« mit »t« vielleicht damit zusam­men­hän­gen könne, dass der Fels, wie die Berge in den Dolomi­ten, »rot« wird, wenn er von der Abend­son­ne angestrahlt wird. Diese nicht haltba­re Begrün­dung wird absicht­lich erwähnt, weil sie »so quasi« aus dem hohlen Bauch heraus kam, ohne beleg­bar zu sein. Es sollte »mit aller Gewalt« eine Verbin­dung zur Farbe »rot« herge­stellt werden.

• Anderer­seits steht aller­dings fest, dass tatsäch­lich in fast allen amtli­chen Karten bis auf den heuti­gen Tag die Schreib­wei­se »Rotstein« mit »t« angewen­det wird.

• Typisches Beispiel: Topogra­phi­sche Karte 1:25000 von 1985.

• Auch der Zeich­ner der Oberko­che­ner Urkar­te (Carl Vollmer, Erstver­mes­sung) von 1830 schreibt »Roth« wie gesagt mit »t«. »Roth« steht für »Das Rot«, meist als »s’Road« mit »d« ausge­spro­chen. Es ist nicht auszu­schlie­ßen, dass das »h« im »Roth« in der Urkar­te nicht das »h« der alten Schreib­wei­se von »Rot« = »Roth«, sondern die Abkür­zung für »Halde« ist, da hinter dem »h« eindeu­tig ein Punkt steht, Entschei­dend ist jedoch, dass in der Urkar­te »t« und nicht »d« geschrie­ben wird.

• Da die Urkar­te die erste offizi­el­le Karte von der Oberko­che­ner Gemar­kung ist, darf davon ausge­gan­gen werden, dass hierin der Grund liegt, dass die Schreib­wei­se von »Rot« mit »t« in alle folgen­den Karten übernom­men wurde, ohne, dass je — egal, wie das »t« zustan­de kam — jemand über die Hinter­grün­de der Schreib­wei­se nachge­dacht bezie­hungs­wei­se Konse­quen­zen aus dem Ergeb­nis des Nachden­kens gezogen hat, indem er die Ungenau­ig­keit dem Landes­ver­mes­sungs­amt mitteilte.

Wenn nämlich beim Landes­ver­mes­sungs­amt in Stutt­gart keine Anträ­ge oder Anregun­gen für Änderun­gen einge­hen, wird eine einmal festge­leg­te Schreib­wei­se natür­lich in die aktuells­ten Karten und weiter bis in alle Ewigkeit, übertra­gen. Das heißt, dass der »offizi­el­le« »Rotstein mit »t« nie ausster­ben würde, wenn die Bevöl­ke­rung sich nicht wehrt.
Leider sind über 1830 hinaus keine älteren Belege zu »Rodstein oder Rotstein« in geschrie­be­ner oder gedruck­ter Form bekannt.

• Im neues­ten offizi­el­len Stadt­plan der Stadt Oberko­chen ist »Rodstein« übrigens mit »d« geschrie­ben. Um mehr Klarheit in die Frage »Rodstein« oder »Rotstein« zu bekom­men, wurde weite­re vorlie­gen­de Litera­tur durchgearbeitet.

• Franz Balle verwen­det in seinen »Heimat­kund­li­chen Blättern« von 1953 die amtli­che Schreib­wei­se »Rotstein« mit »t«.

• Die Alt-Lehrer Mager und Günter verwen­den in den Dreißi­ger­jah­ren die Schreib­wei­se »Rodstein« mit »d«. (Geschich­te vom Besen­bin­der unterm »Rodstein«). Das ist mit Sicher­heit kein Zufall, denn es ist davon auszu­ge­hen, dass die beiden heimat­kund­lich engagier­ten Lehrer sich sehr wohl Gedan­ken gemacht haben, weshalb sie von der bis dahin offizi­el­len Schreib­wei­se »Rotstein« mit »t« abgegan­gen sind.

• Lehrer Günter hat 1931 außer­dem eine detail­lier­te Flurkar­te gefer­tigt (Abbil­dung), in der der Name gleich 3 mal mit »d« geschrie­ben ist. (Rodhal­de, Rod, Rod)

Oberkochen

• Dr. Christ­hard Schrenk, ein Histo­ri­ker ersten Ranges, verwen­det in seinem heimat­kund­li­chen Büchlein sicher­lich auch nicht zufäl­lig die Schreib­wei­se mit »d«. (»Rodhal­de«, »Rodstein­hang«).

• OFD Karl Schurr (verst. 1990) verwen­det im Heimat­buch von 1986 die Schreib­wei­se mit »d«: (»Rodgrüb­le«, »Rodhal­de«, »Rodstein«).

Außer­dem erklärt Karl Schurr im Heimat­buch:
»Der Name »Rot oder Rod« leitet sich wohl von »reuten« — »roden« ab. Mit rotem Boden oder dergl. hat er sicher nichts zu tun«.

