Werkstatt in Oberkochen, 2. Weltkrieg und die »Spätzlesmaschine«
Mein Mann kündigte seine Stellung bei der Deutschen Houghton und arbeitete dann einige Zeit bei seinem Vater. Am 1. Mai 1939 machte er sich selbständig.
Vor Ostern kam er nach Berlin, nahm mich mit nach Leipzig, wo wir uns — ebenfalls sein Freund Wilhelm Braun und seine Heima — verlobten. Wir hatten beschlossen, dass auch ich meine Stellung bei der Houghton kündigen sollte, um nach Oberkochen zu kommen. Am 8. Juli traf ich dann in Aalen ein, verlebte noch zwei Wochen Ferien und fing als Sekretärin bei Kohlemaier in Aalen an zu arbeiten. Dort blieb ich bis Ende des Jahres. Ich hatte zwei Zimmer in der Bahnhofstraße, die ich mit neu gekauften Möbeln möbliert hatte. Mein Mann hatte zwar auch sein Geschäft in Aalen, wohnte aber in Oberkochen in der Sperberstraße, wo ihn seine Schwester Rosa betreute (mit Wäsche und so), doch sein Stammplatz und Aufenthaltsort war das Café Gold geradeüber. Sonntags war ich dort auch zu Gast.
Inzwischen kam der Krieg und mit ihm die »Verdunkelung« der Fenster, und da der Weg von der Bahnhofstraße zu Kohlemaier ziemlich weit war und ich von 7 bis 19 Uhr arbeiten musste, gefiel mir das nicht mehr. Es dauerte dann aber noch bis zum 18. November bis wir heirateten. Wir ließen uns nur standesamtlich trauen, weil mein Mann katholisch war, ich aber evangelisch bin. Das war aber zu keiner Zeit später bei uns ein Problem. Unsere Kinder sind evangelisch getauft, konfirmiert und haben auch evangelisch geheiratet.
Inzwischen fand mein Mann in Oberkochen eine Werkstatt. Da das BMW Motorrad mit Beiwagen von der Wehrmacht eingezogen wurde, musste mein Mann von Aalen nach Oberkochen mit dem Zug fahren. Da weniger Züge fuhren, musste er früh aufstehen und kam abends spät zurück. Er beschloss, dass wir zu seiner Schwester Maria Maier ins Dreißental ziehen sollten, bis wir eine Wohnung bekämen. Dort feierten wir unser erstes Weihnachtsfest. Nach einem Vierteljahr, nach dem Tod ihres Mannes, bot uns Frau Clara Brucklacher zwei Zimmer ihres Hauses mit kleiner Küche an, was wir annahmen. Eigner Herd — Goldes wert!
Hier, in der Jägergasse, gegenüber dem Forsthaus, wohnten wir vier Jahre, bis wir das Gebäude Feigengasse 7 ausbauen konnten. Oben die Wohnung, unten die Werkstatt.
Mein Mann hatte inzwischen mehrere Angestellte, darunter immer drei Lehrlinge, die er als Dreher ausbildete und das Geschäft ging gut. Er machte Lohnarbeit, reparierte für die umliegenden Forstämter die Wald-Baumsägen, schliff die Sägeblätter, machte Reparaturen an Landwirtschaftsmaschinen für die Bauern, und lieferte hauptsächlich Vorrichtungen für die Firmen Junkers, Heinkel, Henschel, Bosch, Krupp Gruson, AEG.
Da er oftmals in den Wald fahren musste (wir hatten inzwischen einen Opel) um die Baumsägen an Ort und Stelle wieder arbeitsbereit zu machen, bekam er eine kleine Benzinzuteilung, die auch noch dafür reichen musste (und das meistens nachts) Mütter und ihre Babies, die auf die Welt kommen wollten, nach Ellwangen ins Entbindungsheim zu fahren.
Ich selbst gehörte auch dazu. Am 30. 8. 1940 wurde unsere Gerda geboren, am 19. 1. 1942 unsere Marianne und am 28. 1. 1943 unser Sohn Wilhelm Hartmut. 1944, als der Fliegeralarm auch bei uns im vollen Gang war, kam ein kleiner Siegfried auf die Welt, der aber leider nicht bei uns bleiben konnte (er war zu früh geboren). Unsere Kinder wuchsen zufrieden und glücklich auf und waren, bis auf die üblichen Kinderkrankheiten einschl. Keuchhusten, gesund, und was sie nicht kannten entbehrten sei auch nicht.
