Wir setzen den Bericht zum vor 1250 Jahren unter­schrie­be­nen sog. »AALENER PROTOKOLL« fort mit Auszü­gen aus der Rede von OStD. a. D. Volkmar Schrenk, durch die er den Vertrag und dessen Umfeld darstellte.

Lassen wir uns zunächst ganz einfach von der Sprache des Dokuments gefan­gen nehmen. Es beginnt so: »Zu wissen! Seit gerau­mer Zeit und Jahren haben sich sowohl in dem mit dem Herzog­li­chen Haus Württem­berg gemein­schaft­li­chen Flecken OBERKOCHEN, als auch in anderen hier genann­ten Orten, vor allem an den beider­sei­ti­gen Forst und Jagdgren­zen herzog­lich württem­ber­gi­schen Forst­rechts halber mancher­lei Strei­tig­kei­ten, Spannun­gen und Irrun­gen ergeben, welche von beider­seits gnädigs­ten Herrschaf­ten in gutem Willen schon teils anno 1730 und 1749 geregelt worden waren. Nun sind bevoll­mäch­tig­te Räte in der des Heili­gen Römischen Reiches Stadt Aalen zusam­men­ge­tre­ten, damit man zur Wieder­her­stel­lung des vorigen guten nachbar­schaft­li­chen Verneh­mens und aufrich­ti­ger Freund­schaft sich bei den in Zweifel gekom­me­nen Materi­en mitein­an­der verglei­che, und zwar nachfol­gen­der­ma­ßen so« mit dieser Beschrei­bung der aktuel­len Situa­ti­on und Nennung des angestreb­ten Zieles beginnt das »Aalener Proto­koll« die Aufzeich­nung der Verhand­lungs­ge­gen­stän­de auf über 100 Seiten.

Oberkochen

Leider ist die Quellen­la­ge bezüg­lich der Verhand­lun­gen und der ihnen zugrun­de­lie­gen­den Taktik ziemlich dürftig. Da in Aalen Unter­la­gen aus jener Zeit nicht existie­ren, ist auch das Verhand­lungs­lo­kal unbekannt. Nur über die Dauer der Verhand­lun­gen besagt eine Urkun­de »sie haben am 10. Oktober 1731 begon­nen und wurden nach einer Unter­bre­chung am 22. Novem­ber 1749 abgeschlos­sen«. Wer während dieser 18 Jahre württem­ber­gi­scher­seits die Verhand­lun­gen führte, ist nicht überlie­fert. Dagegen sind die ellwan­ger »Deputier­ten« Philipp Conrad von Lieben­stein und Bernhard Emanu­el Prümmer genannt und natür­lich die beiden Haupt­fi­gu­ren im politi­schen Schach­spiel, die zwar persön­lich nicht in Erschei­nung traten, in der Präam­bel des Vertra­ges aber ausführ­lich genannt sind:

»Von Gotte­gna­den Wir CARL Herzog zu Württem­berg und Teck, Graf zu Mömpel­gardt, Herr zu Heiden­heim, Ritter des Golde­nen Vlieses und des löbli­chen schwä­bi­schen Kreises General­feld­mar­schall beurkun­den hiermit: Nachdem von Seiten unseres Herzog­tums Württem­berg mit dem Hochwür­digs­ten Fürsten, unserem beson­ders lieben Herrn und Freund, Herrn Franz Georgen, Erzbi­schof zur Trier, des Heili­gen Römischen Reichs durch Galli­en und das König­reich Arela­ten Erzkanz­ler und Churfürst, Bischof zu Worms, Gefürs­te­ter Probst und Herr zu Ellwan­gen, Adminis­tra­tor zu Prüm und dem fürst­li­chen Stift Ellwan­gen, sowohl wegen unserer Gemein­schaft zu Oberko­chen, als auch anderer Umstän­de halber bisher in unter­schied­li­chen Stücken strit­tig gewesen waren, haben wir zur Stiftung vergnüg­li­cher guter Nachbar­schaft und einer dauer­haf­ten gottge­fäl­li­gen Einig­keit den Entschluss gefasst, zum Besten unserer beider­sei­ti­gen Lande und Unter­ta­nen solche Missstän­de durch gütli­che Handlun­gen zu vergleichen«.

