Unser Bericht Nr. 35 befaßt sich aus Anlaß der Tatsa­che, daß es noch in diesem Jahr 90 Jahre werden, daß die Katho­li­sche Pfarr­ge­mein­de »St. Peter und Paul« eine schrift­li­che Beschrei­bung Ihres geplan­ten Kirchen­neu­baus erhielt, mit diesem Projekt. Unter­zeich­net ist der Beschrieb von den beiden Stutt­gar­ter Archi­tek­ten Beisbarth und Früh am 15. Dezem­ber 1898.

Da in der Beschrei­bung darauf Bezug genom­men wird, daß für den Sockel des Kirchen­neu­baus vorhan­de­ne Dolomit­qua­der der frühe­ren Kirche Verwen­dung finden würden, veröf­fent­li­chen wir die sehr inter­es­san­te Grund­riß­zu­sam­men­zeich­nung (alte plus neue Kirche) der Archi­tek­ten. Sie zeigt uns, daß für den Neubau eine völlig »unortho­do­xe« neue Gesamt­kon­zep­ti­on entwi­ckelt wurde. Eine beson­de­re gravie­ren­de und mit Sicher­heit damals heiß disku­tier­te Änderung ist, daß von der seiner­zeit noch fast unumstöß­li­chen West-Ost-Achsen­ge­rich­tet­heit eines Kirchen­baus (Eingang im Westen Altar mit Chor im Osten) abgewi­chen wurde. Der Grund liegt klar auf der Hand: Die Kirche war in ihrem räumli­chen Konzept nicht in der tradi­tio­nel­len Achse unterzubringen.

Oberkochen

Diese Verdre­hung der Raumach­se zuguns­ten einer besse­ren Nutzung des zur Verfü­gung stehen­den Bauplat­zes ist noch heute gut am Kirch­turm ables­bar: Er steht, da er von der Vorgän­ger­kir­che und von deren Vorgän­ge­rin im Grund­riß und in dem Sockel­ge­schoß aus dem Mittel­al­ter übernom­men worden war, um 45 Grad verdreht zur neuen Kirchen­ach­se in der alten West-Ost-Richtung. — Ein sehr mutiger Schritt der damali­gen Gemein­de. Man muß sich gesagt haben: es kommt nicht so sehr darauf an, wo in der Kirche, und in welcher Richtung man betet, sondern daß man betet. Der jahrhun­der­tal­te Fried­hof war in diesem Zusam­men­hang in weiten Teilen überbaut worden. Auch dies lief sicher­lich nicht ohne harte Diskus­sio­nen ab.

Die Grund­stein­le­gung zum Kirchen­neu­bau erfolg­te am 11. Septem­ber 1899, die Kirchen­wei­he bereits am 25. Oktober 1900 (Heimat­buch S. 54 und 55).

Oberkochen

Zu der nun folgen­den Beschrei­bung des geplan­ten Kirchen­neu­baus veröf­fent­li­chen wir das schwar­z/­weiß-Repro eines Aquarells, das im Origi­nal mit »Beisbarth und Früh« signiert ist. Wo sich das Origi­nal dieses Aquarells, das höchst­wahr­schein­lich aus d. Jahr 1898 stammt, befin­det, konnte nicht festge­stellt werden. Auf die Spuren dieser »Vision« der neuen Ansicht des Kirchen­baus in der »Kirch­gass«, wie die Aalener Straße damals noch hieß, geriet ich durch Zufall, als mir ein Kolle­ge vor einiger Zeit einen nur 10 cm auf 5,5 cm großen Ausschnitt aus einer Ansichts­kar­te, die vor 90 Jahren bei Greiner und Pfeif­fer in Stutt­gart in farbi­gem Raster­druck verlegt wurde, schenk­te. Leider ist diese Postkar­te nicht als Ganzes erhal­ten. Sehr inter­es­sant an dem kleinen Druck ist, daß sich in dieser hypothe­ti­schen Ansicht neben dem geplan­ten Neubau noch der alte, nicht aufge­stock­te Turm befin­det, der noch seine barocke Haube trägt. (Wir haben ein Foto der alten Kirche, auf der der Turm so aussieht, in BuG vom 23.10.1987 veröf­fent­licht im Zusam­men­hang mit dem Bericht »Oberko­chens verges­se­ner Ehren­bür­ger Pfarrer Franz Breiten­bach (1819 — 1900)«. Die endgül­ti­ge Planung sah ja dann die Aufsto­ckung des Turms und einen spitzi­gen Helm statt der Haube vor, — so, wie wir den Turm bis auf den heuti­gen Tag kennen.

Dietrich Bantel

St. Peter- und Paul Kirche Oberko­chen
Baube­schrei­bung des Archi­tek­ten vom 15. Dez. 1898
(Archiv St. P. + P.)
Neue Katho­li­sche Kirche in Oberko­chen, Oberamt Aalen.

Die Richtung der Längen­aus­deh­nung der Kirche ist so gewählt, daß möglichst viel Platz zur Überbau­ung gewon­nen wurde. Dabei lehnt sich die Kirche an den vorhan­de­nen romani­schen Turm an, (ca. 13. Jahrhun­dert), der noch in gutem bauli­chem Zustand ist, und als Zeuge vergan­ge­ner Zeiten erhal­ten bleiben soll. Der romani­sche Turm gab auch Veran­las­sung Bauart und Form der Kirche in romani­schem Styl (des 19. Jahrhun­derts) zu erhalten.

Die Gesamt­län­gen­aus­deh­nung der Kirche ist 42 m, die des Querschiffs 21,5 m. Die Breite des Langhau­ses beträgt 19 m; Quer- und Mittel­schiff haben eine Licht­wei­te von 9 m, das Seiten­schiff eine solche von 3,5 m, der Chor ist 10 m lang und 8 m breit.