Ich machte für unser Geschäft alle Büroarbeiten, außer der Bilanz, und war bis in die Nacht hinein vollauf beschäftigt, da dienstbare Geister zu der Zeit nicht verfügbar waren. Ein Pflichtjahrmädchen hätte ich erst ab vier Kindern für ein Jahr bekommen. Doch nach der Schule half mir das Schulmädchen Else Ludescher, die spätere Frau Pudel, die inzwischen verstorben ist, und die mir lebenslang in Freundschaft verbunden blieb.
Als dann eines Tages der Buchprüfer vom Finanzamt kam, fand er alles in Ordnung außer einem Betrag, den ich für meine Arbeit eingesetzt hatte. Er sagte, das wäre nicht zulässig, die Ehefrau müsste für den Betrag Einkommensteuer bezahlen. Ich fragte, wie es dann wäre, wenn jemand anderer diese Arbeit machen würde und da sagte er, das wären dann Geschäftsausgaben. Also trennte ich mich ganz gern von dieser Arbeit, die ich nur in Ruhe erledigen konnte, wenn die Kinder nachts schliefen und behielt die andere Arbeit bei, wie: Anrufe beantworten, Briefe und Rechnungen schreiben und auch Kunden empfangen. Da blieb mir noch genug zu tun, aber ich machte es gern, denn es war ja vorher mein Beruf.
In Oberkochen hatte ich mich inzwischen ganz gut eingelebt und wurde von den meisten wohlwollend akzeptiert. Ich lernte schwäbische Gerichte zu kochen, machte Teig für Schwarz- und Weißbrot, sowie für Hefekranz und Zwieback und lernte mit dem Wenigen, das man auf Lebensmittelkarten bekam, hauszuhalten. Ich denke noch heute mit Dankbarkeit zurück an die Menschen, die uns auch mal eine kleine nahrhafte Zuwendung zukommen ließen.
Noch während des Krieges konstruierte mein Mann zuerst eine einfache, dann eine vollautomatische Rundstabmaschine. Zunächst mit einfachen, dann auch mit verstellbaren Rundstabköpfen, die guten Absatz fanden. Die Rundstabköpfe wurden im eigenen Betrieb mit Hilfe von Herrn Sauerland, Gießer in der Firma Bäuerle, nach Feierabend und samstags gegossen. Die Maschinen wurden auch als Patent angemeldet.
Nach dem Krieg baute mein Mann u.a. Feilmaschinen, die ebenfalls gut ankamen. Auch hatte er sich eine besonders handliche Spätzlemaschine (warum Maschine????) ausgedacht, die ebenfalls in eigener Gießerei gegossen wurde. Wir hätten sie lastwagenweise verkaufen können, bekamen aber leider nicht so viel Material. Von da an bekam jedes junge Paar, das heiratete, von uns als Geschenk eine Spätzlemaschine. Sie wurde danach sogar mit auswechselbaren Einsätzen (vernickelt), in die Herzen, Sterne und Monde gestanzt waren, hergestellt. Sie fand reißenden Absatz, denn man konnte so mühelos Spritzgebäck herstellen.

Auch kleinere Sachen machte mein Mann, die während des Krieges schwer erhältlich waren, wie Feuerzeuge, Zigarettenspitzen und Pfeifenstiele. Er war immer dabei, etwas zu verbessern. Seine Vorliebe galt nach wie vor Motorrädern und so hatten wir auch bald wieder ein »aus alt mach neu« Motorrad mit Beiwagen.
Als der Krieg aus war und der Volkmarsbergturm einen Funksender erhielt, wurde mein Mann als Englisch sprechender Fachmann immer von den Amrikanern auf den Berg gerufen, ohne Bezahlung.
Zu erwähnen wäre auch, dass mein Mann eine Holzhackmaschine mit Benzinmotor konstruierte, die sehr gut funktionierte. Viele Einzelheiten über das, was mein Mann noch machte, sind mir im Laufe der vielen Jahrzehnte entfallen.
Irma Spiegler