Am Sonntag, 30. Mai dieses Jahres, verstarb im Alter von 62 Jahren völlig unerwartet unser Leinrodener Schäfer Adolf Meidert, der als Beiratsmitglied des Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg und seit 30 Jahren Vorsitzender des örtlichen Schäfervereins Aalen weit über die Grenzen unseres Landes als hervorragender Merinolandschafzüchter, als letzterer sogar international bekannt war. Seit 1975 halte er den Meisterbrief und führte einen anerkannten Lehrbetrieb. Einige hundert Trauergäste gaben ihm auf dem kleinen Friedhof seiner Heimatgemeinde das letzte Geleit.
Der Schäferberuf, der in der Familie eine lange Tradition hat — schon die Vorfahren der Urgroßeltern waren Schäfer — erlernte Adolf Meidert ab dem 13. Lebensjahr von seinem Vater. 49 seiner 62 Lebensjahre hat er ihn ausgeübt, und ist dabei im Schnitt pro Sommer für ca. 800 Schafe verantwortlich gewesen. Der Schäferberuf war sein Traumberuf. Nebenher hatte er noch 50 Hektar eigenes Land zu bewirtschaften und die eigenen Rinder zu versorgen. Aus diesem Grund nächtigte er die letzten Jahre nicht mehr im Schäferkarren sondern zu Hause, während die Hunde auf die eingepferchten Schafe aufpaßten.
In Oberkochen und Söhnstetten beweidete Adolf Meidert zuletzt über 200 Hektar Landschaftsschutzgebiet — das sind von Abtsgmünd aus 20 bis Söhnstetten 50 Kilometer Fußmarsch, der in 4km- bis 8km-Etappen zurückgelegt wurde. Viele Oberkochener werden sich an das vielhundertstimmige »bääh« erinnern, das sich vom Tierstein langsam ins hintere Wolfertstal zog, oder das einen schon von weitem aus den Wacholderheiden des Volkmarsberges entgegenschallte. Und mancher Fotograph schoss sein Traumfoto mit der Schafherde im Vorder- und Oberkochen im Talhintergrund oder unweit der Kuppe unseres Hausbergs.
Der am 24.1.1991 zwischen Bürgermeister Harald Gentsch und Schäfer Adolf Meidet abgeschlossene Vertrag für die Verpachtung einer Schafweide über 80,8 ha Weidefläche der Stadt, der an den am 12. Mai 1971 zwischen Bürgermeister Gustav Bosch und Schäfer Wilhelm Sigel aus Bolheim abgeschlossenen Vertrag anschließt, nimmt unter § 12 auch den durch Bürgermeister Bosch veranlassten Vertragspunkt auf, demzufolge der Pachtzins 650,- DM beträgt und zusätzlich zwei Hammel für die traditionellen Hammelessen zu liefern sind, zeitlich jeweils nach mündlicher Vereinbarung. Die Große der Oberkochener Weidefläche wird bei Bürgermeister Bosch mit ca. 150 ha bei Bürgermeister Gentsch mit ca. 80,8 ha, die Stärke der Herde wird seitens Schäfer Sigel mit 200 bis 250, seitens Schäfer Meidert mit 350 Schafen genannt.
Bürgermeister Peter Traub, der uns die genannten Details, soweit die Stadt betroffen ist, vermittelte, teilt ferner mit, dass, nachdem Anfang der Siebzigerjahre deutsche Schafwolle durch Fasern und durch synthetische Fasern und durch ausländische Wolle verdrängt wurden, der Ertrag aus der Verpachtung für die Stadt Oberkochen lediglich noch symbolischen Charakter habe, und dass anstelle des echten Pachtzinses die jährlichen Hammelessen stünden.
