Im März letzten Jahres erhielt ich einen Anruf von Heide Troms­dorf, demzu­fol­ge eine nahe Verwand­te wisse, dass vor ungefähr 100 Jahren auf Oberko­che­ner Gemar­kung der letzte Wolf erlegt worden sei. Das klang inter­es­sant, und ich ging auf »Tauch­sta­ti­on«. In den betref­fen­den Unter­la­gen fand sich zum Stich­wort »Wolf« aller­dings nur ein Artikel von Wilhelm Schnei­der, der in BuG vom 7. 11 1980 veröf­fent­licht wurde, und der auch die Wolfjagd auf unserer Gemar­kung streift. In diesem Bericht wird ein »letzter Wolf« nicht erwähnt. Auch unser Oberko­che­ner Forst­mann German Schnei­der wusste zwar von einem »letzten Wolf«, über dem Fallgit­ter im Torbo­gen der Harburg, aber von keinem solchen aus Oberko­chen; und auch Altbür­ger­meis­ter Karl Bart aus Königs­bronn, der das dorti­ge Jagdmu­se­um einge­rich­tet hat, wusste nichts von einem Oberko­che­ner letzten Wolf. Das machte mich stutzig und ich setzte mich noch einmal mit Frau Troms­dorf in Verbin­dung. Diese brach­te darin über ihre Quelle heraus, dass sich dieser »letzte Wolf« angeb­lich in ausge­stopf­ter Form im Rosen­stein­mu­se­um Stutt­gart befin­det und nach Erinne­rung der Bekann­ten eindeu­tig mit Oberko­chen zusammenhängt.

Nun dämmer­te mir ganz weit weg, dass wir vor fast 30 Jahren mit dem Gemein­de­rat oder anläss­lich eines Kolle­gi­ums­aus­flu­ges das Rosen­stein­mu­se­um besucht und dort tatsäch­lich irgend ein ausge­stopf­tes Raubtier mit dem Vermerk »Oberko­chen« entdeckt hatten. Also setzte ich mich mit Herrn OstD. i.R. Volkmar Schrenk in Verbin­dung, der die Alt-Aalener Kocher-Zeitung auf Aalener und Oberko­che­ner heimat­kund­li­che Nachrich­ten durch­fors­tet hat. Herr Schrenk vollbrach­te inner­halb kurzer Zeit eine archi­va­ri­sche Glanz­leis­tung, indem er mir einen Artikel aus der Kocher­zei­tung vom 24.11.1881 besorg­te, dem folgen­des zu entneh­men ist:

Oberkochen

Oberko­chen, 24. Nov. (Corr.) Vorges­tern wurde in der Jagd des 11. Revier­förs­ters Fröhner hier eine Wildkat­ze von selte­ner Größe und Schön­heit von Waldschütz Ebert erlegt. Sie misst von der Nase bis zum Schwanz­ende 96 cm, der Umfang des Kopfes beträgt fast 27 cm, der des Leibs über den dichten Pelz gemes­sen 55 cm. Die Farbe ist dunkel­grau mit bräun­lich gemischt und theil­wei­se gestreift. Der »Kuder« sieht wahrhaf­tig einem kleinen Tiger ähnlich. Das Thier wird der Natura­li­en­samm­lung in Stutt­gart einver­leibt, welche noch kein so ansehn­li­ches Exemplar dieser selte­nen Art besit­zen soll.

Im Museums­ar­chiv wird der Kuder (männli­che Wildkat­ze) als »15 Pfund schwe­res Männchen« beschrie­ben.
Nun war mir klar: Der letzte Oberko­che­ner Wolf war eine Wildkat­ze. Die Meldung vom letzten Oberko­che­ner Wolf beruh­te auf einer kleinen Verwechs­lung. Herr Schrenk hat »unsere« Wildkat­ze im Zusam­men­hang mit den beiden Berich­ten »Oberförs­ter Karl Fröhner — Oberko­chens erster Ehren­bür­ger (1893)« (BuG-Berich­te 169 v. 31.7.1992 und 170 vom 14.8.1992) sogar erwähnt und wusste, dass sie derzeit wohl nicht ausge­stellt sei — man könne sie mögli­cher­wei­se fürs Heimat­mu­se­um bekommen.

Auf meinen entspre­chen­den Brief ans Rosen­stein­mu­se­um erhielt ich darin von Frau Dr. Mörike ein Schrei­ben, in welchem u.a. steht:

… Entge­gen Ihrer Annah­me ist die Wildkat­ze von Oberko­chen — Präpa­rat vom 22.11.1881 — aus dem Hagen­tal bei Oberko­chen — in der ständi­gen Ausstel­lung der Säuge­tier­sys­te­ma­tik ausge­stellt. Außer­dem könnten wir dieses Präpa­rat als Staats­ei­gen­tum nicht abgeben und zudem ist dieses Exponat sehr wertvoll als »letztes seiner Art« und konnte außer­dem auch vielleicht noch als Daten­bank benutzt werden. Aus diesen Gründen kann dieses Präpa­rat nicht einmal für eine Sonder­au­stel­lung kurzfris­tig ausge­lie­hen werden.

Gemäß meiner Umfra­ge bei verschie­de­nen Museums­an­ge­stell­ten wie Fotogra­fin und Präpa­ra­to­ren liegt kein Bild dieses Kuders vor. Sie könnten dieses Exponat daher vielleicht selbst so ablich­ten, wie Sie es gerne hätten. Das Bild darf dann jedoch nicht zu gewerb­li­chen Zwecken genutzt werden.

