Unser heutiger Bericht Nr. 37 stammt aus der Feder von Josef Rosenberger. Er ergänzt die Zeilen im Heimatbuch (S. 150/51) in anschaulicher Weise.
Die fotografische Ansicht des Kaltwalzwerks von Fotograf Lang, Oberkochen, stammt aus der Zeit vor 1933 (ca. 1930/32), also kurz, nachdem die Firma vom Firmengründer Karl Walter an Röchling verkauft wurde (1928). Die Dampflokomotive, ein völlig unbebauter Tiersteinhang, ein völlig unbebautes Wolfertstal, — Geschichte.
Das 2. Foto ist ein Werksfoto aus der Zeit 1944/45. Es zeigt die Werkssportgruppe bei der wöchentlichen Aufstellung zur freigestellten Betriebssportstunde. Eine Reihe von Personen sind gut erkennbar.


Dietrich Bantel
Aus der Werksgeschichte des Kaltwalzwerkes Oberkochen
Als Herr Wilhelm Sauerbrey (Leitg. des Werkes gemeinsam mit Herrn Heinz Noll 1933 bis 1948 bzw. 1950) 1933 das erstemal nach Oberkochen kam, hielt er seinen Eindruck wie folgt fest:
»Unter dem Rodstein lag das weißgetünchte Werk mit dem einzigen Kamin von Oberkochen, aus dem dicke Rauchwolken quollen. Im geöffneten Fabriktor stand ein mit 2 Kühen bespanntes Wägelchen des alten Bauern Arnold, der manchmal Mist auf seine Felder brachte und manchmal Stückgut vom Kaltwalzwerk zum Bahnhof fuhr. Die eine Kuh hob langsam und bedächtig ihren Schwanz und ein Bächlein plätscherte in die Werkshalle.«
Durch einen Brückenschlag zur heutigen Zeit (Zahlen im Klammern) soll der Bericht gestrafft und die enorme technische Veränderung von 1907 bis heute dokumentiert werden.
Im Jahre 1903 kaufte der im Jahre 1875 geborene Carl Walter aus Aalen Grundstücke in der Schwörz auf, baute das Wohnhaus, Aalenerstr. 52 (Villa) und ein Ökonomiegebäude. Noch heute erzählen die alten Mitbürger, daß Herr Walter mit der Pferdedroschke zum Stammtisch nach Aalen fuhr.
Herr Walter war Industriekaufmann in einer Zieherei und er gründete im Jahre 1907 das Kaltwalzwerk Oberkochen.
Mit 4 Mitarbeitern (140) wurde im gleichen Jahr die Produktion aufgenommen. Die Firmenbezeichnung lautete:
Carl J. Walter Metallzieherei und
Kaltwalzwerk
Bei der Werksplanung war sicher die Wasserkraft des Kochers und die Kundennähe entscheidend. Auch heute ist der kundennahe Standort noch von Vorteil, aus der Wasserkraft blieb nur das Wasserrecht übrig.
Gebeizt (oberflächengereinigt) wurde in Holzbottichen. Beschickt wurden diese Behälter mit Flaschenzügen, der Fußboden war schwefelsäuregetränkt. (Kontispiraldurchlaufbeize, ein gesunder Kocher fließt heute durch das Werk).
Mit 2 Kaltwalzmaschinen und einer Zirkularschere wurden Bänder bis 80 mm Breite hergestellt. (400 mm) Die Ringgewichte betrugen 50 bis 100 kg (3000 kg) und diese wurden mit Brecheisen von der Hand bewegt. Den Entladetransport von dem Bahngleis zum Werk und innerhalb des Werkes auf Loren, nahm Bauer Arnold mit Pferd und Kuh vor. (Elektrohubstapler)
Der Glühofen nahm 500 kg Glühgut auf. (20000 kg) Der Weg zur modernen Glüherei führte über die Kohlenglühe und Kohlenstaubglühe zur gesteuerten Elektroblankglühanlage.
Besonders diese hitzeabstrahlende Arbeit mit Flaschenzügen läßt ermessen, welche körperliche Anstrengungen das Arbeitsleben früher erforderte.
Durch die Wirtschaftskrise wurde auch die Firma Walter betroffen. Der Hauptgläubiger, die Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke, Völklingen/Saar, erwartete durch die Steigerung der Produktion von monatlich 100 to auf 250 to (2000 to) ein erfolgreiches Arbeitendes Werkes und entschied sich am 21.7.1928, das Werk zu übernehmen.