Mit dieser Erklä­rung sind wir der Lösung des Rätsels zunächst ein gutes Stück näher gekom­men. Aller­dings: Mit dem Wörtchen »wohl« in der Erklä­rung von Herrn Schurr ist das berühm­te »Hinter­tür­chen« offen gelas­sen, dass die Erklä­rung vielleicht doch nicht schlüs­sig sein könnte.

• Einen weite­ren inter­es­san­ten Hinweis in Richtung »t« — »d« findet man im Großen Duden. Dort ist unter den üblichen Erklä­run­gen zum Begriff »roden« auch das Verb »rotten« = den Boden der Weinber­ge tief umgra­ben oder umpflü­gen (bis zu 60 cm) angeführt.

Über »rotten« ist ein weite­rer Bezug zu dem Begriff »reuten« (mit »t«) herge­stellt, wobei die Lautver­schie­bung von »eu« nach »o« statt­ge­fun­den hat. Ganz offen­sicht­lich hängt dieses Wort »rotten« auch mit »ausrot­ten« zusam­men. Hier ist der Zusam­men­hang mit »roden« leicht nachvoll­zieh­bar. (Beleg­bar durch Etymologie-Duden).

• Der Etymo­lo­gie-Duden geht auf diese Fragen noch ausführ­li­cher ein, ohne dass für unsere Frage neue Erkennt­nis­se auftauchen.

• Was steht im Flurna­men-Standard­werk Orts- und Flurna­men in Württem­berg von Walter Keinath?

Dieses Buch wurde vom Schwä­bi­schen Albver­ein heraus­ge­ge­ben, erstmals 1926, und im Verlag des Schwä­bi­schen Albver­eins 1951 neu aufge­legt. Dort heißt es unter den Stich­wör­tern »Rod« und »Rot«:

»Allge­mein üblich ist das Wort Reut, Ruit, (althoch­dt. riut, Schwä­bisch ruit, reit, fränkisch rait dazu das Gereu­te (althoch­dt. giriuti, Schwä­bisch gruit, greit): die Reute (Althoch­deutsch riuti, Schwä­bisch reite, (sächlich, vom Zeitwort abgelei­tet) für Land, das durch Ausgra­ben von Bäumen, Büschen und Wurzel­stö­cken urbar gemacht wurde. Die Flurna­men und Ortsna­men mit Reut bezie­hen sich auf Flurstel­len und Siedlun­gen, die tief in das Gebiet von Bunt- und Stuben­sand­stein eindrin­gen. Hierher: Reutä­cker, Ruitfeld­le, Unter der Reute, Buchen­ruit, Bückel­reu­te, Rütin (1350). Oft entstellt: Reite­rä­cker, Rittbühl, fränkisch Raite. Auch Kräut, so in Tannen­kräu­ter. Vielfach in Ortsna­men: Reut(t)bach, Reute, Reutin, Reudern, Ruit, Rüdern. Mit Vorsil­be »ge« oder verstüm­melt »g« oder »k«.: Mutter­got­tes­ge­reut, Greut­ter­wald, Kreutel­stein, Kreide­wald, Greit­an­ger, im Gritter (auch Krütter), Bülen­kräut; Fränkisch Felzgrait.

Rot, Rod erscheint im Fränki­schen (als roud) für Rodung: Atzen­rod, Nieder­rot, Rodäcker. Ortsna­men: Rot am See. Dagegen ist roden im Sinne von reuten nicht schwä­bisch. Wo schwä­bi­sche Namen anklin­gen, liegt oft eine Farbbe­zeich­nung vor: Auch scheint sich mit »rot« in vielen Fällen die Vorstel­lung des Geheim­nis­vol­len und Unheim­li­chen zu verbinden.«

So ist mit Goethe zu sagen: Hier steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor. Alles deutet bei Keinath für »Rodstein«, mit »d« (u. a.), das heißt zunächst auf einen Zusam­men­hang mit reuten und roden hin. Erst ganz zuletzt vermerkt Keinath, dass dieser Zusam­men­hang nur aufs Fränki­sche, nicht aber aufs Schwä­bi­sche anzuwen­den ist. Offen­sicht­lich hat auch Karl Schurr das Werk von Keinath konsul­tiert und kam durch diese letzte Bemer­kung ins Schleu­dern, was ihn dazu veran­lass­te, das Wörtchen »wohl« in seine Deutung einzubauen.

Ausschuss­mit­glied StD a. D. Horst Riegel hat sich der Mühe unter­zo­gen, die Ortskar­ten des Telefon­buchs darauf­hin durch­zu­fors­ten, wie oft im Bereich Ostalb Ortsna­men mit »Reute«, »Rot«, und »Rod« vorkommen.