Oberkochen

Es war klar, dass wir nach Stutt­gart mussten, um das Oberko­che­ner Luxus­stück »wieder­zu­ent­de­cken«. Näheres über es heraus­zu­fin­den und es zum zweiten Mal »geschos­sen« — diesmal fotogra­fisch — mit nach Hause zu bringen.

Unsere Wildkat­ze befin­det sich unweit des »echten« letzten in Württem­berg erleg­ten Wolfs, (erlegt am 10.3.1847 bei Kleebronn, nachdem er im Lauf der Zeit über 50 Schafe geris­sen hatte). Die »Katz vom Hagen­tal« (wer weiß schon, was ein Kuder ist ?) ist wirklich ein beein­dru­ckend großes Tier — das Foto zeigt das nicht. Sie schaut auf einem Ast lauernd, ein wenig von oben herab auf den Betrach­ter, — so, wie ihn ein hervor­ra­gen­der Präpa­ra­tor vor nahezu 120 Jahren herge­rich­tet hat.

Der Infor­ma­ti­ons­text des Museums lautet: Wildkat­ze (Felis silvestris)

Mit verschie­de­nen Unter­ar­ten ist die Wildkat­ze über Südasi­en, Europa und Afrika verbrei­tet. Eine dieser Unter­ar­ten, die Falbkat­ze, (Felis silvestris libyca) aus Nordost­afri­ka, gilt als Stamm­form der Hauskat­ze. Die hier ausge­stell­te Wildkat­ze wurde 1881 bei Oberko­chen erlegt und war damit eine der letzten Württem­bergs. Erst in jüngs­ter Zeit gibt es Hinwei­se auf eine Wieder­be­sie­de­lung unseres Landes.

Alle 36 Katzen­ar­ten (Felidae) mit Ausnah­me des Gepards bewegen sich sehr leise auf samtwei­chen Pfoten. Nur zum Schla­gen der Beute und zum Klettern werden die einzieh­ba­ren Krallen ausgestreckt.

Die 1881 im Hagen­tal erleg­te Wildkat­ze
Das Fotogra­fie­ren war aus verschie­de­nen Gründen nicht einfach. Zum einen befin­det sich unsere »Katz« in einer herme­tisch staub­frei mit Silikon versie­gel­ten Vitri­ne, man kann also nicht »an sie ran«, und zum anderen entste­hen auf dem Glas stören­de Refle­xe durch den Blitz.

Ein sehr hilfs­be­rei­ter Mitar­bei­ter des Rosen­stein­mu­se­ums, Günter Stephan, der sich hervor­ra­gend aufs Fotogra­fie­ren versteht, stell­te uns auf Wunsch zur Sicher­heit mit einer Spezi­al­ka­me­ra eine Reihe von hervor­ra­gen­den Fotos her, für die wir an dieser Stelle herzli­chen Dank sagen.

Oberkochen
Oberkochen

Soviel zu unserer Oberko­che­ner »Katz«

Der Zufall wollte es, dass wir im März d.J. eine Schrift des Bunds für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land e.V. ins Haus bekamen, in welchem es um die Wildkat­ze in Deutsch­land geht und in dem vor allem der Satz »Erst in jüngs­ter Zeit gibt es Hinwei­se auf eine Wieder­be­sie­de­lung unseres Landes« präzi­siert wird. (Zitat auszugsweise)

Nur wenige Exempla­re (der Wildkat­ze) haben im Schutz vor unzugäng­li­chen Regio­nen einiger Mittel­ge­bir­ge, etwa im Harz, der Eifel, dem Kyffhäu­ser oder dem Pfälzer Wald überlebt. Außer­dem im mitun­ter fast urwald­ähn­li­chen Hainich in Thürin­gen. — Das Waldge­biet des Hainich in Thürin­gen gehört mit seiner weitge­hend unzer­schnit­te­nen Landschaft zu den letzten Überle­bens­in­seln der Wildkat­ze, und anderer Wildtie­re in unserer Heimat. Die Mitglie­der des »Bunds« planen eine »Überle­bens­brü­cke« u.a. für die Wildkat­ze. Sie soll vom Hainich über 20 km zersie­del­tes Land in den Thürin­ger Wald führen. Tierfreun­de werden um Unter­stüt­zung des Projekts gebeten.

Für 2001 plant der Heimat­ver­ein eine »Kleine Fahrt« (mit Bahn) ins Rosen­stein­mu­se­um, um unserer Oberko­che­ner »Katz« die Reverenz zu erwei­sen. Natür­lich gehts anschlie­ßend in die Wilhelma.

Dass eine der letzten Wildkat­zen Württem­bergs ausge­rech­net nahe der sagen­um­wo­be­nen »Bilz« im Hagen­tal, (das Tal, das zu den Essin­ger Nachbarn, die den Spitz­na­men »die Haoken« tragen) erlegt wurde, passt natür­lich beson­ders gut in unsere lokale Geschich­te, wenn auch der »Bilzhan­nes« im Jahre 1881 schon 41 Jahre tot war.

Inter­es­sant wäre, ob es heute noch Nachfah­ren des Waldschüt­zen Ebert gibt, der den »Katz« vor 119 Jahren erlegt hat. Gegebe­nen­falls bitten wir um Mitteilung.

Dietrich Bantel

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