In den Aufsichtsrat wurde Herr Kommerzienrat Dr.h.c. Hermann Röchling und Herr Dr.Frhr.v. Gemmingen-Hornberg gewählt. Geschäftsführer war (bis 1933) Herr Dir. Becker aus Euskirchen. Einige Oberkochener werden sich noch an den Besuch von Herrn Röchling mit dem Fiseler Storch erinnern.
Zur fachlichen Anleitung holte Herr Dir. Becker aus dem Kaltwalzwerk Euskirchen einige Herren, die viele Jahre in Oberkochen zuhause waren und sind. (Rech, Ruhroth, Koenn)
Zuerst ging man daran die Maschinen zu überholen und neue aufzustellen. Auch die sanitären Einrichtungen mußten verbessert werden. Es gab keinen Waschraum. In der Glühe wurde mittels eines heißen Eisenstabes das Wasser im Eimer aufgewärmt. Durch mech. Hebegeräte wurde die Arbeit auch für die Mitarbeiter leichter.
Die Mitarbeiterzahl blieb mit 50 bei 300–400 moto (Monatstonnen) bis 1935 konstant. Ab dem Jahre 1936 begann mit der Eisenkontingentierung die Rüstungskonjunktur. Für diesen Bereich lieferte das Werk bis Kriegsende Material zur Herstellung von Zündhütchen, Patronenhülsen, Oelfiltern für die Flugzeug- und Panzerherstellung und Felgenbänder.
Im Jahre 1940 wurden dem Werk 12 franz. Kriegsgefangene zugewiesen. Im Nov. 1942 kamen 40 Ukrainer hinzu, die den Ausfall der Deutschen Arbeitskräfte ersetzten. Für die zuerst in der TVO-Halle schlecht untergebrachten Gefangenen wurde auf dem Werksgelände eine RAD-Baracke mit Küche und sanitären Einrichtungen aufgestellt. Die Differenz zwischen dem Normallohn und dem geringen Ostarbeiterlohn mußte als Ostarbeiterabgabe an das Finanzamt abgeführt werden. Zu er wähnen wäre hier noch, daß die meisten deutsch sprachen, da dies in ihrer Heimat die 2. Fremdsprache war.
Mit 100 Mitarbeitern bei einer Leistung von 600 to je Monat wurde im Jahre 1943 der Höchststand erreicht. Nun ging es abwärts dem Kriegsende entgegen. Mangelerscheinungen in allen Bereichen kündigten das Ende an. Hier nützte auch die wöchentlich eingelegte bezahlte Werkssportpflichtstunde (s. Foto) nichts mehr. Am 24. April 1945 wurde das Kaltwalzwerk durch die Amerikaner besetzt.
Ab dem Monat Juli 1945 begann mit den Aufräumungsarbeiten die Nachkriegszeit für das Werk.
In die Zeit der Werksleitung unter den Herren v.d. Heide und Storck 1950 bzw. 1953 bis 1964 bzw. 1966 begann der Markt sich Ende der 50er Jahre zum Käufermarkt zu verändern. In diese Zeit fallen auch die ersten Investitionen zur heutigen Technologie. Nun war der Weg frei zu einer marktwirtschaftlich angepaßten Entwicklung. Dies hieß für das Kaltwalzwerk Oberkochen, weg vom Massenprodukt, hin zum Material mit besonderen Anforderungen und der kostengünstigeren Herstellung von Kleinmengen.
Seit 1964 bzw. 1966 leiten die Herren Schmidt und Rosenberger das Werk. Die 1000 Monatstonnengrenze wurde erstmals im Juni 1964 erreicht und die 2000 Tonnengrenze im Monat Juli 1973.
Die Mainlinie ist weiterhin aus frachtlichen Gründen die Grenze nach dem Norden. Heute werden aber über diesen Bereich hinaus Exportgeschäfte in alle Welt mit Spezialprodukten getätigt.
Zum Schluß: Es fiel dem Autor leichter, die Vergangenheit mit der schweren körperlichen Arbeit zu würdigen als die Maschinenleistungen unserer heutigen Zeit. Diese auch heute erbrachten menschlichen Leistungen kann nur eine Nachfolgegeneration beurteilen.
J. Rosenberger