Jetzt, nachdem Ostern vorbei ist, kann man´s ja erzählen:
Über die Osterzeit waren sie wieder besonders aktiv am Werk mit Legen, Kochen und Färben, — die Osterhasen. An bestimmten Stellen der bewaldeten Nordhänge unserer Täler stiegen kräftige Dampfsäulen aus den Hasenküchen auf und manche dieser Küchen dampfen bis heute nach.
Nur noch wenige betagte Oberkochener wissen, was es mit den Dampfsäulen auf sich hat, die unvermittelt aus den steilen Hängen steigen, und ganz vielleicht hat auch der eine oder andere Großvater seinen Enkeln erzählt, was da vor sich geht. Damit die Geschichte von den Hasenküchen nicht ganz in Vergessenheit gerät, soll sie für die heimatkundlich interessierten Leser des Amtsblattes aufgeschrieben werden.
Entgegen einer weitverbreiteten Meinung werden die echten Ostereier nämlich nicht von Mutter, Vater oder Anverwandten eingefärbt. Echte bunte Ostereier werden von verschiedenen Osterhaseneier-lege-koch-und-färb-Spezialisten nach alten Rezepten in den sogenannten Hasenküchen zunächst gelegt, dann hart gekocht und zuletzt in einem komplizierten Vorgang in lasierenden Schichten eingefärbt. Echte Osterhaseneier unterscheiden sich von nachgemachten und somit unechten Ostereiern darin, dass sie unter der Schale und in ihrem Inneren keine Eierfarbe annehmen. Schält man ein Osterei, dessen Eiweiß Eierfarbe abgekriegt hat, kann man sicher sein, dass man einem Ostereierfälscher aufgesessen ist, oder, dass die Eier tatsächlich von Eltern oder Tanten hergestellt wurden.
Echte Osterhasenostereier kommen verlässlich aus den Hasenküchen, und sind relativ selten geworden, denn auch in diesen Traditionsbetrieben werden seit Jahren bedauerlicherweise immer mehr Arbeitskräfte wegrationalisiert. Osterhasenostereier zeichnen sich durch besonders leuchtende Farben, ein schneeweißes Eiweiß im Inneren und ein goldgelbes Eigelb im Schwerpunkt des Eies aus. Und ein echtes Osterhasenosterei riecht nicht nach Farbe, sondern sowohl in ungeöffnetem als auch in geöffnetem Zustand nur nach Osterei. Ein Besitzer von unechten Ostereiern hat beispielsweise auch beim Spitzarschen null Chance auf den Sieg.

Die abgelichtete Hasenküche ist nur eine von vielen. Sie befindet sich seit Jahren immer an der gleichen Stelle und zwar am Eingang des eigentlichen Wolfertstals, das sich sehr steil vom Aussiedlerhof Fischer/Pflugwirt hinauf zur Märchenwiese am Volkmarsberg zieht. Aktive Hasenküchen werden von Laien fälschlicherweise gerne für bisher nicht entdeckte Thermalquellaustritte gehalten.
Ich habe schon viele Alt-Oberkochener befragt, ob es ihnen schon einmal gelungen ist, Osterhasen einer Hasenküche bei der Arbeit zu beobachten. Der einzige, der mir bestätigte, dass er je erfolgreich war — allerdings auch nur ein einziges Mal — war der sogenannte »PX«, der Kriminaler, (Josef Paul Fischer, 1891 — 1975). Er konnte sich mit seinem Kripo-Ausweis durch Vermittlung der Hasenpolizei eine einmalige Besuchserlaubnis zur Besichtigung einer Hasenküche besorgen. Das war, wie er mir anlässlich einer Altenweihnacht im Jahre 1971 erzählte, vor nahezu einem halben Jahrhundert, also in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Er hatte damals der Hasenpolizei allerdings versprechen müssen, dass er niemandem und nie ein Sterbenswörtchen von diesem außergewöhnlichen Besuch erzählen würde. Schon die Andeutung dessen, dass er eine Hasenküche in Betrieb gesehen habe, würde bewirken, dass die Chance, dass anderen Menschen diese Ehre je zuteil würde, auf ewig vertan sei.
Wir wissen nun, weshalb die Vorgänge in den Hasenküchen unwiderruflich unsichtbar geworden sind: Ein winziges Viertele zuviel hatte den verdienten Kriminalogen zu gesprächig gemacht.
Ich selbst habe dennoch mehrfach versucht, mich um die Osterzeit in eine Hasenküche einzuschleichen — stets mit negativem Erfolg: Es ist allemal dasselbe: Wenn ich in die Nähe der Hasenküche komme, ist sie wie vom Erdboden verschluckt.
Natürlich gibt es entsetzlich profane Erklärungen für das was Hasenküchen sind. So behauptet beispielsweise mein ehemaliger Schüler Dr. Hans Joachim Bayer, der ein anerkannter Geologe ist — er war maßgeblich an der Erschließung der Aalener Thermalquellen beteiligt, an der Nutzbarmachung des alten Bergwerks am Braunenberg (Besucherbergwerk) und an der Einrichtung des Geologischen Pfads, der von Oberkochen nach Königsbronn führt — steif und fest, dass Hasenküchen bei bestimmten Temperaturgegensätzen zwischen wärmeren Feuchtstellen im Gelände und kälterer Lufttemperatur entstehen. Wenn die Kaltluft auf den vom Erdinneren her durch meist nicht unmittelbar sichtbar austretendes Wasser erwärmten Feuchtboden trifft, entsteht Dampf, der in Säulenform über der Feuchtstelle aufsteigt.
Wir aber sollten diesem wissenschaftlichen Erklärungsversuch nicht über den Weg trauen, sondern uns eher auf das verlassen, was uns die »Alten« erzählen, und vor allem auf die Erkenntnis eines erfahrenen Kriminalbeamten.
Weitere Alt-Oberkochener, die den wahren Hintergrund der Hasenküchen kennen und auf Anfrage bestätigen, sind Martin Gold/Bär und Done Gutheiß.
Unser nächster Bericht (No. 367, BuG vom 19.05.2000) hat den Titel »Bohrermacher« und wurde von Karl Wannenwetsch II für den Heimatverein geschrieben.
Dietrich Bantel