Herzog Carl ist unter seinem vollen Namen Carl Eugen bekann­ter, denn mit ihm verbin­den sich Ereig­nis­se wie die Flucht des herzog­li­chen Regiments­me­di­kus Fried­rich Schil­ler 1782 ins Ausland nach Mannheim, nachdem er zuvor im Wald bei Sillen­buch Freun­den Stücke aus seinem Erstlings­dra­ma »Die Räuber« vorge­tra­gen hatte. Oder für Aalen wichtig, dass der zur Zeit des Proto­koll­ab­schlus­ses als Zehnjäh­ri­ger in Aalen leben­de Chris­ti­an Fried­rich Daniel Schub­art später durch Häscher des Herzogs von Ulm nach Blaubeu­ren gelockt, dort gefan­gen genom­men für 10 Jahre auf Hohen Asperg schmo­ren musste. Oder Name und Person der Franzis­ka von Hohen­heim, die auf Betrei­ben des Herzogs sogar ins Kirchen­ge­bet aufge­nom­men werden sollte, was für überflüs­sig angese­hen wurde, da sie dort schon vorkom­me im »erlöse uns vom Bösen«.
Doch all dies geschah lange nach 1749.

Person und Bedeu­tung von Carl Eugen nun zu würdi­gen, vor allem auch seinen Wandel zum bedeu­ten­den württem­ber­gi­schen Herzog darzu­stel­len, würde den Rahmen unseres Abends spren­gen. Nur soviel sei gesagt, zur Zeit der Proto­koll­ab­schlus­ses war der mit 16 Jahren zum Regen­ten gewor­de­ne Carl Eugen ein Jüngling von 19 Jahren, der durch jugend­li­chen Gestal­tungs­wil­len und absolu­tis­ti­schen Staats­ideen immer wieder in Konflikt mit anderen staat­li­chen Kräften, wie z. B. den Landstän­den, geriet. So ist auch verständ­lich, dass er sich nicht einem Randpro­blem, wie es das kleine Oberko­chen nun einmal war, nicht persön­lich widme­te. Deshalb trügt auch der Eindruck nicht, dass bei den Vertrags­ver­hand­lun­gen Ellwan­gen die aktive­re Seite war, wenn auch dessen obers­ter Herr, Franz Georg Graf von Schön­born, ebenfalls ein vielbe­schäf­tig­ter Mann war, wie die Liste seiner Titel im Proto­koll zeigt.

Bischof zu Worms, 1729 Bischof zu Trier, war er 1732 auch Fürst­propst in Ellwan­gen gewor­den, wo er im Dezem­ber jenes Jahres mit großem Pomp empfan­gen wurde. Obwohl er sich nur spora­disch in Ellwan­gen aufhielt — eine Quelle spricht von insge­samt nur drei Aufent­hal­ten — drück­te er der Stadt durch verschie­de­ne Bauten, u. a. den barocken Umbau der romani­schen Stifts­kir­che, den Stempel seiner Persön­lich­keit auf. In seinem Dienst stand Arnold Fried­rich Prahl, der Baumeis­ter der Props­tei, der im April 1755 auch das Oberko­che­ner katho­li­sche Schul­haus inspi­zier­te und es als baufäl­lig einstuf­te, worauf nach einigem Hin und Her der Vorgän­ger des jetzi­gen Edith-Stein-Hauses gebaut wurde.

Franz Georg war jedoch kein kleiner Kirchen­fürst, sondern ein Staats und Kirchen­mann, von dem Fried­rich der Große gesagt haben soll, in Europa gibt es nur drei Regie­ren­de, mich selbst, den Papst und Churfürst Franz Georgen von Trier, den Fürst­propst zu Ellwan­gen! Im Juli 1749 verließ Franz Georg Ellwan­gen, nachdem er dort wieder­um mit einem großen Fest seinen 67. Geburts­tag gefei­ert hatte, womit er bei Vertrags­un­ter­zeich­nung im Novem­ber nicht anwesend war. Dies soll uns aber nun nicht davon abhal­ten, uns ein wenig mit dem Inhalt des Proto­kolls zu beschäftigen.