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass es für die Erhaltung unserer wunderschönen Heidelandschaft unerlässlich ist, dass sie regelmäßig von Schafen beweidet werden. Vielen Menschen ist nicht bekannt, dass unsere Wacholderheiden wie die auf dem naturgeschützten Volkmarsberg gar keine natürlichen Landschaften sind, sondern allein durch den Schaffraß entstehen. Ohne ihn würden sie binnen weniger Jahre zuwuchern. Auch die schönen vielstämmigen und weitverzweigten Solitärbuchen auf dem Berg verdanken ihre Form dem Schaffraß. Die Holzmachergruppe des Schwäbischen Albvereins gleicht seit vielen Jahren aus, was die Schafe allein nicht mehr schaffen. Insofern muss es auch in Zukunft der Stadt angelegen sein, eine möglichst intensive Schafbeweidung unserer Heiden sicherzustellen — es sei denn, wir wollen die Heiden überbauen …
Die Hammelessen
Vertraglich sind, wie bereits erwähnt, zwei Hammelessen festgeschrieben. Das eine ist für die Bauer, das andere für den Gemeinderat. In beiden Gremien ist das jährliche Hammelessen durchaus Schauplatz intensivsten Meinungsaustauschs, denn, weil´s nichts kostet, kommen eben immer alle. Mitsprechen kann ich leider nur als vormaliger Stadtrat; bei den Landwirten war ich nie dabei — aber ich erhielt Kunde, dass es da auch immer mindestens so ordentlich rund geht, wie beim gemeinderätlichen Hammelessen, das in der Regel nach der letzten Sitzung im alten Jahr, also um die Weihnachtszeit herum, stattfindet. Der Schäfer Sigel war immer mit von der Partie — so auch Meidert, einmal sogar mit seiner Frau, im »Pflug« dabei.
Unsere beiden Fotos zeigen Schäfer Meidert mit seiner Herde einmal bei Söhnstetten, das andere Mal auf dem Volkmarsberg.


In der Bevölkerung, wo man den Hintergrund der Hammelessen nicht so richtig kennt — auch ein Grund für diesen Bericht – sind diese althergebrachten Riten immer etwas argwöhnisch betrachtet und mit dem stereotypen Kommentar bedacht worden »jetzt ganget die Hammel wieder zum Hammelessa auf oosre Keschda«.
Soviel ist sicher: die Hämmel sind umsonst.
Wie geht es nun weiter mit unseren Heiden?
Die Witwe unseres verstorbenen Schäfers führt, zusammen mit einem in dieser Notlage vom Landesverband zugeteilten Betriebshelfer, den Betrieb zunächst auf das nächste halbe Jahr unverändert weiter. Für die weitere Zukunft kann aber augenblicklich noch nichts Sicheres gesagt werden. Gewiß ist, dass die Zahl der Schafe stark reduziert werden muss. Beim Verkauf muss derzeit mit denkbar schlechten Bedingungen gerechnet werden – die Lage ist für den Meidertschen Betrieb durch den plötzlichen Tod von Adolf Meidert sehr problematisch geworden.
Wir hoffen, dass die Tradition der Schafbeweidung unserer Oberkochener Heiden dennoch auch weiterhin aufrecht erhalten werden kann, und somit auch der Bestand unserer Heiden wie auch die Hammelessen für die Zukunft gesichert werden können.
Abschließend möchte ich eine kleine Geschichte vom Volkmarsberg erzählen, die mit Schafen zu tun hat:
Die versteinerten Schafe vom Volkmarsberg
Vom Juni 1998 bis Juni 1999 lief unter dem Titel »Die Natur als Künstlerin — Exponate aus Oberkochener Häusern« — im Heimatmuseum Oberkochen die zweite Sonderausstellung. Horst Eichentopf, der auf dem Berg so sehr zuhause ist wie so schnell kein Zweiter, stellte dem Heimatverein zu diesem Zweck einen 1994 gefundenen Stein zur Verfügung, der einem sitzenden kleinen Schaf täuschend ähnlich sieht.
Wenige Tage vor der Ausstellungseröffnung kam der »Eiche« wie man ihn in Oberkochen nennt, daher und sagte: »Du wirst lachen, aber ich hab da noch was für Eure Ausstellung gefunden auf dem Berg.«
Ich sagte im Spaß: »Aber doch nicht etwa noch ein Schaf?«
Da packte der »Eiche« wortlos einen ziemlich gleich großen Stein wie den von 1994 aus, den er fast an derselben Stelle, nämlich am Verbindungsweg von der Skihütte zur Volkmarsberghütte, gefunden hatte — und es war tatsächlich noch ein Schaf. Die beiden Schafe hatte ich in der Ausstellung so aufgestellt, dass sie sich einander anschauen, und folgende Geschichte dazu geschrieben:
Sage
Einer alten Überlieferung zufolge sollen Mitte der Zwanzigerjahre zahlreiche Schafe einer großen Herde angesichts des ersten Autos auf dem Berg vor Schreck zusammengefahren und zur Stein erstarrt sein. Aus diesem Grund, und um ähnlichen Vorfällen vorzubeugen, wurde der Volkmarsberg 1928 unter Naturschutz gestellt.
Die versteinerten kleinen Schafe aber können bis auf den heutigen Tag von aufmerksamen Wandersleuten gefunden werden.
Dietrich Bantel