Ergeb­nis:
Das Wort oder die Silbe »Rot« kommen 30 mal vor,
das Wort oder die Silbe »Rod« kommen 9 mal vor,
das Wort oder die Silbe »Reute« kommen 24 mal vor,
(Allein den Ortsna­men »Reute« gibt es im Ostalb­kreis 13 mal.)
Insge­samt waren auf diese Weise allein mit den 3 Grund­for­men von »roden« 63 »Rodungs-Namen« nachzuweisen.

Folgen­de Argumen­te sprechen trotz Keinath und trotz Landes­ver­mes­sungs­amt, für »Rodstein« mit »d« mit folgen­den Begründungen:

1) Um die Frage »rot« oder »rod« zu entschei­den, sollte man sehen — wenngleich der Einfluss der Herrschaft auf die Sprache des Volkes sicher nicht allzu groß war — dass unsere Region, geschicht­lich betrach­tet, hier im Osten von Württem­berg dem fränki­schen Einfluss­be­reich näher ist als dem schwä­bi­schen. Dies macht eine Verwen­dung des Wortes »rot« im Sinne von »reuten/rotten/roden«, trotz Keinath, durch­aus plausi­bel. Der Oberko­che­ner Alaman­nen­fried­hof ist ein »fränki­scher Fried­hof«, d. h., ein Gräber­feld, das unter merowin­gi­scher, also fränki­scher Herrschaft entstan­den ist.

2) Des weite­ren ist kein Zeugnis bekannt, das den »Rodstein« so sonnen­rot beschie­nen beschreibt, um auf den Gedan­ken zu kommen, im Namen »Rodstein« ein Zusam­men­hang zur Farbe »Rot« zu sehen. Wer je ein echtes »Alpen­glü­hen« erlebt hat, weiß, was gemeint ist.

3) Der dritte Grund, der zu Gunsten von »Rodstein« im Sinne von »reuten/roden« spricht, ist, dass sowohl vom Gestein, als auch vom Boden her keiner­lei Verbin­dung Richtung »rot« gegeben ist. Oberko­chen befin­det sich im weißen Jura.

Horst Riegel ergänzt zu Recht, dass der Begriff »Rot« im Keuper­land (z. B. Rot an der Rot) höchst­wahr­schein­lich von der Farbe des Bodens abgelei­tet ist.

4) Die Bezeich­nung »Rodhal­de« belegt vielmehr ohne Zweifel, dass im Mittel­al­ter, wie andere Hangla­gen in unseren Tälern, auch diese Halde vom Tal her bergauf­wärts (mögli­cher­wei­se, da weniger lang besonnt, später als andere Halden) bis in eine bestimm­te Höhe abgero­det wurde, um sie wirtschaft­lich nutzen zu können. An einigen Stellen unserer Täler (Tierstein, Wolfert­s­tal), sind bis auf den heuti­gen Tag Nutzungs-Terras­sie­run­gen zu erkennen.

5) Die Bezeich­nun­gen »Rod« und »Rodhal­de« sind sicher älter als die Bezeich­nung »Rodstein«, d. h. die Namen »Rod« und »Rodhal­de« wurden auf den sie beherr­schen­den Felsen über ihnen, den »Rodstein«, übertra­gen. Mögli­cher­wei­se war auch die Ebene hinter dem Rodstein in frühe­ren Zeiten, wie die Heide, gerodet. Das wäre unschwer zu überprüfen.

6) Für »Rod«, »Rodhal­de« und somit »Rodstein« spricht ferner, dass sich, nur wenige Kilome­ter in der Luftli­nie vom Rodstein entfernt, ob Essin­gen, ein Hofgut namens »Hohen­ro­den« (= »gerode­te Höhe«) befin­det, das sich meines Wissens schon immer mit »d« schreibt, und im Ostalb­kreis 62 weite­re Ortsna­men mit »Rot, Rod und Reute« im Sinne von »roden« beleg­bar sind.

Da die bislang als maßgeb­lich genom­me­nen offizi­el­len Karten letzt­lich nicht von Einhei­mi­schen sondern von Ortsun­kun­di­gen gemacht werden, muss der von den Einhei­mi­schen verwen­de­ten Schreib­form mit »d«, »Rodstein«, und der mit diesem Bericht erfolg­ten etymo­lo­gi­schen Deutung eindeu­tig den Vorzug gegeben werden. Vor allem auch vor dem Hinter­grund, dass die Schreib­wei­se mit »t« etymo­lo­gisch zwar im Sinne von »rotten« (reuten) durch­aus vertret­bar ist, die Schreib­wei­se »Rotstein« mit »t« aber unwei­ger­lich an die Fehlas­so­zia­ti­on »rote Farbe« gekop­pelt und damit ein unnöti­ger Irrweg ist.

Dietrich Bantel

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