Wir setzen den Bericht zum vor 1250 Jahren unter­schrie­be­nen sog. »AALENER PROTOKOLL« fort mit Auszü­gen aus der Rede von OStD. a. D. Volkmar Schrenk, die im folgen­den einzel­ne Bestim­mun­gen des Vertrags ansprechen.

Sodann werden die Gebüh­ren für die Tätig­keit der Pfarrer bei Hochzei­ten, Taufen, Beerdi­gun­gen festge­setzt. Bemer­kens­wert dabei ist, wie die Ortspfar­rer beider Couleur ihre Pfrün­de zu sichern suchen, denn falls eine kirch­li­che Handlung von einem fremden Geist­li­chen vollzo­gen wird, erhält außer diesem auch der Ortsgeist­li­che die Gebühr, womit diese doppelt zu bezah­len ist.

Und auch hier wieder eine sozia­le Ader:
- Falls Gebüh­ren­schuld­ner »in notori­scher Armut leben«, sollen sich die Geist­li­chen bei den Gebüh­ren beschei­den. (Ziff. 1.9)

Zum Hagel­fei­er­tag
(dessen Ursprung unbekannt ist, der aber am 26. Juni began­gen wird), wird gesagt, da er »von den evange­li­schen Unter­ta­nen zu Oberko­chen mit dem katho­li­schen Anteil daselbst aus guter Nachbar­schaft mitge­fei­ert wird, soll dem evange­li­schen Pfarrer wegen der an diesem Tag zu halten­den Predigt ebenfalls gleich dem katho­li­schen Geist­li­chen ein Gulden aus der Gemein­de­kas­se ausbe­zahlt werden« (Ziff. 1.13).

Kirch­weih war ein großes Volks­fest, das mit Böller­schie­ßen begann und nach dem Gottes­dienst unter der Linde »mit Tanz und Pfeil­bu­den« fortge­setzt wurde. Jedoch schlu­gen die Oberko­che­ner dabei über die Strän­ge, denn »es wurde missfäl­lig wahrge­nom­men, dass dasige Unter­ta­nen oft ganze acht und mehr Tage gezecht und getanzt haben«. Deshalb wurden Kirch­weih­fest­lust­bar­kei­ten auf höchs­tens drei Tage reduziert, — und der ellwan­gi­sche Schult­heiß musste auf das ihm früher bei Festbe­ginn gespen­de­te Maß Wein verzichten.

(Neben­bei, dieser Schult­heiß war Jakob Gold, von dessen Grab die Platte an der katho­li­schen Kirche heute noch erhal­ten ist, derzu­fol­ge er »ein Herz für Witwen und Waisen hatte, und zu jeder­mann gut war« — obwohl er auf seinen Kirch­weih­wein verzich­ten musste.)

Die Jagdbe­zir­ke von Ellwan­gen und Württem­berg sollen ausge­hend von Wester­ho­fen über Reichen­bach, Westhau­sen, Oberal­fin­gen, Röthard bis zur Kocher­furt unter­halb des Birkhofs zunächst durch 14 Pfähle markiert werden, deren Positi­on im Proto­koll genau vermerkt ist. Die Pfähle sollen später »im Beisein beider­sei­ti­ger Forst­be­am­te auf gemein­schaft­li­che Kosten ersetzt werden durch Steine, die auf der linken Seite mit »WF« bezeich­net sind, auf der rechten Seite aber mit »EF«, nämlich Württem­ber­gi­scher Forst und Ellwan­gi­scher Forst« (Ziff. 6.1,6.2).

Kranken­be­su­che können sowohl katho­li­sche als auch evange­li­sche Geist­li­che bei Kranken ihrer Religi­on machen, gleich­gül­tig, ob sie sich im Haus katho­li­scher oder evange­li­scher Unter­ta­nen befin­den (Ziff. 1.3).

Dabei solle — und nun greifen wir wieder auf den Origi­nal­text zurück — keiner der beider­lei Religio­nen zugewand­ter Geist­li­cher im Chorrock und mit Stolen, sondern allein in seinem ordinä­ren Habit und auch mit keiner Prozes­si­on oder anderer bei jeder Religi­on herkömm­li­chen Zeremo­nie, nur in Beglei­tung seines Mesners, weder über die Gassen noch aus oder in die Häuser zu gehen befugt sein. Auch soll der katho­li­sche Geist­li­che das Aller­hei­ligs­te nicht öffent­lich, sondern verdeckt zu tragen schul­dig sein. Nicht weniger solle ein jeder Geist­li­cher, welcher desglei­chen heili­ge Handlung zu verrich­ten hat, solches jeder­zeit zuvor durch seinen Mesner dem anderen Geist­li­chen mittei­len lassen, dieser aber nicht befugt ist, solches Tun zu verweigern.