Um die gesam­te Fülle der Gedan­ken, Bestim­mun­gen und Verein­ba­run­gen des Aalener Proto­kolls nun vor Ihnen, sehr verehr­te Zuhörer, ausbrei­ten zu können, müssten wir mehr als diesen Abend einbrin­gen. Ich habe deshalb die wesent­li­chen Punkte in einem STICHWORTVERZEICHNIS zusam­men­ge­fasst, aus dem ich anschlie­ßend wesent­li­che Punkte heraus­grei­fen möchte.

STICHWORTVERZEICHNIS

Armenfür­sor­ge
Bettler­un­we­sen
Civilver­bre­chen
Dorford­nung
Ehen und Kinder­tau­fen
Forstan­ge­le­gen­hei­ten
Gebühren
Hagelfei­er­tag, Kirch­weih
Jagdbe­zir­ke
Kranken­be­su­che
Lagerbuch und Hirten­amt
Mittags­läu­ten
Nachtwäch­ter
Obrigkeit
- landes­fürst­li­che Obrig­keit
- hohe und niede­re Obrig­keit
Pfarrer betref­fend
Unterta­nen
Vieh-Haus auf der Bilz
Weinhan­del
Zollwe­sen

Zur Armenfür­sor­ge sagt Ziffer 1.16:
»und gleich wie es sein ungeän­der­tes Verblei­ben dabei hat, dass in das von beider­sei­ti­gen Kommu­nen in dasiger Gemein­de vormals gemein­schaft­lich erbau­te und bisher solcher gestal­ten im Bau erhal­te­ne sogenann­te Armen und Hirten­haus daselbst­en bei sich ergeben­den Fällen die württem­ber­gi­schen armen Bürger und Hinter­sa­ßen des Orts ebenso­woh­len als die ellwan­gi­se­hen ohne Unter­schied der Religi­on unwei­ger­lich aufge­nom­men werden sollen«.

Verehr­te Zuhörer, da diese Sprache nicht mehr ganz die unsri­ge ist, möchte ich den großen Teil meiner Erklä­run­gen in moder­nem Deutsch geben, aber an einzel­nen Stellen auch den Urtext zitieren.

Um dem Bettler­un­we­sen zu steuern ist auswär­ti­gen Bettlern und Landfah­rern Betteln im Ort Oberko­chen verbo­ten. Dorf- und Bettel­wa­chen sollen den Ort gegen derglei­chen lieder­li­ches Gesin­del schüt­zen, wobei »alsfal­si­gen Zwangs­maß­nah­men am Leib« möglich sind. (Ziff. 1.7).

Bei Civilver­bre­chen behält sich Ellwan­gen vor, »Unter­su­chung und Bestra­fung von Civil­ver­bre­chen« im Bereich der ganzen Gemein­de ohne Unter­schied vorzu­neh­men (Ziff. 1.2), am Jahres­en­de aber die Hälfte der Straf­gel­der dem Herzögl. württem­ber­gi­schen Kloster­amt Königs­bronn auszu­lie­fern (Ziff. 1.3).

Die Dorford­nung besagt, »jede Herrschaft im Ort Oberko­chen hat einen eigenen Schult­hei­ßen, auch Vierer­leu­te und den Gemein­de­un­ter­gang (13) in gleicher Zahl zu bestel­len (Ziff. 4.1).

- Gemein­de­an­ge­le­gen­hei­ten und »alles was für die Einwoh­ner für gut und nützlich erach­tet wird«, sollen gemein­sam geregelt werden, wobei »kein Teil oder dessen Unter­ta­nen ohne gegen­sei­ti­ges Einver­neh­men einsei­ti­ge Beschlüs­se tätigen darf (Ziff. 4.1).