Um die massi­ge Erschei­nung des Turmes einiger­ma­ßen abzuschwä­chen, ist eine Änderung am unteren Stock durch Abschrä­gung der Ecken und durch Einbruch eines Portals gegen die Haupt­stra­ße geplant.

Das Treppen­türm­chen an der linken Seite der Haupt­fas­sa­de enthält den Aufgang zu den Orgel­em­po­ren und zum Dach der Kirche und ist notwen­dig gewor­den, weil dieser Aufgang im Haupt­turm — wegen seiner Stellung — nicht unter­ge­bracht werden konnte.

Dem Mittel­schiff der Kirche ist eine Vorhal­le (Paradies) vorge­la­gert, die vorbe­rei­tend und zur Sammlung dienend wohl zu Recht besteht; über dieser liegt dann die Orgel­em­po­re mit 36 Plätzen für Sänger.

Ein Querhaus, das jedoch mit seinem First unter die Traufe des Langhau­ses gelegt ist, kreuzt das dreischif­fi­ge Langhaus und hat den Zweck der Unter­brin­gung von Seiten­al­tä­ren und Beichtstühlen.

Der Chor bildet die Verlän­ge­rung des Mittel­schiffs; an die Seiten dessel­ben lehnt sich einer­seits die Sakris­tei, anderer­seits die Taufka­pel­le an. Die Pfeiler der Führung tragen massi­ve Gurtbö­gen. Der Chor, die Orgel­em­po­re und ein Teil des Querschiffs ist nach Monier­sys­tem überwölbt gedacht, während die Seiten- und Querschif­fe sowie das Mittel­schiff horizon­tal überdeckt angenom­men sind. Die Holzde­cken sind dem Charak­ter des romani­schen Styl angepaßt und haupt­säch­lich aus pecuniä­ren Gründen gewählt.

Links vom Triumph­bo­gen — also an der Evange­li­en­sei­te — steht die hölzer­ne Kanzel.

Im Chor ist ein Haupt­al­tar und zu beiden Seiten des Triumph­bo­gens im Querschiff sind Seiten­al­tä­re und die Beicht­stüh­le untergebracht.

Für die Taufhand­lun­gen sind in der Taufka­pel­le außer dem Taufstein noch 16 Sitzplät­ze angeordnet.

Die Orgel ist zweitei­lig und läßt das Licht der Haupt­front­ro­set­te ungehin­dert in das Mittel­schiff eindrin­gen. Die Paramen­ten­kam­mer liegt über der Sakris­tei und ist von dieser aus mit einer Holztrep­pe zugäng­lich gemacht.

Die Archi­tek­tur des Inneren ist dem Äußeren entspre­chend einfach, aber würdig gehal­ten.
Die Motive der Haupt­front mit Rosette und steigen­dem Bogen­fries wieder­ho­len sich verein­facht in den Giebel­an­sich­ten des Querhauses.

Die Gesamt­zahl der Sitzplät­ze gestal­tet sich ungefähr wie folgt:
Sitze im Mittel- und Seiten­schiff — 660
Orgel­em­po­re — 36
Taufka­pel­le — 16
Zuschlag für Kinder — 58
zusam­men 770 Sitzplät­ze,
denen 1.000 Seelen des Ortes gegen­über stehen.

Die Haupt­gän­ge sind 1,5 m, die Seiten­gän­ge dagegen nur 1,2 m breit angenommen.

Um den Zugang der Kirche von der Ortsstra­ße her zu erleich­tern, ist hier ein Aufgang zur Kirchen­ter­ras­se geplant, die sich auf dieser Seite in einer Breite von 2,5 m und breiter bis zum Querschiff hinzieht.

Als Bauma­te­ria­li­en sollen Anwen­dung finden zum Funda­ment:
Beton aus Klein­ge­schläg des in der Gegend anste­hen­den Jura;
zum Sockel: vorhan­de­ne Dolomit­qua­der der frühe­ren Kirche;
als Haustei­ne für die Vorder­fas­sa­de: Buntsand­stein aus der Gegend von Calw;
für die Archi­tek­tur­glie­der der sämtli­chen übrigen Fassa­den: Kunst­stein in der Farbe des oben erwähn­ten Buntsand­steins;
für die Gliede­run­gen, Säulen etc. der Innen­ar­chi­tek­tur: Schorn­dor­fer und Nieder­al­fin­ger Stuben­sand­stein;
zu den Fußbö­den: Böhmen­kirch­ner Kalkstein­plätt­chen; im Chor: Metla­cher Plättchen.

Für die Gewöl­be sind, soweit sie nicht aus Rapitz oder in Monier­sys­tem herge­stellt werden, Töpfe vorgesehen.

Die Holzde­cken sind aus gehobel­tem und gefaß­tem Tannen­holz herzu­stel­len, das als Natur­holz zu belas­sen und nur zu lackie­ren ist.

Das Kirchen­dach soll mit braunen glasier­ten Falzzie­geln einge­deckt werden und auf den Gräten rothe Kohlzie­gel erhalten.

Stutt­gart, den 15. Dezem­ber 1898
gez. Beisbarth u. Früh
Archi­tek­ten

Der Turm ist in dieser Beschrei­bung, die wohl gleich­zei­tig mit unserer heuti­gen Abbil­dung entstand, also um 1898, ebenso nicht enthal­ten. Die Verän­de­rung des Turms, die in einer beacht­li­chen Verlän­ge­rung besteht, wurde zu einem späte­ren Zeitpunkt geplant.

Inter­es­sant ist, welche bauli­chen Maßnah­men nicht zum Zuge kamen, und welche inzwi­schen verän­dert wurden.

Dietrich Bantel

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