Zu Lager­buch und Hirten­amt wird verein­bart, dass sämtli­che den alten königs­bron­ni­schen Lager­bü­chern zufol­ge an Ellwan­gen überge­be­nen Wiesen, Gärten, Mähder und Länder sollen bei ihre bisher wohlher­ge­brach­ten Zehen­t­frei­heit bestän­dig gelas­sen werden.

»Vermö­ge des Lager­buchs von anno 1583 bleibt der Hirten­stab dem Kloster Königs­bronn nach wie vor. Ein von der Gemein­de angenom­me­ner Hirt solle dem jewei­li­gen Inhaber des Fetze­ri­schen Lehens­gu­tes zu Oberko­chen achtzehn Heller württem­ber­gi­scher Währung in einem leder­nen Beutel reichen und darauf­hin dem amtie­ren­den Kloster­ver­wal­ter zu Königs­bronn angelo­ben, dass er sein anbefoh­le­nes Hirten­amt gerne und fleißig verse­hen wolle.

Wegen des Mittags­läu­tens wurde »einan­der die verbind­li­che Zusage erteilt, dass das Mittags­läu­ten der Evange­li­schen zu Oberko­chen in Zukunft eine Viertel­stun­de vor 12 Uhr gesche­he, damit von den Evange­lics daselbst nicht mehr zu jener Zeit gleich­zei­tig geläu­tet werde, wo von den Catho­li­cis zum Mittags­ge­bet um 12 Uhr die Glocke gezogen wird« (Ziff. 1.12).

Die für den gemein­schaft­li­chen Nacht­wäch­ter zu Oberko­chen vormals wegen des Zusat­zes bei Ausru­fung der Stunden unter­nom­me­ne Neuerung solle ferner­hin abgestellt bleiben (Ziff. 1. 17).

Die Frage der Obrig­keit oder Gerichts­bar­keit spiel­te ja schon beim Kirch­bau­pro­zess eine wichti­ge Rolle. Nun wird genau unter­schie­den zwischen priva­ten und öffent­li­chen Belangen:

Im priva­ten Bereich steht die hohe landes­fürst­li­che und malefi­zi­sche Obrig­keit (d. h. die Blutge­richts­bar­keit) jeder Herrschaft wie von Alters her zu. D. h. »alles was in den Besitz­tü­mern der Unter­ta­nen vor sich geht, unter­liegt der jewei­li­gen staat­li­chen Obrigkeit.

Im öffent­li­chen Bereich Oberko­chens — im Proto­koll sind genannt: Gassen, Wege und Stege, gemein­sa­me Plätze, Allmen­den, Weiden, Wälder, Hölzer und allem anderen, was dem gemein­sa­men Flecken zugehört, zu Wasser und zu Lande — über all dieses steht dem hochfürst­li­chen Stift Ellwan­gen die hohe und niede­re Obrig­keit zu. Für Württem­berg gibt es aber zwei Trost­pflas­ter, denn einer­seits ist, wenn ein Bösewicht vom württem­ber­gi­schen Gebiet ins ellwan­gi­sche stiften geht, den Württem­ber­gern »Nachei­le« auch bewaff­net gestat­tet, und anderer­seits soll die Hälfte der von Ellwan­gen einge­zo­ge­nen Straf­ge­büh­ren an Württem­berg abgelie­fert werden.

Pfarrer betref­fend soll beim Amtsan­tritt eines Geist­li­chen diesem die im Vertrag genann­ten weltli­chen und kirch­li­chen Regula­ri­en ausführ­lich vorge­stellt und deren genaue Befol­gung durch Handschlag versi­chert werden (Ziff. 1.11). Und wenn beider­lei Geist­li­che die ausge­han­del­ten Bedin­gun­gen nicht einhal­ten, steht jeder Herrschaft frei, diese ohnehin auf Toleranz angeleg­te Verein­ba­rung aufzu­he­ben und zu kassie­ren (Ziff. 1.7).