Kommen wir zu den Ehen, Kinder­tau­fen und Begräb­nis­sen
Im Origi­nal lesen wir:

4) wird ferner aus ebenmä­ßig bloßer Toleranz erlaubt und zugelas­sen, dass neuge­bo­re­ne Kinder, wenn es keine Eile hat, entwe­der im Ort Oberko­chen oder in eines jeder Religi­on zugeta­ner benach­bar­ten Kirche getauft werden. Was ferner

5) die Einset­zung der Ehen und Begräb­nis der Toten anbelangt, will man zwar aus gleich­mä­ßi­ger Toleranz, jedoch unter Wahrung der terri­to­ria­len, episco­pa­len und parochia­len Inter­es­sen beider Herrschaf­ten, ebenfalls die Bestim­mun­gen des Westfä­li­schen Friedens gesche­hen lassen, so dass jeder Geist­li­che zu Oberko­chen seiner Religi­on anver­wand­ten Ehen in seiner Kirche einseg­nen und Perso­nen dessel­ben Glaubens dasselbst copulie­ren möge. Wenn aber die Eheleu­te diver­ser Religi­on sein sollten, könnte es mit dem Tauf und Copula­ti­ons­akt wie bisher dabei gelas­sen werden, dass dieser in derje­ni­gen Kirche verrich­tet werden mögen, unter deren Herrschaft die Leute wohnhaft sind.

Bei Desglei­chen will man auch tolerant und unter gleich­mä­ßi­ger Wahrung vorge­nann­ter herrschaft­li­cher Rechte gesche­hen lassen, dass die in katho­li­schen oder evange­li­schen Häusern verstor­be­nen evange­li­schen und katho­li­schen Bürger, Hausge­nos­sen und Dienst­bo­ten ohne Unter­schied des Geschlechts oder Alters auf dem Kirch­hof begra­ben werden sollen, dessen Religi­on der Verstor­be­ne in seinem Leben zugetan war.

Zuvor solle der Leich­nam in aller Stille ohne christ­li­che Bräuche, auch ohne Kreuz und Fahnen, auf denje­ni­gen Kirch­hof getra­gen und daselbst nieder­ge­legt werden, dessen Religi­on der Verstor­be­ne im Leben zugetan war. Erst alsdann soll er von des Verstor­be­nen religi­ons­ver­wand­tem Geist­li­chen übernom­men und nach jewei­li­gem Religi­ons­ge­brauch beerdigt werden.

Forstan­ge­le­gen­hei­ten waren sehr wichtig, was sich auch an der dafür benötig­ten Zahl von 18 Seiten ablesen lässt:

- Einer­seits werden Regeln für die Forst­nut­zung durch die Herrschaf­ten aufge­stellt. Anderer­seits Regeln für das Volk, dem »Einwei­den, Grasen und Laubre­chen« in Heili­gen und Herrschafts­wäl­dern erlaubt ist, jedoch »wird Grasen mit Sicheln, Sensen oder anderen schäd­li­chen Werkzeu­gen in jungen Hauen gänzlich verbo­ten« (Ziff. 6.5).

- Gemein­de­leu­te dürfen nicht »nach ihrem eigen Gefal­len fortfah­ren, zum Schaden der Öffent­lich­keit noch immer sehr übel in den Wäldern zu hausen«, und auch nicht wie bisher bald aus diesem, bald aus jenem Holz nehmen, sondern nur forst­mä­ßig gehaue­nes und klafter­wei­se aufgesetztes«.

- Um »die vielen Mißbräu­che und Schli­che abzuwen­den und zu verhin­dern, dass der Klafter oft viel größer als forst­ord­nungs­mä­ßig aufge­macht wird«. werden genaue Maße und Preise für einzel­ne Holzar­ten vorge­schrie­ben (Ziff. 4.4) und ein eigener Holzwart aufgestellt.

Und noch eine Anord­nung ist zu nennen. Sie mutet recht modern an, denn sie zielt auf Gewer­be­för­de­rung und sagt:

Um Handwerks­leu­te der Gemein­de bei ihrer Arbeit vor allen anderen zu fördern, hat die Gemein­de Holz gegen Bezah­lung beider Herrschaf­ten Unter­ta­nen ohne Unter­schied verab­fol­gen zu lassen.

Volkmar Schrenk

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