Und nun weiter im Origi­nal­text:
Dann, solle »auch den beider­sei­ti­gen Unter­ta­nen durch vorge­setz­te Beamte ernst­lich bedit­ten (einge­schärft) werden, dass keiner sich gelüs­ten lasse, gegen die beider­sei­ti­gen Pfarrer zu Oberko­chen mit ehren­rüh­ri­gen oder bedroh­li­chen Reden, noch viel weniger aber mit Tagen selbst­en vorzu­ge­hen oder sich zu vergrei­fen, widri­gen­falls ein jeder, so dessen überführt würde, anderen zum Exempel mit schwe­rer Strafe bedacht werden solle«.

Bei Unter­ta­nen wird in Oberko­chen unter­schie­den zwischen »der katho­li­schen und evange­li­schen Konfes­si­on zugeta­nen Unter­ta­nen«. Diesen wird erlaubt »neben freiem Besuch auch benach­bar­ter Kirchen und Schulen priva­te Exerzi­ti­en in den Wohnhäu­sern zu haben« (Ziff. 1.3).

Das Vieh-Haus auf der Bilz, welches ein kloster-königs­bron­ni­scher Unter­tan unberech­tig­ter­wei­se erbau­te, solle in 3 bis 4 Monaten wieder abgeschafft werden.

Beim Weinhan­del soll für Wein, der außer­halb der Herrschaft Menge eines württem­ber­gi­schen Eimers wird kein Unter­schied gemacht. Für größe­re Mengen muss aus- oder inlän­di­scher Zoll bezahlt werden, je nachdem der Käufer dem fürst­li­chen Stift Ellwan­gen oder der Herrschaft Württem­berg unter­liegt (Ziff. 5.11÷12).

In diesem Zusam­men­hang darf erwähnt werden, dass wohl die Pfarrer (mindes­tens evange­li­scher­seits) sehr viel mit Wein zu tun hatten, denn etwa 10 % ihrer Einkünf­te bestan­den aus der sog. »Weinbe­sol­dung«, nach der dem Pfarrer jährlich 4 Eimer Wein, das sind etwa 250 Liter als Teil seines Gehalts zustan­den. Der Pferde­fuß daran für einen Oberko­che­ner Pfarrer war (auch wenn es hier einen Weingar­ten gibt), dass er den Wein, sollte es kein allzu räser »Semse­krebs­ler« sein, auf eigene Kosten mindes­tens aus dem Remstal herbei­trans­por­tie­ren musste.

Zu guter Letzt wird zum Zollwe­sen gesagt:
- »Alles was zum Hausge­brauch an Früch­ten, Vieh und anderer Natura­li­en erkauft und nach Oberko­chen von außen herein­ge­führt oder gebracht wird, ohne Unter­schied woher es sei, soll von allem Zoll freige­las­sen werden.

- Treiben (sowohl ellwan­gi­sche als auch Württem­ber­gi­sche) Oberko­che­ner Unter­ta­nen Handel mit württem­ber­gi­schen Landen, gilt inlän­di­scher Zollta­rif, wogegen für Handel mit dem Ausland (wozu auch Ellwan­gen zählt) auslän­di­scher Zoll zu bezah­len ist (Ziff. 2/3).

Und nun die Schluss­pas­sa­ge zur Zollver­ord­nung im Origi­nal, das als anschau­li­ches Beispiel die barocke Verspielt­heit, man könnte auch sagen die ganze bürokra­ti­sche Verschlun­gen­heit, des Vertrags­tex­tes zeigt:

- »Damit aber hiermit­ten allen Schli­chen möglichst vorge­bo­gen werden möge, so ist damit zugleich festge­stellt, dass derje­ni­ge, welcher solcher­lei in Oberko­chen selbst Erzeug­tes und Gewach­se­nes, Vieh und Waren, aus Oberko­chen zu dem Herzog­tum Württem­berg hinaus zollfrei führen will, solchen­falls jedes­ma­len von dem jewei­li­gen Schult­hei­ßen loci, unter dessen Stab er geses­sen, ein von demsel­ben unent­gelt­lich auszu­fer­ti­gen­des unver­däch­ti­ges Attes­tat ohnfehl­bar beibrin­ge, in welchem bezeugt wird, dass die verkauf­ten Waren im Ort Oberko­chen selbst herge­stellt und kein anders­wo erkauf­tes Gut seien, das er sowoh­len bei der erste­ren als auch letzte­ren württem­ber­gi­schen Zollstatt origi­na­li­ter vorwei­sen solle, als er ansons­ten ohne dassel­be nicht zollfrei passiert werden würde« (Ziff. 5.7).

Volkmar Schrenk

Oberkochen

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